Dienstag, 6. April 2021

136 Sieben Jahre schlechter Sex

Ich habe den Ring meiner Mutter verloren.

Kurz und sec, so steige ich in diesen Post ein.
Weil es mich so richtig anpisst. Und mir die Ostern verdorben hat.

Ohne Ringe ist wie ohne Kleider
Der Reihe nach: Es ist Ostersamstag, und ich muss - wie die natürlich die gesamte Bevölkerung der Schweiz - einen Grosseinkauf machen, damit ich an den restlichen Feiertagen nicht verhungere. 
Dabei bin ich schlau: Die Coops und Migros in Zürich Downtown werden wahrscheinlich hoffnunglos überlaufen sein, denke ich mir. Also lohnt es sich sicher, etwas weiter weg zu fahren. 
Die Wahl fällt auf den Riesen-Coop in Dietlikon.

Der ist tatsächlich gar nicht mal so voll. Oder einfach so gross, dass sich die Masse gut verteilen kann. I chose wisely.
Ich fülle also meinen Korb bis obenhin und schleppe mir einen ab.
Dann ab nach Hause. Aufs WC und Hände waschen - ja, und da fällt es mir auf: Wo verdammt nochmal ist mein Ring?
Ich trage immer zwei Ringe, an jeder Hand einer. Das ist so ein Tick von mir. Mit nur einem fühle ich mich blutt. Mit gar keinem füdliblutt.
Ohne Ringe an den Händen kann ich nicht raus. Übrigens auch nicht ohne Ohrringe. Kaum zu Hause allerdings, muss ich sämtlich Ringe, die Armbanduhr und etwaige Halsketten (die ich aber nicht jeden Tag trage) sofort abnehmen, denn dort stören sie mich. Sämtliche anderen Piercings und meine Armbänder bleiben aber 365 Tage im Jahr 24 Stunden lang an meinem Körper.
Dies als kleines, weirdes Supplement aus meinem Leben.

Zwischen die Früchte gefallen? Unters Kühlregal gerutscht?
Aber bleiben wir beim Thema: Jetzt also ist nur noch der Ring an der linken Hand da. Der andere: Weg.

Natürlich suche ich erstmal die Wohnung ab. Und meinen Rucksack, denn tatsächlich ist es schon ein paar Mal vorgekommen, dass mir beim Wühlen im Rucksack meine Ringe von den Fingern gerutscht sind, weil sie mir ein bisschen zu gross sind. Aber eigentlich merke ich das immer. Und finde die Ringe deshalb auch gleich wieder.

Dieses Mal ist es anders. Ich habe keine Ahnung, wo und wann mir dieser Ring abhanden gekommen ist. 

Aber klar, ich vermute das Schlimmste: Im Megalomania-Coop. Wahrscheinlich während der Schlepperei, während dieser ich den fast durchbrechenden Korb mal rechts, mal links tragen musste. Vielleicht ist mir der Ring also irgendwo zwischen den Regalen unbemerkt runtergefallen. Oder zwischen die Papayas, als ich nach der reifsten wühlte. Oder er glitt mir vom Finger und rutschte unters Kühlregal, als ich mich nicht zwischen dem Nusskäse und den Têtes des moines entscheiden konnte (und am Ende beide nahm).
 

Jetzt werde ich bestraft
Ich habe den Coop angerufen. Natürlich haben sie nichts gefunden. Wer findet einen winzigen Ring in einem riesigen Laden? Das weiss doch jede und jeder, die schon mal so ein Schmuckstück fallengelassen hat: Das springt in alle Richtungen, und ziemlich bald ist es aus den Augen verloren und man/frau muss den gesamten Raum auf den Kopf stellen, um es wiederzufinden.
Und selbst, wenn jemand den Ring entdecken würde im Coop: Wer würde sich die Mühe machen, ihn beim Kundendienst abzugeben? Er ist aus Gold, er hat einen gewissen Wert. Ich kann es nicht mal verdenken.

