Montag, 17. Dezember 2018

98 Massierte Minderwertigkeitskomplexe

Neulich wollten sich eine Freundin und ich etwas Gutes tun, und wir entschieden uns für eine Massage. Und zwar für eine Partnermassage - klingt versaut, ist es aber nicht. Es ging einfach nur da drum, dass wir beide zur selben Zeit massiert werden wollten, ob im selben Raum oder nicht. Damit die eine nicht auf die andere warten musste.

Wir entschieden uns also für einen fancy Yoga Place (was mich an Blogpost Nummer 89 erinnert - meine Yogakarriere ist übrigens schon wieder vorbei!), wo schon beim ersten Betreten alles nach Gesundheit und Veganismus und Entspannung und SeineMitteFinden schrie. Die besten Voraussetzungen also, um ein neuer Mensch zu werden!
Als wir am Empfang den Termin für den nächsten Tag machten, witzelten wir schon, was die uns wohl für Masseurinnen oder Masseure zuteilen würden. Sicher so zwei männliche Topmodels, damit die Situation ja noch akwarder würde, als sie sonst schon ist. Ich meine, an einer medizinischen Ganzkörpermassage OHNE HAPPY END ist ja nichts dabei, aber immerhin liegt man halbnackt dort und der andere knetet überall an einem rum, man kann also nicht abstreiten, dass das eigentlich schon was ziemlich Intimes ist und man so einiges von sich preisgibt, ob man will oder nicht. Da ist es einem lieber, wenn einem die Masseurin oder der Masseur wirklich gar nicht gefällt, denn sonst bekommt das Ganze irgendwie einen noch peinlicheren Touch.

Tja, Pech gehabt.
Natürlich standen am nächsten Tag tatsächlich die beiden männlichen Topmodels im fancy Yoga Place, um uns in Empfang zu nehmen. Be careful what you wish for, sag ich da nur!

Auf dem Weg in den Massageraum mussten sich meine Freundin und ich das Lachen verkneifen, und als uns die beiden durchtrainierten Adonisse dann kurz zum Umziehen (oder besser gesagt Ausziehen) allein liessen, konnten wir uns nicht mehr zurückhalten: "Oh Gott, das erinnert mich jetzt  irgendwie an Sex and the City!" - "Verarscht uns hier jemand? Haben die uns hier gesehen und gedacht: 'Na, die haben's nötig, denen schicken wir gleich das grosse Geschütz!' oder was?" - "Ui, zum Glück habe ich heute nicht die ganz hässliche Unterhose an!" - "Ich nur einen Tanga! Das ist mir jetzt aber mega unangenehm!" - "Was meinst du, wer massiert wen? Willst du lieber den dunklen oder den blonden?" - "Wie war das nochmal in Sex and the City?" - "Samantha flog aus dem Spa, weil sie sich an den heissen Masseur ranmachte." - "Ah, ja?"


Ist das jetzt übrigens so ein Fall für #metoo? Liebe Männer, falls ihr euch gedemütigt fühlt: Das war alles nur "Lockerroom talk", wir machten uns einfach nur lustig über die Situation. Und versuchten so, unsere Nervosität etwas zu dimmen. Denn ehrlich gesagt, war es für mich mit der Tiefenentspannung erstmal vorbei. Und das hat nichts mit den Masseuren zu tun, die natürlich so gut aussehen dürfen wie sie wollen, sondern mit mir und meinen Minderwertigkeitskomplexen.
Ja, jetzt liegt man also eben so halbnackt auf diesem Schragen und hat das Gefühl, kein Fettpölsterchen, kein Fältchen, keine Delle bleibt dem anderen verborgen. Gott, nicht so fest rütteln am Gesäss, das schwabbelt doch so! Wieso kann der so easy unter mein Schulterblatt greifen? Hab ich dort so viel Fett?!
Und man hat auch das Gefühl, man könnte für diese vermeintlichen Unzulänglichkeiten verurteilt werden: "Oh mein Gott, frisst die Gute denn nur Fast Food oder was? Und was sind das denn für komische Verspannungen hier? Wie kriegt man denn sowas? Schon mal was von Sport gehört??"
Solche und ähnliche Gedanken liessen mich während der ganzen Massage nicht los - obwohl sie wirklich top war! Wie ein junges Geisslein sprang ich hinterher vom Tisch, mit total lockeren Muskeln, dafür etwas angespanntem Kopf.

Meine Freundin, ich und die beiden Masseure unterhielten sich hinterher noch ein wenig. Ihrer (der dunkle) machte ihr ein Kompliment: Er habe schon gemerkt, dass sie sehr athletisch sei, diese Beinmuskeln seien beeindruckend und es freue ihn, dass sie ihrem Körper Sorge trage.
Meine Freundin zählte daraufhin ihre sportlichen Aktivitäten auf, und ich lachte nur nervös und meinte: "Tja, ich mache gar nichts davon!"
Insgeheim hoffte ich, mein Masseur (der blonde) würde nun etwas erwidern, so im Stil: "Och, das merkt man aber gar nicht" oder so.

Aber leider schwieg er beharrlich.

Sonntag, 25. November 2018

97 Wie teuer ist Leben?

Meine Mutter ist über 70, aber eigentlich wirkt sie wie gerade mal Mitte 50. Sie ist fit, schlank und rank, färbt sich die Haare, zieht sich gut an, nimmt aktiv am Leben teil. 
Aber sie ist krank. Sie hat Krebs, unheilbar.
Nun ist es so, dass ihr eine Immuntherapie helfen könnte. Nicht heilen, aber helfen. Allerdings: Niemand will ihr diese Therapie bezahlen. Die Versicherung fühlt sich nicht zuständig: Ob der seltene Krebs, den meine Mutter hat, auf das Medikament anspreche, sei nicht erforscht. Und da will man natürlich kein Geld verschwenden. "Ein paar hübsche Sportwagen" könnte man mit dem Wert der Therapie kaufen, sagen die Ärzte lakonisch. Und irgendwas sagt mir, dass die Versicherer auch genau das lieber tun würden, als Spitalrechnungen zu begleichen. 

Gaaaaannnzzz böse, jaja, shame on me! Aber ich frage hier einfach mal in die Runde: Wie teuer darf Überleben denn sein?
Ja, ich weiss, 100'000 Franken, hat das Bundesgericht vor einigen Jahren festgelegt. Was für ein Witz! Wer kann ein Leben denn schon mit Geld bewerten? Wenn jemand also keine 100'000 Franken hat, dann soll er halt einfach sterben oder was? Und was ist denn teurer? Muskelschwund, Krebs oder Cystische Fibrose? Oder anders gefragt, was ist schlimmer: Langsam zu ersticken oder an Organversagen zu sterben? Wer legt das fest? 


Mir ist schon klar, dass Spitzenmedizin nicht gratis ist. Die Forschung kann ohne Ressourcen nicht arbeiten, Medikamente lassen sich nicht ohne Geld herstellen, Chirurgen operieren nicht umsonst. Und ich motze auch jedes Jahr, wenn die Krankenkassenprämien wieder steigen. Aber Preise für Medizin allein dem Markt zu überlassen, finde ich völlig absurd. 
Mit der Gesundheit ist es doch wie mit dem Wasser: Wir ALLE brauchen es, um anständig zu leben. Und wir  haben ALLE das gleiche Recht darauf, ob arm, ob reich, ob grün, ob rot - also, nein, wir haben es eben nicht, aber wir sollten es haben, verdammt nochmal! Gesundheit und Wasser sind  Menschenrechte. Wir haben doch grad heute darüber abgestimmt, dass es höhere Rechte gibt als das rein Schweizerische, oder? Also, das Menschenrecht ist so eins. Das mal so als Einschub. Und mit Menschenrechten Geschäfte zu treiben, ist einfach nur arschlochig. Jemandem dreckiges Wasser vorzusetzen, weil er sich das saubere nicht leisten kann, geht einfach nicht. Es geht schon nicht, dass Wasser überhaupt was kostet. Und niemand schreibt mir vor, wann ich zu sterben habe, schon gar nicht mein Bankkonto!

Wer also legt fest, wieviel das Leben wert ist?
Offenbar die Pharmaindustrie.
Beispiel: Novartis hat vor einigen Wochen angekündigt, eine neue Gentherapie gegen eine besonders schwere Form von Muskelschwund auf den Markt zu bringen. Kostenpunkt: 4 Millionen Franken für eine einzige Infusion! 
4 MILLIONEN!!!!! 
Was ist jetzt mit den Eltern von Kindern, die mit dieser Krankheit auf die Welt kommen? Die wissen, dass ihr Sohn, ihre Tochter ohne Behandlung keine 2 Jahre alt wird? Werden ihre Namen in einen Topf geworfen und die Versicherungen ziehen dann einen glücklichen Gewinner? Weil: Allen Betroffenen können sie unmöglich eine solch teure Therapie bezahlen. 
4 Millionen. Noch ein paar Sportwagen mehr. 

Wir fassen also zusammen: Wer eine schwere, und vor allem seltene Krankheit hat, ist völlig unserem Gesundheitssystem ausgeliefert. Und dieses entscheidet, ob es in sein Leben investiert oder nicht. Wer zu teuer ist - selber berappen oder halt Pech gehabt. 

Meine Mutter und ich können uns beide keine Sportwagen leisten.


Montag, 5. November 2018

96 High end Clubbing

Nun habe ich ja bekannterweise schon ein gewisses Alter, und deshalb muss ich auch nicht mehr jeden Abend in die Zukki, ins Hive oder ins Gonzo. Nein, es wurde jetzt Zeit, mal etwas Neues auszuprobieren.

Also ging ich an einen Ball.