Ja, der Ring hat meiner Mutter gehört. Und vielleicht sogar schon meiner Grossmutter. Ich bin mir nicht sicher, aber er ist mir in meinem Leben immer wieder begegnet an Händen meiner weiblichen Verwandten. Das macht es noch schlimmer: Offenbar war vor mir nie jemand dumm genug, diesen Ring zu verlieren, aber ausgerechnet MIR muss es passieren!! Ich habe sozusagen die Kette unterbrochen, die Erbschaftskette dieses Rings... Ich bin ja nicht wirklich abergläubisch, aber ich habe schon ein bisschen Angst, dass ich mit dieser Aktion das Unglück heraufbeschworen habe. Das ich jetzt bestraft werde für meine Unvorsichtigkeit (ist das überhaupt ein Wort?). Sieben Jahre schlechten Sex oder so. 

Die Sache mit dem emotionalen Wert 
Ich habe noch mehr Schmuckstücke meiner Mutter übernommen nach ihrem Tod. Aber der verlorene Ring war mir der liebste. Er war so speziell, er erinnerte mich ein bisschen an einen Fliegenpilz, rot mit weissen und goldenen Tupfern - und eben, ich verbinde angenehme Erinnerungen mit ihm. 

Es ist schon interessant. Letztlich ist es nur ein Ring. Aber weil ich weiss, dass ihn Menschen getragen haben, die mir viel bedeuten, hat er für mich einen extrem hohen emotionalen Wert. 
Unweigerlich zerbreche ich mir jetzt den Kopf darüber, was ich eigentlich sonst noch Materielles besitze von meinen verstorbenen Verwandten.

Eigentlich nicht so viel. Eben, Schmuck, ein paar Kleider, Fotos. Es waren schwierige Entscheidungen damals, denn ich konnte ja nicht ihre ganzen Wohnungen übernehmen. Oder jeglichen Krimskrams, den ich dann einfach nur in den Keller gesteckt hätte. Der mir nur im Weg gestanden wäre. Für den ich schlicht und einfach keine Verwendung gehabt hätte. Emotionaler Wert hin oder her.
Aber hätte ich trotzdem viel mehr behalten sollen, einfach nur, weil es Menschen gehörte, die wichtig für mich sind? Hätte ich es halt ab und zu angeschaut und gedacht: Ah ja, genau, die alte Kommode, 40 Jahre stand sie bei Mami und Papi, bei mir passt sie ja null rein, aber naja, kann ich doch nicht weggeben einfach? Genau so wie das hässliche Silberbesteck. Oder die selbstgenähten Vorhänge.

Brauchen wir Dinge fürs Erinnern?
Doch, ich konnte. Ich habe selbst mehr als genug Möbel und Besteck. Und ich HASSE Vorhänge. Ausserdem wären sie für meine Fenster eh zu kurz gewesen.
Aber manchmal beschleicht mich das schlechte Gewissen. Dann schreit mir eine Stimme so ins innere Ohr: "Du respektlose, unsentimentale Bitch! Du schmeisst einfach Sachen von deinen Liebsten weg, du interessierst dich gar nicht für deine Vergangenheit, du willst sie einfach ausradieren, vergessen, so tun, als wären sie gar nie real gewesen, SCHÄM DICH!!"

Ja, tatsächlich, solche Gedanken habe ich manchmal. Und ich frage mich: Wieviele Andenken braucht ein Mensch, um sich an einen anderen Menschen zu erinnern? Um Trost zu finden, wenn jemand nicht mehr da ist? Sind die schönsten, lebendigsten und wichtigsten Erinnerungen nicht eigentlich im Kopf, im Gefühl? 
Wenn morgen der beste Freund, die Partnerin, das Kind stirbt - welche Dinge würden wir von ihm behalten wollen? Ist es ein bestimmtes Kleidungsstück? Das Musikinstrument, dass er gespielt hat? Das Velo, das es jeden Tag gefahren ist?
Oder eben ein Ring, den sie öfters am Finger trug?

Die Hoffnung stirbt zuletzt
Meine Erinnerungen bleiben dieselben, auch ohne Ring. Aber dieser Ring war einmalig. Ich kann mir nicht einfach einen neuen kaufen. Das ist nicht wie der Lieblingspulli, den man schnell ersetzt, wenn der alte ein Loch hat oder in der Waschmaschine eingegangen ist. 

Dieser verlorene Ring ist ein Riesenverlust. Und ein Zeichen mehr dafür, dass Tote halt nicht mehr zurückkehren. Weg ist weg.
Es bleiben nur die Erinnerungen. Und die sind halt manchmal verbunden mit Velos, Pullis oder Ringen. 

Weg ist weg? Vielleicht nicht in diesem Fall. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Deshalb an alle da draussen: Ein Ring aus Gold, rot mit weiss - das ist meiner. Ich nehme ihn mit Dank zurück. 

Und jetzt abonniert den Podcast endlich, Herrgott nomal!!



Dienstag, 23. März 2021

135 Mein Wissenschafts-Trauma

Mein Gspusi ist Latino, und er findet, ich sei jetzt nicht so voll typisch schweizerisch. Hat er wahrscheinlich auch recht, ich erfülle nicht alle Klischees: Ich komme dauernd zu spät, ich hasse Wandern und Berge, habe nie ein Taschenmesser im Sack und spreche nicht langsam.

Ok, ich LIIIEEEBEEE Käse und Schoggi, aber hey, wer nicht??

Aber etwas an mir ist schon sehr eidgenössisch: Die Jagd nach den Diplomen. Schweizerinnen und Schweizer müssen doch für alles ein Diplom, ein Zertifikat, ein Lizentiat, einen Master, Bachelor, MBA oder einfach sonst irgendeinen Zettel haben, der aussagt, dass sie etwas besonders gut können. Weil, sonst glaubt’s ja niemand. 
„Soso, you speak English? Cha ja jede säge! Dänn zeig halt mal dis Proficiency!“
 
Je mehr Papier, desto besser 
Ganz wichtig ist diese Diplomflut bei Bewerbungen. 
Du  bist nicht CEO, weil du seit 15 Jahren ein Unternehmen leitest. Nein, du bist CEO, weil du sieben CAS in Leadership und Management absolviert hast! 
Für das Schalten von Online-Werbung hast du ein Fernstudium in Schottland absolviert. Jetzt bist du Social Media-Expertin – und nicht, weil du jeden Tag 5 Stunden auf Instagram verbringst. 
Du kannst das 10-Fingersystem am Compi? Aber auch nur, weil das der Fackel von der Migros Klubschule bestätigt!

Je höher das Diplom, je bedeutender das Logo drauf und je mehr davon, desto eher und besser der Job. Ok, vielleicht nicht immer, aber doch schon häufig.

Das heisst also: Alle paar Jahre muss Mann, Frau und alles andere in der Schweiz sich wieder überlegen, ob denn nicht langsam wieder mal eine Weiterbildung ansteht. Macht sich auch gut vor dem Arbeitgebenden. So gut, dass er oft noch einen Teil der Kosten übernimmt. Oder sogar gleich alles selber bezahlt.

Schreiben ist nicht gleich Schreiben 
Und so ging es mir kürzlich wieder (also, nicht so, dass mein Arbeitgeber alles bezahlt, leider, aber dass ich vor der Frage der Weiterbildung stand). Was zur Folge hat: Ich habe kürzlich einen CAS begonnen. Meinen zweiten in diesem Leben. Damit bin ich unter meinen Mitstudierenden aber eine Seltenheit, für viele von Ihnen ist es schon der fünfte oder sie befinden sich gerade in ihrer dritten Masterausbildung oder ich weiss nicht was. 
 
Ich lerne ja auch sehr gerne dazu. Ich tausche mich gerne aus, diskutiere gerne, setze Anregungen und Ideen um. 
 
Aber genau damit hat es sich. Weil, was ich gar nicht gerne mache, ist: Projektarbeiten schreiben.

Und natürlich muss man genau das IMMER tun, wenn man sich als Akademikerin fortbildet und dann so ein Wertpapier haben will: Projektarbeiten. Diplomarbeiten. Zertifikatsarbeiten. Hauptsache schön wissenschaftlich alles. Die Herkunft jedes Satzes nachgewiesen.