Und nein, es war nicht der Polyball an der ETH. Es war tatsächlich ein Ball an bester Adresse Zürichs mit Gästen, die enorm viel Geld haben. Enorm viel. 
Zu denen gehöre ich zwar nicht, aber ich hatte das Glück, dass ich keinen Eintritt bezahlen musste - denn diesen hätte ich mir schlichtweg nicht leisten können.

Anyway, natürlich durfte man mir nicht schon von Weitem ansehen, dass ich nicht zu Zürichs High Society gehöre, weshalb also ein Ballkleid hermusste.
Da ich mich sehr kurzfristig für die Teilnahme an diesem Anlass entschied, hatte ich genau noch einen Feierabend Zeit, mich einzukleiden.
Also, rein in den nächsten Laden und das Sortiment durchwühlt.
Natürlich gefiel mir das teuerste Kleid am besten, ich hatte aber das Glück, das gerade Ausverkauf war (was allerdings immer noch bedeutet, dass ich jetzt zwei Monate lang hungern muss, aber egal). Schuhe gab's drum auch nur noch von Dosenbach, 29.90.-, aber ich das ist ja eh modern, oder, dass man Haute Couture mit Billigem ab der Stange kombiniert?

Im Tram jedenfalls fiel ich schon mal auf - nicht wegen dem langen Rock, der unter meinem Daunenmantel hervorlugte, sondern weil der Rest der Partygäste dort Dirndl und Lederhosn trug und offensichtlich nicht unterwegs war an die selbe Location wie ich. Und die, die es waren, hatten einen Chauffeur und sassen bestimmt nicht im Tram.


Angekommen im Ballsaal hingegen fühlte ich mich dann wieder ganz unter meinesgleichen: Überall bodenlange Kleider mit Glitzer und Glamour (ganz bestimmt noch einiges teurer als meines) und Herren im Smoking. Einige Gesichter kannte ich aus den Boulevard-Gazetten, und mit einigen davon sass ich sogar am Tisch - und nein, mehr verrate ich nicht, auch nicht für sehr viel Geld.

Ok, doch, für sehr viel Geld liesse ich mich weichklopfen. 

Aber ich muss sagen, ich war positiv überrascht. Ich war das erste Mal an so einem richtigen High end-Anlass, und eigentlich hatte ich mir das etwas steif vorgestellt. Aber nein, es schwangen alle das Tanzbein bis tief in die Nacht, und zwar nicht zu klassischer Wagneroper oder so, sondern zu "Despacito", "Crazy in love" und "Atemlos durch die Nacht". Was in den schicken Kleidern übrigens sehr lustig aussah. 
Wir assen fünf sehr exquisite Gänge, und ich unterhielt mich mit allen sehr gut, man war nett und höflich miteinander, egal ob man jetzt CEO einer internationalen Firma oder die Kellnerin war. 
Nicht mithalten konnte ich hingegen bei den Silent Auctions, die man als Abendunterhaltung eingerichtet hatte, denn mir mal so schnell ein Heliskiing in British Columbia für 25'000.- zu gönnen, liegt bei mir momentan einfach nicht drin. Und auch die hübschen Blumengestecke auf den Tischen durfte ich leider nicht mit nach Hause nehmen, die würde man nämlich wiederverwerten, wie es hiess. Nachhaltigkeit olé, auch bei den Superreichen.

Nichtsdestotrotz amüsierte ich mich blendend und blieb, bis die Lichter ausgingen. 
Und dann musste auch ich das erste Mal in dieser Nacht tief in die Tasche greifen: Für das Uber zurück nach Hause. 

Ich muss sagen, so etwas ein-, zweimal im Jahr, da würde ich nicht Nein sagen. Und dann zwischendurch in Jeans in die Zukki. 


Donnerstag, 11. Oktober 2018

95 Der Fluch der Zügelkartons

Nun bin ich also umgezogen. Von Tsüri nach Tsüri.
Das erste Mal wieder seit 9 Jahren.
Und ich weiss auch, wieso:

Zügeln ist einfach scheisse!! DRAKARIS!!!!

Und warum?
Wegen der Zügelkartons!!
Jawoll, genau, ich HASSE Zügelkartons (oder heisst es -kartöner auf gut Schweizerdeutsch?) Sie sind eigentlich der Grund allen Übels.

Erst muss man sie ja mal besorgen, da fängt's schon an. Wenn sie kein Kumpel grad im Keller hat, muss man dafür echt tief in die Tasche greifen, hab ich gemerkt. Sehr tief, denn ich brauchte deutlich mehr als beim letzten Umzug. So ungefähr doppelt so viele. Über die Jahre sammelt sich halt Zeug an, das merkt man jeweils erst so richtig, wenn man es wieder verpacken muss. 
"Isch doch super, denn chasch wieder mal ussortiere!", meinten meine Freunde, als ich einmal mehr über die Züglerei klönte. Aber ehrlich gesagt, fand ich beim Kartons Packen nichts, dass ich nicht UNBEDINGTUNWIDERRUFLICHLEBENSNOTWENDIG mitnehmen wollte. Und ich fragte mich: Oh mein Gott, wie konnte ich damals vor 9 Jahren nur mit so wenig Sachen überleben?
Aber logo, als ich dann in der neuen Wohnung wieder alles auspackte, fand ich plötzlich: "Hä? Warum hab ich das und das nicht weggeschmissen? Und wieso ist eine Wohnung, fast doppelt so gross wie meine alte, jetzt schon wieder total vollgestopft mit meinem Zeug??"
Gut, der Vorteil, wenn man in eine grössere Wohnung zieht, ist: Man kann sein Zeug jetzt ein bisschen besser verteilen.
Tatsächlich passen meine 3459034 Küchenutensilien (die ich besitze, obwohl ich nie koche) jetzt alle endlich in die dazugehörigen Kästchen und Schubladen, was für mich alte Ordnungsfanatikerin besser ist als Sex! Und hey: Meine Handtaschen haben jetzt einen eigenen Einbauschrank!

Aber zurück zu den fucking Zügelkisten, den Antihelden dieses Textes. 
Also, das Besorgen ist schon mal scheisse, wenn man kein Auto hat, gleich noch mehr. 
Dann muss man die Dinger auch noch alle mühsam zusammenkleben (nehmt nicht die, die man nur so zusammenfalten muss - die halten nicht, und eure Unterwäsche liegt dann plötzlich im Treppenhaus. Kleiner Gratistipp...) 
Dann folgt das Befüllen. Was soll wo rein, was zuerst, was zuletzt? Zu hohe Mathematik für mich. Ich bin da mehr so der Typ "Reinschmeissen, solangs Platz hat, die Pfannen zur Bettwäsche und die Bücher unter die Schuhe und so". 
Kommen wir zum Schleppen. 
Awful. Obwohl ich natürlich starke Helfer hatte. Trotzdem spür ich noch heute Muskelkater in den Armen und meine Hüften sind blau, vom Abstützen. 
Sind die Kartons erst mal in der neuen Wohnung, hört die Tortur aber noch nicht auf. Ne-eeeiiiinnnn, denn wenn man nicht 3 Jahre in ihrer Mitte leben will, muss man sie ganz schnell auspacken und flachstampfen.
Und dann aus dem Blick schaffen, in den Keller.

Ich glaube, ich habe unseren Lift ungefähr 5 Mal gefüllt mit diesen scheiss Dingern. Und es ist ja auch nicht so, dass es in meinem Keller jetzt noch Platz hätte für wirklich WICHTIGE Sachen, so wie ausgediente Velos, Kleider oder Blumentöpfe, die man ganz sicher irgendwann mal wieder irgendwo brauchen kann, nööööö - die Zügelkartons nehmen natürlich drei Viertel des gesamten Raumes ein! DANKE AUCH!!
Zügelkartons - sie sind ein bisschen wie unglückliche Affären: Man kann nicht mit, aber auch nicht ohne sie. Aber jetzt kann ich meine Affäre ja erstmal wieder etwas ruhen lassen. Unten, in meinem dunklen Keller....

Und übrigens: Meine neue Wohnung ist echt schön!

Mittwoch, 26. September 2018

94 Tote Tiere

Neulich kaufte ich mir in einem Tankstellenshop einen Ice Tea.

Die Verkäuferin an der Kasse war gerade am Handy, verabschiedete sich aber hastig von ihrem Gesprächspartner, als sie mich sah.
"Sorry, meine Freundin. Ruft immer dann an, wenn es mir sicher nicht passt!"
Wir lachten beide.
"Aber sie hat mir gerade gebeichtet, dass sie vergessen habe, den Güsel rauszubringen."
Ich (semi-interessiert): "Ah, ok."
Die Verkäuferin überlegte kurz und schaute mich dann stirnrunzelnd an: "Heute ist Samstag, nicht?"
Ich (denke kurz nach): "Ja."
Verkäuferin: "Am Samstag kommt keine Güselabfuhr, oder?"
Ich (keine Ahnung): "Ähm... nö, glaub nicht..."
Verkäuferin: "Scheisse! Dann ist das wirklich doof. Ich hab eben noch tote Tiere im Tiefkühler, die ich dringend entsorgen müsste!"
Ich (ganz leicht creeped out): "... tote Tiere...?"
Verkäuferin: "Ja. Ich muss aufpassen - Waschbären lieben tote Tiere!"
Ich (tat so, als wäre alles ganz normal): "Ah ja, kann ich mir vorstellen."
Verkäuferin: "Die kennen nix! Wenn die können, brechen die ein und nehmen alles auseinander!"


Hinter mir stand ein Mann, der eine Flasche Motorenöl bezahlen wollte. Er schaltete sich in die Unterhaltung mit ein: "Ou, ja, das kenne ich! Diese scheiss Viecher!! Machen alles kaputt! Neulich sind sie in meinen Hühnerstall eingedrungen. Die haben aber nicht nur die Eier geklaut, nein! Die haben den Futtertrog umgeworfen und das ganze Dach aufgeschlitzt! Sah alles aus wie Sau!!"
Ich (tat immer noch so, als könnte ich mitreden): "Jaja, so Waschbären haben halt keine Scheu..."
Mann: "Überhaupt nicht! Aber jetzt ist fertig, jetzt hab ich sie im Griff!"
Verkäuferin: "Ach, wirklich? Jetzt muss ich aber wissen, wie das geht!"
Mann: "Jupp, ein Nachbar hat mir den Trick gezeigt: Ich hab den Sauviechern das Schwimmen beigebracht...!"
Er strahlte wie ein leckes AKW. Ich lachte gequält mit, wollte ja schliesslich freundlich sein, aber in mir ging das creepy Kopfkino los: Können Waschbären vielleicht gar nicht schwimmen und der Typ hat ein Becken Wasser aufgestellt, in das sie hineinfallen und ersaufen? Nein nein nein, die können ganz sicher schwimmen. Dann fängt er sie also und ersäuft sie gleich selber? Oder lässt sie in eine Tonne mit Wasser plumpsen, macht einen Deckel drauf und wartet, bis die Tiere nicht mehr schwimmen mögen...?

Mir stellten sich die Haare auf. 
Überall. 

Verkäuferin: "Ou, das ist aber eine gute Idee, das mach ich ab jetzt auch so!"

Ich muss weg.

Er: "Ja, kurzer Prozess mit diesen nutzlosen Biestern! Fertig lustig!"

Ganz schnell weg. 

Ich: "Soooo, herzlichen Dank und einen schönen Tag noch - viel Glück mit den Waschbären!"

'Viel Glück mit den Waschbären' - doofer geht's auch nicht, Frau Bitterbös! Aber egal, ich war aus der Tür und wieder im Auto und irgendwie erleichtert.

Die Tankstelle stand übrigens auf einer abgelegenen Insel in Kanada. 
Ja, ich war in den Ferien, drum war es hier auch länger ruhig, entschuldigung.

Dienstag, 4. September 2018

93 Die besseren Vegis

Neulich habt mich jemand gefragt, ob ich eigentlich Vegetarierin sei, weil ich mich so als besseren Menschen fühlen könne.

Ähm - nope??

Und schon sind wir wieder bei meinem Lieblingsthema, dem Essen!

Tatsächlich ist es so, dass ich mich, seitdem ich 14 bin, vegetarisch ernähre - allerdings gab es in all den Jahren auch einige Unterbrüche, da bin ich ganz ehrlich: Mal ass ich phasenweise wieder etwas Fleisch, mal kein Fleisch, dafür Fisch und Meeresfrüchte (was ich übrigens eine total dämliche Bezeichnung finde, ich meine, Scampi und Muscheln wachsen ja schliesslich nicht an einem Strauch, das sind Tiere, also müsste es wohl eher "Meerestiere" heissen oder so). Aber so ca. seit 6 Jahren esse ich wirklich keinerlei Muskeln mehr, um das mal genau zu definieren.
Und ja, ich esse sie nicht, weil ich mit unserer Fleischindustrie nicht einverstanden bin. Dass Tiere irgendwo auf der Welt in Anhänger gequetscht und stundenlang irgendwo anders hin auf der Welt ins Schlachthaus gekarrt werden, wo viele dann schon tot ankommen, da zertrampelt oder zu Tode geprügelt. Dass man diejenigen, die die Tortur überlebt haben und vor Panik nur noch so zittern, in irgendeinen sterilen, gekachelten Raum schleift, um ihnen dann eine Kugel in den Kopf zu jagen oder die Kehle durchzuschneiden.
Und es gefällt mir auch nicht, dass man Küken auf einem Laufband aussortiert als wären sie faule Äpfel, und sie dann irgendwo in eine Mülltonne schmeisst.
Und ja, ich könnte auch kein Tier selber töten, da frag ich mich halt: Muss ich wirklich jemand anderes die Drecksarbeit machen lassen, um mir nachher eine saftige Wurst braten zu können, so im Stil: Ich seh's ja nicht, also ist es auch nicht so schlimm?
Für mich persönlich stimmt das nicht, also esse ich kein Fleisch.
That's it.

Aber nein, das macht mich nicht zu einem besseren Menschen. Denn Milch und Eier konsumiere ich ja, und ich trage Schuhe aus Leder. Wenn ich krank bin, nehme ich Medikamente, die wahrscheinlich irgendwann mal an Laborratten getestet wurden. Ich produziere Abfall, fliege oft im Flugzeug, dusche gern lange, kaufe zu viele Kleider, lüge manchmal, nehme keine Flüchtlinge auf, helfe alten Menschen nicht immer über die Strasse.
Nein, ich bin ganz sicher kein besserer Mensch.


Aber ich finde es schon interessant, wie viele immer gleich aufhorchen, wenn ich sage, ich sei Vegetarierin. Wie sie mir unterstellen, auf sie herabschauen zu wollen.
"Soso, Vegi. Aber Milch und Eier issisch ja, das bringt ja gar nüt! Wieso bisch nöd grad Veganerin?" - vielleicht WEIL ich eben so ein schlechter Mensch bin?
Oder jemand ganz Sonderbarer zu sein, auf den man lieber gaaaaaanz gut Acht gibt:
"Ah, du issisch kei Fleisch. Stört's di, wenn ich esse?" - wenn jemand nicht gerne Reis hat - würdest du darauf verzichten, vor ihm Risotto zu essen?
Oder krank - nicht nur im Kopf:
"Was, Vegi? Dir fehled sicher ganz vill Vitamin. Und Ise!" - nope, ganz super Blutwerte. Sorry!
"Du, stört's di, wenn mis Pouletflügeli uf em Grill näbed dim Quornburger lieht?" - nein, mich stört, dass es als Beilage nur Tomatensalat gibt - ich HASSE Tomatensalat!!!!!!! Gibt es etwas Langweiligeres??
"Kei Fleisch? Machsch das wäg dä Figur?" - ja, genau. Dann muss ich kein schlechtes Gewissen haben, wenn ich jeweils eine Familienpackung Raffaello reinschaufle. Aufs Mal.
(oder so einen Sack Nüssli und Weinbeeren mit Schoggiüberzug, HMMMM!!!)
(ein Kübel Zitronensorbet ist auch super. Mit Schlagrahm!)

Von da her: Vegetarismus (Gott, dieses Wort - klingt irgendwie wie eine Hauterkrankung oder so!) macht mich nicht zu einem besseren Menschen.
Und nein, tatsächlich hab ich auch wirklich null Bock darauf, irgendjemanden mit meinem Essverhalten zu indoktrinieren. Was andere essen, geht mich nichts an - ausser bei Gänseleber und Hummer werde ich stinkesauer! Gänse zu stopfen, und Hummer ich weiss nicht wie lange zusammengebunden auf Eis liegen zu lassen, um sie danach bei lebendigem Leib in siedendes Wasser zu schmeissen ist für mich einfach noch der schlimmere Horrorfilm als das Schlachthaus!!

Aber ansonsten: En Guete!
Und ja, Quornburger finde ich wirklich sehr geil.

Mittwoch, 15. August 2018

92 Telefon-Sex

Neulich klingelte mein Handy.

Ich weiss, uh mega spannend, wow!
Aber jetzt kommt's: Auf dem Display stand "Anonym".

Logisch, dass ich da abnahm, ich meine, was kann denn spannender sein als ein anonymer Anrufer? Wer unterdrückt ernsthaft seine Nummer, wenn er nicht irgendetwas ganz Schreckliches zu verbergen hat?? Ein Betrüger, ein Mörder, die süddeutsche Landeslotterie!!!! ACH, ICH LIIIEEEEEEBBBEEEE EINFACH GEHEIMNISSE UND GEFAHR!!!!!!!!!

Also swipte ich auf dem Bildschirm nach rechts und meldete mich mit meinem Namen: "Bitterbös?"
Am anderen Ende der Leitung (oder wie sagt man dem heute, wo man ja praktisch nur noch schnurlos telefoniert? Auf der anderen Seite des Äthers? Der digitalen Datenbahn?) räusperte sich eine fremde männliche Stimme, nervös.
"Ou, äh... aso... hmm... jetzt bin i glaub total falsch, Entschuldigung! Jetzt han i eigetli welle mim Kolleg alüüte! Aso..."
Ich: "Ja, da sind Sie glaub würkli falsch. Schöne Ta..."
Er: "Aso, Sie müend entschuldige, das, äh... aso... ich nimmen aa, äähm, Sie händ die Nummere scho lang?"
Ich: "Ou ja, scho sehr, seeeeehr lang (was auch stimmt, nämlich rund 20 Jahre - ich übernahm damals das erste Nokia meines ersten Freundes mitsamt Prepaid-Karte. Die Nummer blieb bis heute, der Freund nicht). Adie..."
Er (lacht): "Haha! Aso... ähm... ha! Ich mues scho säge, soooo alt töned Sie jetzt gar nöd, wenn ich das mal so dörf säge!"
Ich: "Aha."
Er: "Aso, wie alt sind Sie denn, wenn ich fröge dörf?"
Ich: "Dörfed Sie nöd. Das dörf mer bi Frau nie. (#metoo, nämlich! Ok, das ist zwar ein völlig idiotisches Argument, schliesslich wollen wir heute ja alle gleichberechtigt sein, also können wir auch alle zu unserem Alter Auskunft geben oder eben auch nicht. Aber auch in meinem Kopf sind offenbar noch uralte Geschlechter-Klischees verankert). Aso, demfall no e..."
Er: "Aha, ja... äähm, klar... entschuldiget Sie! Aber Sie händ würklich e wahnsinnig sympathischi Stimm, wenn ich das mal dörf säge!"
Ich: "Danke, aber i..."
Er: "Sehr sympathisch, momoll! Aso, ähm... ich wür Sie gern mal kännelerne, wenn ich das grad so dörf säge!"
Ich: "..."
Er: "Ich bin nämlich Single!"
Ich: "Aha."
Er: "Aso, ähm... und Sie?"