Ich glaube, wer von euch meinen Blog liest und hört, der versteht, dass mir diese Art zu schreiben nicht gerade liegt.

Sprache ist etwas, das ungefiltert aus mir rausfliessen muss – egal, ob jetzt jemand diesen Gedanken schon mal vor mir hatte oder nicht! Keine Regeln, keine starren Korsette, keine Formatvorgaben, einfach FREI von der Leber!

Und deshalb mag es euch auch nicht verwundern, habe ich ein Trauma von wissenschaftlichen Arbeiten. Denn, wie schon erwähnt, ich habe tatsächlich eine Universität besucht vor 4304 Jahren, und dort durfte ich das zur Genüge machen. AND I WAS NOT AMUSED!!! 

 


Kein Nobelpreis für mich 
Das fängt ja schon an mit der Fragestellung, die man/frau/* in diesen Werken ja bearbeiten soll. Ja, was soll ich mich denn fragen, bitte?? Fragen, die MICH interessieren, sind nicht wissenschaftlich belegbar: Was ist der Sinn des Lebens? Warum sind gewisse Menschen Arschlöcher? Warum bin ich manchmal selber eins? Warum sind Radlerhosen wieder in?

Und dann braucht es natürlich Theorien und Methoden, anhand derer die Fragestellung untersucht werden soll. Natürlich keine eigenen, aus gescheiten Büchern sollen sie kommen. Das bedeutet: Literaturrecherche! EKELHAFT!!!!!

Gut, immerhin geht heutzutage alles online. Ich erinnere mich mit blankem Horror an meine unzähligen Gänge in die Bibliothek – nur um festzustellen, dass das benötigte Buch schon vergeben ist und ich die dritte auf der Warteliste bin. Und an die Gebühren, die ich bezahlen musste, wenn ich die Bücher (in fünf Migrosäcken!!) nicht rechtzeitig zurückbrachte!

Irgendwann aber, mit ein bisschen Glück, kommt man dann an einen Punkt, an dem man glaubt: So, jetzt verhebed’s! Das ist eine bahnbrechende neue Erkenntnis in der Forschung, die gesamte Wissenschaft hat nur auf meine Resultate gewartet! Sogar die Zitierregeln sind eingehalten und brav eine Danksagung eingefügt! Der Anhang ist länger als die eigentliche Arbeit – aber das zeugt ja von Einsatz! Wunderschön, ein MEISTERWERK! Der Nobelpreis ist mir sicher!!

Und dann findet es der oder die Prof einfach nur scheisse.

Jupp, auch das ist mir zu Genüge passiert. 

Schoggi gegen Masochismus   
Deshalb habe ich am Abend vor Beginn meines neuen CAS einfach mal kurz vor meinem neuen Mac geheult.

Wieso tue ich mir das jetzt schon wieder an?? Bin ich Masochistin, mag ich wirklich so gerne Schmerzen??

Die ganze Nacht konnte ich nicht schlafen, und wenn ich kurz wegdöste, hatte ich Alpträume aus meiner Studentenzeit. Damals, beim Abschluss, wurden wir vier Stunden lang in einen Hörsaal gesperrt und bekamen ein Thema, über das wir schreiben mussten. Meins war „Die Liebe in Horvaths Werken“ oder irgend so was, ich erinnere mich nicht mehr genau. Jedenfalls aber kannte ich mich voll aus mit der Liebe und Horvath und brachte eine komplette Enzyklopädie zu Papier (ja, damals schrieb man tatsächlich noch auf Papier). Ich war voll mit mir zufrieden. 

Und dann bei der Besprechung: „Um Gottes Willen, Sie kamen ja aus dem Schreiben gar nicht mehr heraus!“ 

Das war das gesamte Feedback für meine Mühen. Und es war nicht positiv gemeint.

Deshalb habe ich am ersten Tag des CAS eine ganze Packung Munz Caramel weiss in mich hineingestopft (die Vorteile am Online-Unterricht und an einer ausschaltbaren Kamera). Aus Frust und aus Schiss. Wegen meines Wissenschafts-Traumas.