Tja, was sagt man jetzt auf so was? 
"Ou, Sie, ich au, das trifft sich ja ganz wundervoll! Ich han scho sooooo lang druff gwartet, dass mir endlich mal en Unbekannte mit underdrückter Nummere alüütet und sini Chance abcheckt! So lässig, ich hürate Sie grad! Oder mached mer vorher no zersch chli Telefon-Sex? Möchted Sie näbed mim Alter eigetlich au no grad mini Kreditchartenummere wüsse? 4901..."
Oder: "Nei, ich bin leider nöd Single, verhüratet und 7 Chind. Aber ich wünschen Ihne vill Glück! Ou, wartet Sie, jetzt fallt mir grad no öppis ii: Ich hett da e Fründin, wo uf dä Suechi isch! Moment, ich gib Ihne grad ihri Nummere. Probiered Sie's doch mal deet!"

Ich finde, beide Antworten wären sehr lustig gewesen.
Aber wie das manchmal so ist, in der Situation selber fällt einem auf die Schnelle nichts so Scharfzüngiges ein. Und deshalb ging es von meiner Seite ungefähr so weiter:
"Aso, ähm... nö."
Er: "Aha, ja, klar. Han i scho dänkt, jaja! Demfall stör ich Sie jetzt nöd länger! Nomal Entschuldigung, gäll, und ich wünsche Ihne no ganz en schöne Tag!"
Ich: "Danke, gliichfalls!"

Und wahrscheinlich wählte er dann die nächste Nummer.

So ein moralischer Schlusssatz für diesen Post fällt mir gerade nicht ein. Euch?
Und wer von euch hat hier nur draufgeklickt, weil er/sie den Titel gelesen hat? ERTAPPT!!

Freitag, 27. Juli 2018

91 Kurze Hosen

Gestern am Rundfunk.FM im Landesmuseum, ich stehe vor dem WC-Wagen in der Schlange. Vor mir zwei blutjunge Frauen, die eine erzählt von ihrem 25. Geburtstag.
"Gopferdelli,  ich bin scho huere alt!"
Ihre Freundin: "Nei, spinnsch, du bisch im Fall immer no mega jung! Du gsehsch immer no us wie 20!"
Ich habe Mitleid.
Mit mir.

Am selben Abend eröffnet mir eine Bekannte, ich sei ja jetzt auch in dem Alter, in dem ich keine kurzen Hosen mehr anziehen könne. Weil's einfach scheisse aussehe.
Ja, an ihr vielleicht.

Meine Lieben, ich bin 40 geworden. Der Titel dieses Blogs hat sich geändert. Ich mich selber aber nicht. 
Gut, mit 40 wird man langsam wehmütig und sieht deutlicher, was alles hinter einem liegt. Aber auch, was alles noch kommen könnte. 
Und das Schöne dabei: Man muss in diesem Alter nicht mehr warten. Man macht einfach. 

Also trage ich weiterhin kurze Hosen, weil ich eh finde, die zieht man einfach an, solange es heiss ist auf dieser Welt. Punkt.

Danke für eure Gratulationen!

Eure B.



Mittwoch, 11. Juli 2018

90 Diagnose: Verkaufsucht

Wer mich kennt, der weiss: Ich verkaufe gerne Sachen. Online.

Alles, was ich nicht mehr brauchen kann, wandert bei mir auf ronorp.net, anibis.ch, tutti.ch, den Facebook Marketplace und Co. 
Zum Fixpreis - deshalb lasse ich Ricardo und ebay aus. Mit mir wird nicht gefeilscht!

Und ich bin gut!

Was ICH schon alles losgeworden bin! 
Uralte Tintenstrahldrucker. Stereoanlagen mit Kassettenfach. Uncoole Kleider (meine alte Skijacke in Neonfarben schaffte es bis nach Bern!). Klapprige Velos. Nicht-smarte Fernseher. Unpraktische Kleiderschränke. Klobige Kommoden. Zu kleine Koffer. Zu grosse Schuhe (haha, SCHERZ!! Sowas gibt es bei mir gar nicht!). Unbequeme Stühle. Wackelige Bücherregale. Halbkaputte Plastik-Kleiderbügel. Vaters zu fruchtbare Fische. Mutters geschmacklose Kaffeetassen-Sammlung. Ihre noch geschmacklosere Etagère. 
Alles weg - und erst noch für Geld!

Verkaufen im Netz ist irgendwie ein Hobby von mir. Liegt vielleicht daran, dass ich nicht gerne Sachen wegschmeisse. Vielleicht auch daran, dass ich geldgierig bin - ok, nein, das stimmt nicht, ich verschenke viele Dinge, die ich nicht mehr brauche oder will, an Freunde und Familie. Aber wenn die das auch nicht wollen, dann wähle ich eben den digitalen Weg.

Es fühlt sich einfach gut an, etwas, das einen selbst stört, an jemanden weitergeben zu können, der noch Freude daran hat. Eine Art Psychohygiene: Gehen die ungeliebten Dinge aus der Wohnung raus, hat man auch wieder mehr Platz im Hirn, mehr Luft zum Atmen. 
Klingt weird und ist es auch. Aber so bin i halt, gäll.  
Es gibt ja Kaufsucht. Gibt es eigentlich auch VERkaufsucht? Ist das in irgendeinem medizinischen Werk dokumentiert? 


Anyway, Verkaufen tut gut und bereichert - ich meine jetzt nicht nur finanziell, sondern auch seelisch. Es sind diese wunderbaren Erlebnisse, die man so auf dem Weg vom Marketing bis zum Sale macht, was man dabei alles für nette Menschen trifft:
  • Diejenigen, die einem eine Message mit "5 Francken. Ich näme." schicken (und ich habe den Artikel für 42 Franken ausgeschrieben).
  • Diejenigen, die unbedingt mein rostiges Velo wollen, und dann am ausgemachten Tag nicht erscheinen, um es abzuholen und einen auf sämtlichen sozialen Medien und auf dem Handy blockieren (ich kann es nicht genug wiederholen: FUCK YOU!!!!!).
  • Diejenigen, die mit der gesamten Familie inklusive der uralten Grossmutter vor der Türe stehen, damit diese deine ausgeleierte Gästematratze höchstpersönlich inspizieren und grünes Licht geben kann für den Kauf (ich hoffe, die Matratze wurde dann nicht ihr eigenes Bett!).
  • Diejenigen, die deinen ausgedienten Sessel ins Auto laden und dir dann statt der festgelegten 50 Franken doch nur ein Zehnernötli in die Hand drücken und finden: "Das langed scho, oder?" (hat es übrigens nicht - und ich kann da SEEEEEEEHHHR überzeugend sein!).
  • Diejenigen, die deine hässlichen Schuhregale ins Auto laden und dann sagen: "Mischt, ich han gar nöd gnueg Bargeld debi, ich bring's der morn, ich versprich's!" (einmal reingefallen, gutmütig wie ich bin, ich geb's zu!).
  • Diejenigen, die sich auf das Inserat mit den alten Turnschuhen melden und dann merken, dass sie genau über deiner Mutter wohnen (worauf sie sich dann auch nicht trauen, dich zu verarschen - Vorteil!).
  • Diejenigen, die beleidigt sind, dass du den riesigen Kleiderschrank für 15 Franken nicht schon selber auseinandergeschraubt hast und auf der Türschwelle wieder kehrt machen.
  • Und auch diejenigen, die total strahlen, wenn sie deinen nie benützten Hometrainer abholen und sich mega darüber freuen, dass sie jetzt mindestens 300 Stutz gespart haben!
Für solche Momente lebe ich!
Und diesen Sommer werde ich noch einen Schritt weitergehen: Ich vergrössere mein Wirkungsfeld und gehe vom virtuellen auf den realen Flohmarkt!! OH. MY. GOOOOODD!!!!!!!!!


Kommt mich besuchen! Ihr erkennt mich an der guten Laune!

Samstag, 23. Juni 2018

89 Savasana

Jetzt habe ich das auch mal probiert mit diesem Yoga. 
Gehört ja offenbar zu einem lebenswerten Leben dazu, wenn ich mich so umschaue. Überall Popup-Yoga und Yoga Nights, Yoga Retreats, Bikram Yoga, Airyoga,  Ashtanga Yoga, Yoga am See, Yoga für Schwangere,  Bedtime Yoga, Yoga zum Aufwachen, Yoga gegen Stress, Chi Yoga, Om Yoga und, und, und...

Bei mir ist es ja so: Seit knapp 4 Jahrzehnten suche ich nach einer Sportart, die ich nicht schon nach zwei Wochen wieder aufgebe. Es ist nunmal so, dass in meinem Erbgut das Sportgen vollständig fehlt, das Schlechte-Gewissen-Gen aber sehr ausgeprägt ist. Oder anders gesagt: Ich muss praktisch 24 Stunden gegen den inneren Schweinehund ankämpfen, der mir sagt, Liegen und Fressen ist viel toller als Rennen und Springen. Denn die andere Stimme in meinem Kopf macht mir auch 24 Stunden am Tag klar, dass ein Mensch, der keinen Sport treibt, ein SCHLECHTER Mensch ist, langweilig, fett, krank und unbeweglich.