Aber Ängsten soll man/frau/* sich ja bekanntlich stellen.

(Muss ich mir das echt noch antun mit über 40?)

… 

(Kann ich wirklich so wenig, dass ich das Gegenteil mit NOCH einem Fackel beweisen muss?) 

… 

(Oder bin ich einfach nur faul?)

Ich werde schauen, ob sich diese Fragestellungen irgendwie wissenschaftlich verwerten lassen, HAHA!!!

 

Mittwoch, 3. März 2021

134 Waage auf rote Liste

To begin with: Wenn du mich lieber hören magst, als dass du hier lesen musst, dann kannst du das jetzt tun. Zum Beispiel auf Spotify. Aber bitte abonnieren und kräftig Werbung machen!

Das nur mal so nebenbei.

Und jetzt zum eigentlichen Thema: Sport.

Ich glaube, ich habe das hier schon einige Male angeschnitten, und ich kann wohl davon ausgehen, dass ihr mittlerweile gecheckt habt, dass ich jetzt nicht soooooo die Freundin von körperlicher Ertüchtigung bin. Ich erinnere an meine kläglichen Versuche mit Yoga (Post 89). Oder Zumba (Post 25). 
Ach, aber das Tanzen (Post 113), übrigens, das ziehe ich bis heute durch. Bin ich mega stolz drauf! Ist jetzt aber auch nicht wahnsinnig athletisch. Deshalb genau richtig für mich. Denn wenn es um schneller, höher und weiter geht, dann bin ich schon nicht mehr zu haben. 
 
„Ok bis obere Grenze“  
Weshalb ich dieses Thema wieder aufgreife?
Nun, neulich bin ich zum ersten Mal auf so eine fancy Waage gestanden, die nicht nur Gewicht, sondern auch gleich noch den restlichen Zustand deines Körpers misst. Wassergehalt, Muskelmasse, Fettanteil und so.

Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie ich so naiv sein konnte. Hatte ich tatsächlich Top-Werte erwartet?

Jedenfalls hielt ich mich bis vor diesem Gang auf die Waage irgendwie für unsterblich und supergesund. Schliesslich geht es mir ja immer gut (ja, ok, ausser diese verdammte Nierenbeckenentzündung alle paar Jahre, aber irgend eine Schwachstelle muss man ja haben), ich bin nicht adipös, ich rauche nicht, saufe nicht wie ein Loch.

Und dann sagt mir diese fucking Waage, beziehungsweise die dazugehörige App, doch tatsächlich, dass mein Fettgehalt im Körper an der oberen Grenze sei!
Und das bei einem tadellosen BMI und wahnsinnig tollen Wasserhaushalt!!
(die etwas niedrige Muskelmasse verschweige ich hier mal)

Und die App war da noch gnädig mit „ok bis obere Grenze“: Als ich anfing zu googlen, kam ich auf Seiten, die mir quasi den baldigen Herzinfarkt voraussagten, wenn ich meine Fettmasse nicht mindestens um 10 Prozent reduzieren würde. Ich leide offensichtlich an „skinny fat“, also Fett, das sich nicht sichtbar in meinem Körper ablegt, sondern sich ganz still und heimlich um die Organe klammert und so grossen Schaden verursacht. Eigentlich also habe ich gemäss Internet das genau so hohe Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten wie eine übergewichtige Person.

Super!

Kein Bock auf Hanteln und Schweiss 
Nun mache ich mir also tatsächlich das erste Mal in meinem Leben so richtig ernsthafte Sorgen um meine Gesundheit. Und mir ist auch klar: Wenn ich meinen Fettwert wirklich ändern möchte, dann müsste ich wohl anfangen, Sport zu treiben. Richtig Sport. Nicht nur Tanzen, E-Bike fahren und Sexeln, nein, so richtig mit Hanteln und Turnschuhen, mit Rennen und Springen, mit Keuchen und Schwitzen, Wasserflasche, Handtuch und so.  

Pfui!!