Meine Liste der Sportarten, in denen ich bereits kläglich gescheitert bin, ist lang: Rhythmische Sportgymnastik, Geräteturnen, Krafttraining, Fussballspielen, Skifahren, Schlittschuhlaufen, Zumba. Nirgends war ich talentiert und nirgends wurden bei mir diese Hormone ausgeschüttet, von denen die Ärzte doch immer sprechen, die, die so total glücklich und relaxed machen sollen! Fehlen mir vielleicht gewisse Drüsen?
Ausser mit dem Velo in der Stadt rumkurven war Sport war für mich immer Mord. Ich sah nie einen Sinn darin, mich für etwas körperlich anzustrengen, das mir gar keinen Spass macht. Wieso um 5 Uhr Früh aufstehen und mühevoll einen Berg hinaufkraxeln, was erwartet mich denn da oben auf dem Gipfel schon? Nicht mal ein Kafi!


Aber eben, das schlechte Gewissen... jetzt also Yoga. 
Auch, weil mir die Philosophie gefällt. Und ich finde sowieso, in Asien sind sie uns in Punkto gesund und achtsam Leben weit voraus, in der Theorie jedenfalls. 
Es dauerte allerdings ein wenig, bis ich ein Studio fand, in dem es für meinen Geschmack nicht zuuuu esoterisch zu- und herging, denn das mag ich nicht.
Ja, sorry, ich habe eine Schauspielschule absolviert, ich musste jahrelang durch meinen Anus atmen und ein "HA!" zulassen, ich habe seelische Schäden davongetragen! Darum: Es darf ruhig voll öd und weltlich sein.

Und dann das grosse Staunen in der ersten Stunde: Ich wusste ja nicht, wieviele Schlangenmenschen es in diesem Zürich gibt, vor allem Frauen! Die können sich mühelos in alle Richtungen verbiegen, und ich kriege nicht mal einen gescheiten Schneidersitz hin (konnte ich schon als Kind nicht)! Ich dachte ja, Yoga könnte was für mich sein, weil es da mal nicht darum geht, am schnellsten, ausdauerndsten und stärksten zu sein und möglichst viel zu schwitzen. Aber ich scheiterte ja nur schon an den Anweisungen: "Let's do Child's Pose! Down-facing dog! Kleine Kobra! GROSSE Kobra! Virabhadrasana! Utthita Trikonasana!"
Immer schön von den anderen abschauen und dann merken: Sorry, aber diese "Taube" und so, DAS TUT DOCH WEH!!! Und dieses endlose Abwechseln von Hund, Kobra, Krieger und ich weiss nicht was ist sauanstrengend!
Meine Lieblingspose bald: Savasana, die Totenstellung. In der schlägt mich wenigstens keiner.

Nach einigen Stunden mehr war mir klar: Ich brauchte einen Chiropraktiker. Und der bestätigte mir das auch: Muskelentzündung in der Schulter, noch ein paar Mal akkupunktieren, dann sollte ich den Arm auch wieder über den Kopf bringen. 
Und dann klappt das sicher auch wieder besser mit diesem Yoga. 
Ich bin gespannt, wie lange ich diesmal durchhalte. Meine Hoffnung: Bald ziehe ich in die Nähe des Yogastudios, das wird meine Motivation hoffentlich befeuern. 
Ja, ihr habt richtig gelesen: Ich ZÜGLE, fertig Wohnung Suchen, juppieeee!!! Vielleicht macht mich der neue Wohnort also auch noch zum Yogi?

Donnerstag, 7. Juni 2018

88 An die Hobby-Polizisten

Wisst ihr, wer mich so richtig auf die Palme bringt?

Leute, die bei anderen Leuten kucken, ob sie die Regeln einhalten.

Und damit meine ich jetzt nicht, ob sie klauen oder morden oder so, denn da bin ich ja auch dafür, dass wir alle ein Auge drauf haben. Nein, ich meine Regeln wie: "Nicht bei Rot über den Zebrastreifen gehen!" und "Nicht das Auto im Parkverbot abstellen!".
Offenbar gibt es zahlreiche Hobby-Polizistinnen und -Polizisten auf dieser Welt, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, der richtigen Polizei ein bisschen Arbeit abzunehmen und damit die Welt zu verbessern.
Nice try! 
Denn alles, was sie mit ihrem Verhalten schaffen, ist es, mir ganz entsetzlich auf den Sack zu gehen (obwohl ich ja gar keinen habe, aber das macht die Sache auch nicht besser!)!!

Ein Beispiel: Vor ein paar Tagen wollte ich mit meinem Velo von A nach B fahren. Dazwischen lag eine Einbahnstrasse, deren Fahrtrichtung nicht zu meinen Gunsten war. Also wich ich kurzerhand aufs Trottoir aus. Ein schickes Cabriolet kam mir entgegen, und der Typ am Steuer brüllte mir schon von Weitem zu:

"ABSTIIIIIEEEGGGEEEE!!!!!!!!!!!!!"

Ich meine, ok, ja, ich habe das Gesetz gebrochen - ich fuhr Velo auf dem Trottoir und gehöre dafür gefoltert und exekutiert. Allerdings wird das die RICHTIGE Justiz in die Hände nehmen und sicher niemand, der offenbar seinen Beruf verfehlt hat und IT-Manager oder Bäcker geworden ist anstatt Polizist! Also, reg dich wieder ab, Alter!

Und des Weiteren möchte ich hier noch ganz klar betonen: Ich habe mit meinem Verbrechen weder den Cabrio-Fahrer noch andere Menschen irgendwie behindert oder in Gefahr gebracht, denn ausser mir und ihm war niemand zugegen, und da er ja auf der Strasse und ich auf dem Trottoir fuhr, kamen wir uns auch null in die Quere.
Deshalb auch hier, Typ im Cabrio: Relax!

Ich stieg natürlich nicht ab und warf ihm nur einen sehr abschätzigen Blick zu. Ehrlich gesagt, war mein Puls aber sofort auf 180, und ich hätte ihm am liebsten das F-Wort hinterhergerufen. Was hat er denn erwartet? Dass ich mich bei ihm entschuldige und bedanke, dass er mich auf meinen Faux-pas aufmerksam gemacht hat und dann brav zu Fuss weitergehe? Hält sich der Typ wirklich für so wichtig??

Er ist doch einfach nur ein ARSCHLOCH!!

Sorry, ich habe lange über einen etwas netteren Ausdruck nachgedacht, aber ich musste zum Schluss kommen, dass mir für solche Leute einfach nichts Netteres einfällt, sorry noch einmal. 
Da kriech isch Plack!!!
Get a fucking life, dann ist es dir nämlich auch nicht mehr so  langweilig, und du musst keine anderen Menschen mehr bevormunden!


Anders wäre es natürlich gewesen, wenn ich mit meinem Velo eine Schneise in einen Schwarm von Fussgängern geschlagen hätte. Wenn ich vom Trottoir auf die Strasse direkt vor das Cabrio gerast wäre. Denn dann hätte ich mit meinem Regelbruch andere Menschen genervt oder gar verletzt. Und dann hätte der Typ einen Grund zum Schreien gehabt.
Genau so, wenn ich meinen Abfallsack mal schnell auf dem Trottoir entleert hätte. Vor eine Haustür gepisst oder meinen nicht verhandenen Porsche auf den Tramschienen parkiert hätte. 
All das: Grund zum kollektiven Schreien.
Mit dem Velo auf dem leeren Trottoir fahren: Nur Grund zum Schreien für einen AUSGEBILDETEN Polizisten, denn das ist schliesslich sein Job.

Für alle Hobby-Polizistinnen und -Polizisten: Wenn ihr unter 35 seid, gibt es Hoffnung für euch, dann könnt ihr euch nämlich noch an der Zürcher Polizeischule bewerben. 
Und die älteren: Zieht euch doch amigs einfach an der Fasnacht eine Uniform über und geht DANN allen anderen auf den Sack, bei dem Alkoholpegel stört sicher niemanden.

Sonntag, 20. Mai 2018

87 Generation Offen

Neulich sass ich bei meinem Lieblings-Asiaten im Seefeld.
Keine Angst: Es geht nicht wieder ums Essen. 

Nein, mein Khao Soi war hervorragend wie immer, da gibt's nichts weiter dazu zu sagen. Und es wollte auch niemand von meinem Teller probieren (siehe Frau Bitterbös Nr. 86). 
Nein, ich wollte viel mehr von meiner Tischunterhaltung erzählen. Denn direkt neben mir sass eine Gruppe 20-jähriger, zwei Männer, zwei Frauen. 

Frau 1 zu Frau 2: "Sind er etz eigetlich zäme?"
Frau 2: "Aso, nei, mir sind nöd exklusiv."
Frau 1: "Aber ihr gsehnd eu voll vill!"
Frau 2: "Ja, eh, fasch jede Tag. Aber er isch nöd min feschte Fründ."
Mann 1: "Händ er en offeni Beziehig?"
Mann 2: "Ah, das han i au scho gha!"
Frau 2: "Ja, genau. Es isch voll entspannt. Mir chönd beid mache, was mer wännd. Aber mir händ's voll guet!"
Frau 1: "Cool!"
Und sie und die Männer nicken verständnisvoll, und alle nehmen einen Schluck ihres Hugos.


Ha! Wie erwachsen!
Als ich noch in den 20ern war, hätte das in meiner Clique niemand gesagt: "Neeeeeei, das isch nöd min Fründ, dä bumst no mit ganz vill anderne und ich au, aber mängisch bumsed mer au zäme und es isch voll super und entspannt!" Da gab es eigentlich nur so: "Ja, mir sind jetzt zäme, er isch min Fründ, ich bin ja sooooooo verliebt, er isch ja sooooooo härzig, alli Wuchenend verbringed mer immer zäme und under dä Wuche gsehmer eus a vier Öbige, es git überhaupt gar niemert suscht uf dä ganze Wält, wo besser wär als er, und ich bin au sini absolut Traumfrau, wänn er mich würd betrüge, wär für mich sofort verbii!"