Das ist einfach sooooooo nicht meins! Und jeder, der mich kennt, weiss, dass man mich mit so Zeugs einfach jagen kann!
„Nei, Liebi, ich laufe mit dir jetzt nöd uf dä huere Üetliberg ufe! Ich chan ufe FAHRE und dänn abelaufe, das isch ok. Aber nöd umgekehrt!“
„Es isch schöns Wetter. Chömmer jetzt nöd eifach mal im Liegestuehl hocke oder chli is Meer ligge? Musch jetzt du würklich mit em Velo eimal rund um die huere Insle? Das isch e VULKANinsle! Da isch steil! Mach das halt, aber ohni mich!“
 
Es hat aber lange gedauert, bis ich so eine gewissenhafte Nicht-Sportlerin sein konnte und voll und ganz zu meiner unathletischen Neigung stehen konnte.
Als Kind und Jugendliche dachte ich noch: Sport muss einfach sein. Macht jeder. Das ist normal, und du willst ja normal sein (heute nicht mehr, haha!).
Also arbeitete ich die gesamte Liste ab: Reiten, Aerobic, Rhythmische Sportgymnastik, Geräteturnen, Fitnesscenter, you name it. Alles über nicht sehr lange Zeit und mit nicht sehr grossem Erfolg. Und vor allem: Ohne jeglichen Bock.
 
Wahrscheinlich sind es die Hormone 
Allerdings frage ich mich schon: Warum eigentlich? Wieso liebe ich nicht auch Wandern und Joggen und Yoga, so wie viele andere?

Wahrscheinlich, weil in meinem Gehirn dieser Teil fehlt, der diese Glückshormone ausschüttet, wenn man sich körperlich ertüchtigt. Sorry, dieses Gefühl kenne ich wirklich nicht. Auch beim Tanzen macht mich ja nicht die Anstrengung happy, sondern das grosse Ganze, das Floaten mit der Musik, das Synchronisieren der Körper, das sich völlig im Takt Vergessen, die Bewegungen passieren irgendwann automatisch, du musst gar nicht mehr denken (also, im Idealfall und wenn man/frau es auch wirklich gut beherrscht, denn ehrlich gesagt ist genau das der tricky part am Ganzen, gerade für die Frau, die sich ja führen lassen soll, dann geht es im Hirn so: „Scheisse, was jetzt? Muss ich mich drehen? Rückwärts, vorwärts? Bein hoch? Nicht? Doch? HILFE!!!!“ – und tschüss, Entspannung!) und die Freude, wenn wir uns nicht gegenseitig über die Füsse stolpern….

Hach, ich bin ja soooo poetisch! :-)

Aber ansonsten brauche ich keinen Sport, um glücklich zu sein, nö. Vielleicht fehlt mir diese eine Hormondrüse. Oder vielleicht wird sie einfach anders stimuliert. Durch meine Couch zum Beispiel. Mein Bett. DIE machen mich so richtig glücklich.

Wieviel ist zuviel? 
Und offenbar auch mein Viszeralfett glücklich. So heisst dieses innere Fett rund um die Organe nämlich. Hab ich auch gegooglet. Und hat mir meine sportliche Freundin verraten, die 15 Kilo mehr wiegt, aber auch ungefähr 15 Kilo mehr Muskeln hat als ich („Ja, hui, Bitterbös, das isch scho nöd son en tolle Wert. Issisch vill Süesses?“ – „Naja… was isch vill?“ – „Du issisch vill. Ich weiss es. Rhetorischi Frag gsi.“).

Viszeralfett – das klingt doch schon so nach deadly disease, nicht?

Jetzt bin ich schlank, aber doch zu fett. Äusserlich gesund und innerlich schon halb verrottet.

Ok, ich übertreibe wahrscheinlich. Genau so wie mit meinem Sporthass. Wäre wahrscheinlich gar nicht so schlimm, so eine kleine Wanderung. So ein bisschen Rennen am See. Mit dem Velo bergauf.

Moll, eigentlich schon.

Also, einfach nicht mehr auf diese Waage stehen.

Waage auf rote Liste.
Fertig.