Tja, aber irgendwann kam Tinder und dann merkten wir alle bald, dass es auf der Welt sehr wohl auch noch andere gibt als nur die Personen an unserer Seite. Warum sich festlegen, wenn die Auswahl doch fast unendlich ist und ich mit ein paar Klicks ein Date für den Abend ausmachen kann? Jeden Abend?

Nun, wenn ich ehrlich bin, gerade, was die Monogamie betrifft, habe ich auch so meine Zweifel. Ich denke, das ist einfach gegen die Natur, die hat uns nicht so gebaut, dass wir nur genau EINE Person auf der Welt interessant und sexuell attraktiv finden. Es mag Leute geben, die ihre Triebe ein Leben lang unterdrücken oder eben nur auf einen Partner konzentrieren können. Aber ich glaube nicht, dass das viele so komplett mühelos schaffen. Die supermonogame Beziehung ist ein künstliches, aufgezwungenes Konstrukt. "Ich gelobe, dir treu zu sein, bis dass der Tod uns scheidet" - mal ehrlich: Wer kann sowas schon mit gutem Gewissen versprechen? Wer weiss schon, was die Zukunft bringt? Und vor allem: Ist dieses Versprechen denn überhaupt nötig? Ist sexuelle Treue wirklich das, was eine gute Beziehung ausmacht?
Für mich sind das eher die Ehrlichkeit und Verlässlichkeit. Es ist mir lieber, man gesteht dem Partner etwas ein, anstatt dass man es heimlich macht oder mühevoll unterdrückt und dann todunglücklich ist.  Wir sind alle nur Menschen mit Trieben. Das Geheimnis einer guten Beziehung ist vielleicht, einen gemeinsamen Weg zu finden, um mit den Trieben umzugehen, ohne den anderen zu verletzen. Und die Basis der Beziehung sollte eh nicht der Sex sein, sondern der Wille, füreinander da zu sein, egal, wie scheisse das Leben gerade ist. 

Jetzt sind die vier 20-jährigen beim Asiaten ja quasi mit Tinder und Co. aufgewachsen. Sie haben also wahrscheinlich einen anderen Bezug zu Sex und Beziehung als meine Generation in ihrem Alter.    Für sie ist es selbstverständlich, mit Menschen auf der ganzen Welt in Kontakt zu treten, sofort und ganz easy, über Facebook oder Snapchat. Und wenn die Person nicht mehr passt, entfriended man sie einfach oder swiped nach links. Und gerade, weil man diese Möglichkeiten hat, ist die erzwungene Monogamie völlig fehl am Platz. Drum also lieber von Anfang an eine offene Beziehung, weil man sich sonst ja eh unglücklich macht, gegenseitig. 

Ob das jetzt besser oder schlechter ist als zu meinen Zeiten, wo man sich NUR face to face kennenlernen und nicht gegenseitig löschen konnte, und deshalb auch auf absolute Treue bestand, will ich hier gar nicht beurteilen. 
Aber ich finde es heute komplizierter, das ganze Dating- und Beziehungszeugs. Die schier unendliche Auswahl überfordert und die schwindende Verbindlichkeit frustriert. Ich meine nicht die sexuelle Verbindlichkeit, sondern überhaupt die Bereitschaft, mit jemandem gemeinsam durchs Leben zu gehen. Das kann man nämlich auch, wenn man mal mit anderen Sex hat. 

Aber die jungen Leute von heute haben da glaub's ganz andere Probleme:

Frau 2: "Mini Muetter wett en immer kännelerne! Aber ich mein, sorry, ich cha doch dä nöd heibringe, er isch nöd min Fründ!"
Mann 2: "Dini Eltere wännd eifach wüsse, mit wem du immer abhängsch!"
Frau 1: "Ja, aber sie cha ja würklich nöd säge, hey, das isch dä Fabian, mir händ en offeni Beziehig!"

Denn wahrscheinlich sind Frau 2s Eltern noch älter als ich. 



Dienstag, 1. Mai 2018

86 Futterneid

Neulich war ich mit einer Freundin im Restaurant. Mach ich eigentlich total gerne, auswärts essen. Wenn mich dabei nicht immer die selbe, grässlich Angst plagen würde. Nämlich die, dass mein Gegenüber diese eine teuflische Frage stellt:

"Nimmsch du das und ich das, und dänn chömmer teile?"

AAAAAAAAHHHHHHHHHHHHH!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Ich hasse das!!
Ich kann diese Phobie und Abneigung nicht erklären, aber es ist einfach eine Tatsache, dass ich beim Essen nicht gerne teile. Du kannst alles haben: Mein Velo, meine Kleider, meinen Badge im Büro, meinen Staubsager - aber nicht meinen Food! Mich macht das einfach wahnsinnig nervös. Wahrscheinlich meldet sich bei mir bei dieser Frage jeweils sofort dieser Ur-Überlebensdrang, der in uns allen schlummert, und mein Hirn gibt mir das Signal: Du könntest verhungern, wenn dir die anderen etwas wegfressen, nur der Stärkste überlebt, es hat hier keine Platz für Nächstenliebe! 

Das mit dieser Teilerei ist ja eh so eine Sache. Ich meine, kriegt man da sicher immer haargenau gleich viel Essen wie der andere? 
I doubt it.
Vor allem nicht beim System: "Aso, mir essed doch eifach mal d Hälfti und dänn tuusched mer dä Täller, oder?" - ähääää! Ganz sicher frisst du nur die Hälfte!! Logisch kommt da noch ein Schnäfel mehr Pizza weg oder drei Spaghetti zu viel! DAS GEHT NICHT!! Körper schreit: ALAAAARRRMMMM!!!!
Futterneid sagt man dem, oder? Muss genetisch sein, damit kommt man zur Welt. Also, bei mir jedenfalls ist das so, scheint sogar ein seeeeehhr ausgesprägtes Allel zu sein (ich bin sehr stolz, dass mir dieser Begriff aus dem Biologieunterricht im Gymi im Gedächtnis geblieben ist - und ja, tatsächlich, ich habe eine Matura, da staunt ihr, was?).


Noch viel beschissener allerdings finde ich, wenn man mir im Restaurant eröffnet: "Also, ich mag im Fall eh nöd e ganzi Portion, bstelled mer eifach einen Teller für eus beidi?"
Ähm, nein? Weil ICH mag eine ganze Portion, ehrlich gesagt, mögte ich deine gleich noch mit!
Wenig essen - sorry, aber so etwas gibt es nicht in meiner Welt. Wie gesagt, es könnten ja mal ganz harte Zeiten kommen, wir könnten eingeschneit werden, die Russen könnten vor der Grenze stehen, Trump uns mit immensen Zöllen belegen - und was mach ich dann ohne Fettreserven? Will ich als erste sterben? NEIN! 

Und NEIN, ich geb dir auch nicht von meinem Food zu probieren! 
"Dörf i en Biss?" - oh Gott, da wird mir jeweils ganz anders! Der Biss ist eh immer der eines Pottwals! Und eine fremde Zunge an meinem Glacé finde ich auch nicht so prickelnd.

Ja, so bin ich dann. 
Sälber ässe macht feiss. 

Aber zurück zum Restaurantbesuch, mit dem dieser Text hier eigentlich begann.
Meine Freundin wollte zum Glück nicht teilen und mochte auch eine ganze Portion alleine essen.
Nur einmal fragte sie so nebenbei: "Isch diis guet?"
Und da wurde ich für einen kurzen Moment nervös.

Sonntag, 15. April 2018

85 Weiblich, ledig, "jung" sucht...

Es gibt zwei sehr, sehr beschissene Sachen im Leben, bei denen aber so ziemlich alle mal durchmüssen:

Job suchen und Wohnung suchen. 

Bei mir steht gerade letzteres an.
Nicht, weil ich unbedingt müsste. Der Vermieter hat mich nicht vor die Tür gesetzt und ich werde auch nicht gentrifiziert oder so. 
Aber irgendwann weiss man einfach, dass es Zeit ist weiterzuziehen. Hat vielleicht auch mit dem runden Geburtstag zu tun, der sich mit grossen Schritten nähert im Sommer. Und jetzt muss eine neue Wohnung her, ganz einfach. Nicht unbedingt seniorentauglich und rollstuhlgängig, aber sicher grösser, schöner, grüner.
Basta.




Jetzt durchforste ich also wieder tagtäglich alle einschlägigen Portale mit Wohnungsinseraten - heisst, ich muss eigentlich rund um die Uhr im Netz sein, denn sonst verpasse ich eine Gelegenheit, und die Gelegenheiten in dieser Stadt sind furchtbar schnell weg! Oh mann, das ist purer Stress, es gibt wirklich geilere Hobbys, echt. Eine Wohnung suchen in Zürich, wenn man nicht über das Budget eines Novartis-CEOs verfügt, aber trotzdem nicht wie eine Kellerassel hausen will - gaaaaaanz schlecht für die Laune!
Und jetzt, lange nach meiner Studenten- und Ausprobierzeit hab ich doch tatsächlich auch noch ein paar Ansprüche, die die Sache noch schwieriger machen: Mindestens 3 Zimmer (der Held muss schliesslich auch reinpassen - siehe Blogpost Nummer 59. Und meine Schuhe). So ein Terrässchen wär schön. Ein Gärtchen. Mindestens ein sehr grosser Balkon. Zentral, logo. Okeeeee, bitz ausserhalb geht auch. Natur drum herum ist ja auch schön. Aber nicht in Seebach oder Schwamendingen. Witikon steht auch nicht zuoberst auf meiner Liste. Leimbach ok, wenn nicht grad in der hintersten Ecke. Oerlikon - jo, vielleicht im neuen Teil? Glaskeramik und Geschirrspüler, bitte. Parkett auch. 

Jedenfalls ist es jetzt nicht so, dass ich mich vor Besichtigungsterminen kaum retten könnte oder so. Ehrlich gesagt, greif ich nach dem Lesen eines Inserats selten zum Hörer. 
Oftmals sind nur schon die Titel verdächtig:

"Charmant" ist immer gefährlich - was so umschrieben werden muss, um an den Mann oder die Frau gebracht zu werden, hat irgendeinen Haken, der schöngeredet wird. Charmant kann nämlich alles sein. Der Schimmel an der Wand, zum Beispiel. Der Herd aus dem Zweiten Weltkrieg. Der grässliche, verschlierggte Laminatboden, der aussieht, wie aus einer Turnhalle.

"Interessant geschnitten" finde ich auch immer sehr schön. Heisst, die Zimmer sind 4m2 gross. Und die Badewanne in der Küche. 

"Wohnen im historischen Blablabla für 1000 CHF pro Monat" ist so ein anderer Fall. Dahinter steckt keine besonders menschenfreundliche Genossenschaft. Es bedeutet schlicht, dass man das neue Zuhause wohl höchstens ein halbes Jahr geniessen kann, weil es dann abgerissen wird. Oder gentrifiziert. 

"Keine Haustiere erlaubt" ist mir per se schon unsympathisch, ob ich jetzt ein Viech habe oder nicht. Ich weiss nicht, aber das impliziert so: Hey, in dieser Wohnung wird im Fall nichts, aber auch gar nichts dreckig gemacht, und wenn es irgendwo an irgendeiner Wand mal irgendeinen Kratzer geben sollte in 10 Jahren, dann fliegst du!

"Herzig" = winzig klein.

"Zentral" = am Arsch der Welt.

"Provisionsfrei" = "ist eh nichts wert".

Keine Fotos = Vergiss es!!

Und dann findest du vielleicht tatsächlich mal eine Perle unter den Säuen und rufst sofort an - aber der Vermieter geht gar nicht mehr ans Telefon, weil nämlich schon 345930 vor dir die selbe Idee hatten.
Oder du stehst am Besichtigungstermin mit 939402 anderen in der Schlange und versuchst, dich beim Vermieter einzuschleimen ("Mega schöne Wohnung, wow, genau das hab ich gesucht!! Noch nie so was Tolles gesehen! Und dann noch um die Ecke von meinem Arbeitgeber, wie praktisch! Ich hab nämlich einen gaaaaanz wichtigen Beruf, jaja, unentbehrlich und wahnsinnig gut bezahlt! Perfekter Leumund, und uhuere nett und sauber und mucksmäuschenstill bin ich auch, rufen Sie mal meinen Chef an, der bestätigt ihnen das!"). 

Und am Schluss kriegt sie dann doch ein anderer. 

Also, meine lieben Zürcher Leserinnen und Leser: Ich bin offen für jegliche Tipps. 
Sonst zieh ich nämlich einfach aufs Land. Und dann müsste ich diesen Blog hier umbenennen.
Das wollen wir nicht, oder?

Danke!

Donnerstag, 22. März 2018

84 "Weisch..."

Oh mein Gott, oh mein Gott, so viel Stress, ich komme ja gar nicht mehr zum Schreiben!
Neulich hat sich tatsächlich ein Leser bei mir beschwert über meine laaaaaaannnngggeeen Pausen zwischen den Blogbeiträgen. Ich möchte mich hier bei allen entschuldigen, die auch so empfinden.
Und bei denjenigen, die froh waren, halte ich so lange die Klappe, möchte ich mich ebenfalls entschuldigen: Denn hier bin ich wieder, ÄTSCH!!! :-)

Aber hey, mich gibt's seit Kurzem übrigens auch auf Twitter (@fraubitterboes, natürlich)! Dort gibt's auch ab und zu mal was von mir, also followed mir doch. Plus kann man mir dort Anregungen schreiben, Grüsse und Beschwerden. Also, kann man natürlich auch hier. Und auf Facebook (Frau Bitterbös, natürlich). Don't be shy!

So, jetzt aber zurück zum wirklich Wichtigen des Lebens.

Neulich sass ich mal wieder im Zug, und mein Blick fiel auf meine Handtasche, wo immer noch ein "Nein zu No Billag"-Pin prangte. Ich dachte, Abstimmung ist ja jetzt vorbei, nehm ich den mal weg, und legte ihn aufs Tischchen unter dem Fenster. Eine Station weiter setzt sich mir ein Mann gegenüber, so in meinem Alter. Wollmütze auf dem Kopf, Jeans, Pulli, Bart. Tsüri, halt. Ich nehme höflich den Pin von der Mitte des Tisches, weil er ja vielleicht dort sein Getränk absetzten möchte oder so. Folgenden Dialog möchte ich euch nicht vorenthalten:


Mann: "Isch das diine?"
Frau Bitterbös: "Ja."
M: "Wie chasch du nur für d Billag sii??"
B: "Wie chasch du nur degäge sii??"
M: "Naja, all die Lokalsänder da, die lueg ich eh nie. Weisch, das wäred eh die einzige gsi, wo weggfalle wäred."
B: "Nei, das wäred die einzige gsi, wo no bliebe wäred, will die sich ja über Werbig finanziered, hauptsächlich. Weggfalle wär d SRG."
M: "Ha! Das isch doch alles nur Angschtmacherei!! Im ene Land wie dä Schwiiz schafft doch niemert dä einzig öffentlich-rächtlich Sänder ab! 'Echo der Zeit' find i im Fall super!"
B: "Naja, aber du wettsch ja offebar nöd defür zahle. Ohni Geld keis 'Echo der Zeit'."
M: "Aber für das brucht's doch kei Billag! D Schwiiz hät doch gnueg Geld! Weisch, mer müessti das nur umlagere, und dänn chönnti mer au d SRG finanziere!"
B: "Ja, aber über das hämmer ja nöd abgstumme. Mir händ drüber abgstumme, öb mer wännd Rundfunkgebühre zahle oder nöd. Also. Ohni Gebühre kei SRG."
M: "Weisch, ich säg der, wänn nur alli Politiker i dem Land anstatt 8000.- pro Monet nume 6000.- würed isacke, dänn hetted mer au Geld für Radio und Fernseh!"
B (staunt über die Zahlen. Alle Politiker des Landes erhalten 8000.- pro Monat? Ist das im Politiker-GAV so festgelegt?)
M: "Und nomal öppis: Wänn jede Verwaltigsratpräsident zerscht sälber müesst 100'000 Stutz ischüüsse, bevor er dä Job überchunnt, dänn gächt er au aständiger mit em Konzern um! Dänn müessted mir mit eusne Stüüre kei Banke rette!"
B: "Villicht."
M: "Das gaht doch au nöd, dass mer däne Wichser dänn au no Millione-Boni in Arsch schopped!!"
B (nickt)
M: "Weisch, ich find sowieso, mir sötted alli eusi Kontene schlüüsse und euses Geld abzieh! Eso chönnted mer d Banke zwinge, eus wieder aständigi Zinse z zahle! Als Chind han ich no 3 Prozent Zins übercho, stell der vor! Und d Banke mached sit do im Fall nöd weniger Gwünn!"
B: "Hmmm..." (und denkt: Ahaaaa, wir driften vom Billag-Thema ab....) 
M: "Weisch, ich han scho in Dütschland und Frankriich gschaffed, und überall händ mir d Lüüt gseit wenn sie hetted chöne über d EU abstimme, dänn wäred sie sicher nie biträtte! Die sind niidisch uf eus Schwiizer, dass mir da so vill chönd mitrede!"
B:  "Das isch ja au s Guete a eusem System - mir chönd aktiv mitbestimme."
M: "Ebe. Wie du gsehsch, ich mach mir scho Gedanke. I mim Kollegechreis chömed die im Fall guet aa."
B: "Aber denn setz dini Idee doch um und mach e Volksinitiative oder so. Profitier vo eusem System!"
M: "Jaaa... asoo... pfff... weisch, dasch ja huere ufwändig. Wivill Underschrifte? 100'000?"
B: "Genau."
M: "Weiss nöd. Für die meischte vo mine Idee chämt i eh is Gfängnis!"
B (steht auf): "Also, du, ich mues jetzt usstiege. Wünsch der en schönen Abig!"
M: "Tschau, gäll, mach's guet!"

Und die Moral von der Geschicht'?
Alle wissen wir, was besser wäre fürs Land. Aber aktiv was ändern, tun wir dann doch nicht. Oder nur die wenigsten von uns. Weil, uns geht's ja ganz gut hier in Züri, so oder so. Nicht?



Donnerstag, 1. März 2018

83 Im Schussfeld

Letzte Woche wurde ich Zeugin eines Mordes.

Jupp, das können wohl nicht so viele Menschen von sich behaupten (zum Glück!). Aber tatsächlich habe ich das Beziehungsdelikt an der Europaallee aus nächster Nähe miterlebt. 

Der Zufall wollte es eben, dass ich mit einer Freundin auf dem Weg zum HB war. Wir schlenderten gemütlich schwatzend der neuen Zürcher Einkaufsmeile entlang, als wir es knallen hörten. Mehrmals.
Nun, niemand wurde unruhig oder so. Denn seien wir ehrlich: In Zürich knallt es ja oft mal. Irgendwer hat offenbar immer irgendwo irgendwelche Böller zur Hand und Freude daran, damit den Mitmenschen auf den Geist zu gehen. Aber da es dieses Mal ziemlich oft knallte, dachte ich noch: «Ok, du Arschloch, s isch Friitigmittag, hellliechte Tag zmittst i de Stadt – GIB’S DOCH ENDLICH UF!!»

Zirka 50 Meter vor uns stürmen dann plötzlich zwei Personen aufs Trottoir, es knallt weiter, und es sieht so aus, als würden sie sich verfolgen. Die eine verliere ich bald aus den Augen, die andere bleibt mitten auf dem Weg stehen, und da sehe ich, dass sie eine Waffe in der Hand hält.

Für den Bruchteil einer Sekunde schiesst es mir durch den Kopf, ok, wenn das jetzt so ein Typ ist wie der in Florida, dann sind wir jetzt ganz schön fucked.
Aber hey, wir sind in Zürich, und der Gedanke verfliegt sofort wieder. Ich gehe unbehelligt weiter, auf den Bewaffneten zu, kein bisschen nervös. Das ist einfach wieder irgend so ein durchgeknallter Idiot, der besoffen oder verdrögelet irgendwelche Spielchen spielt, denke ich. Wahrscheinlich findet er es aus irgendeinem unerfindlichen Grund geil, mit einer Fasnachtspistole seinen genau so verdrögeleten Kumpel zu verfolgen. Alles schon erlebt. Langstrasse, Baby!

Irgendwie hält er die Waffe aber seltsam.

Knall!

Er fällt zu Boden. Bleibt liegen. 

Voll theatralisch, so schlecht gespielt, echt!
Steh wieder auf Kumpel, es ist arschkalt auf dem Asphalt!
Steh auf!
Wann kommt die Kamera?
Ich und meine Freundin stehen eine gefühlte Ewigkeit einfach nur da und schauen. Nichts passiert. Totenstille. Von einer Panik, die ausgebrochen sein soll, wie verschiedene Blätter später schreiben, ist keine Rede. Es ist ja auch kaum jemand auf der Strasse. Es ist Mittag und Winter, die Leute sitzen im Warmen, am Essen.
Meine Freundin: «Du wottsch mer jetzt aber nöd öppe säge, das sind richtigi Schüss gsi?»
Ich: «Äch, nei, eh nöd… nä-ä… dä staht gad uuf, wirsch gseh. Irgend en Film oder so!»

Dann gehen aber links und rechts die Türen auf, Menschen kommen aus den Gebäuden und schauen auch ungläubig hin. Einer hat noch seinen Coiffeur-Umhang an.
Wir gehen noch näher.
Komm, steh jetzt auf!

Aber ok, so wie der daliegt, so ohne jegliche Körperspannung, das sieht wirklich auffällig… tot aus, irgendwie.
Jetzt geht ein Passant ganz nah hin und beugt sich über den Körper. Scheisse, Moment, es sind ja zwei Körper! Die andere Person liegt auch, sehe ich plötzlich. Und sie ist ebenfalls völlig bewegungslos.

Nur wenige Sekunden sind vergangen, meine Freundin zieht entschieden ihr Handy aus der Tasche.
«Ich lüüt jetzt dä Polizei aa!»
Aber die weiss schon Bescheid, und das Sirenengeheul hüllt uns ein. Schwer bewaffnete Frauen und Männer in Uniform rennen plötzlich herum, die Strasse ist verstellt mit Polizeiautos und Krankenwagen, der Raum wird mit weissorangem Band abgesperrt und wir weggeschickt. 


Tja, das also meine Wahrnehmung von meinem ersten echten Live-Mord. 

Ich dachte, das war ein Amoklauf oder Banküberfall, schliesslich geschah es ja direkt vor der UBS. Dass hier aber ein Familienvater seine Noch-Ehefrau und dann sich selber gerichtet hatte, erfuhr ich erst später aus den Medien. 
Und ich muss immer denken: Nur 30 Sekunden später, und ich und meine Freundin wären genau im Schussfeld gestanden. Es hätte sich nur eine Kugel verirren müssen… Ja, das hat uns an diesem Freitag ehrlich gesagt am meisten beschäftigt: Leck, wir leben noch! Was ein Glück wir doch hatten!

Aber jetzt, nur eine Woche später, finde ich es irgendwie gar nicht mehr so schlimm, dass ich tatsächlich mitangesehen habe, wie zwei Menschen durch Gewalt gestorben sind. Wahrscheinlich ist das ein Schutzmechanismus des Gehirns. Und vielleicht kuck ich auch einfach zu viel «Walking Dead» und «Game of Thrones». Abgestumpft.

Was mich aber beschäftigt, sind die zwei kleinen Mädchen, die das tote Ehepaar hinterlässt. Denn die stehen richtig im Schussfeld. Mit was haben die das verdient, ohne Eltern aufwachsen zu müssen? Und später jedem erklären zu müssen, ja, der Papi hat das Mami umgebracht und dann sich selber?

Ich wünsche den beiden nur das Allerbeste und ganz viel Liebe und Glück im Leben.

Donnerstag, 8. Februar 2018

82 Heimweh-Blasenschwäche

Ich erzähle euch heute mal etwas sehr Intimes von mir. Es geht ums Pipi machen.

Mir ist aufgefallen, dass ich immer dann GANZ DRINGEND aufs WC muss, wenn ich auf dem Heimweg bin und schon fast vor meiner Haustür stehe. Ich weiss nicht, wie das ein Psychologe jetzt erklären würde, aber offenbar hat meine Blase jeweils das Gefühl, sie könne sich jetzt wieder  entspannen wie bei einem Baby, denn es geht ja nach Hause, da sind wir doch ganz unter uns, da muss sie sich ja nicht mehr zurückhalten und den gesellschaftlichen Anforderungen anpassen, also am besten schon mal schön laufen lassen... jedenfalls mache ich mir immer fast in die Hosen, sobald ich meine Wohnung betrete. Tasche in die Ecke geschmissen, in Stiefeln, Mütze, Schal und Wintermantel in Richtung WC gerannt - erinnert mich jeweils so an Hollywood-Komödien à la Adam Sandler oder "Dumb and dumber".
Und dabei kommt es auch nicht drauf an, wieviel ich vorher getrunken habe, ob ich 5 Minuten oder 5 Stunden vorher pinkeln war, ob ich zu Fuss unterwegs bin, im Bus oder auf dem Velo, nö: Das Haus nähert sich, meine Blase meldet sich, ein ungeschriebenes Naturgesetz. Keine Ahnung, woher dieses Organ jeweils diese Unmengen von Flüssigkeit nimmt.
Ich bin auch ziemlich sicher, dass, wenn ich aus dem Haus gehen und dann sofort auf dem Absatz kehrt machen und die Türe wieder aufschliessen würde - ich müsste PIPI! DRINGEND!!!
Also, ich hab's noch nie ausprobiert, aber das werd ich jetzt mal.
So aus Neugierde.


Geht das nur mir so?
Was hat's mit dieser Heimweh-Blasenschwäche auf sich?

Das kann jedenfalls keine beginnende Alters-Inkontinenz sein, denn sonst müsste es mir ja den ganzen Tag so gehen, aber eben, es passiert nur immer auf dem Heimweg. Ansonsten kann ich das Pipi also super halten.

Fast zu gut. 

Ich gebe zu, ich überschätze mich da jeweils ein wenig. "Jojo, druckt scho chli, aber das gaht jetzt loooooocckkkeeeerrr no es Stündli!" - ähä.
Ich erinnere mich an die Umkleidekabine in Barcelona, wo ich doch tatsächlich mal in meine mitgebrachte Einkaufstüte machen musste, weil ich sonst beim Kleider Probieren einfach geplatzt wäre (hat man mir als Kind immer gesagt: "Wänn'd z lang verhebsch, dänn platzt der im Fall d Blase!!" - medizinisch fundiert oder pädagogische Brecheisen-Methode?). Kein WC der Welt wäre da noch nah genug gewesen, da hatte ich mein Glück wirklich total überstrapaziert.
Allein in einem Ruderbötchen auf einem Nebenarm des Amazonas musste ich mal in eine Flasche pieseln (das mit dem Treffen ist übrigens so eine Sache, wenn man kein Mann ist!) - ich wäre sicher nicht freiwillig ins Wasser gesprungen, um das Geschäft zu verrichten! Ich hab gesehen, was sich da so für Viecher tummeln! Ausserdem hätte ich es nie mehr allein in diese Nussschale zurück geschafft, das hätte zu einer kleineren Ausgabe des Costa Concordias-Unglücks geführt.
Kino ohne Pause - logo, muss ich aufs WC! Geh ich aber nicht, weil ich keine Sekunde des Films verpassen will. Den Ausgang der Geschichte lass ich hier offen...
Massage in Thailand - kaum lieg ich in Unterhosen auf dem Schragen, merk ich, dass ich muss. Weil es mir aber peinlich ist zu sagen "Excuse me, I have to get dressed again, I have to go to the bathroom, I was too lazy before!" halt ich einfach eine Stunde lang völlig verkrampft durch und kann mich KEIN BISSCHEN entspannen! 
Sitzung im Büro? Mein nervöses auf dem Stuhl Hin- und Hergewackel hat tatsächlich nichts mit Langeweile zu tun.

Trotzdem. Das alles kommt zum Glück ziemlich selten vor. Aber die volle Blase auf dem Heimweg leider täglich. 
Ich bin gespannt auf eure psychologischen, pathologischen oder astronomischen Deutungsversuche. Und auf eure eigenen Erfahrungen.

Schreib ich hier übrigens tatsächlich über meine Pipi-Gewohnheiten?

Gott, diese Welt ist nicht mehr zu retten!

Dienstag, 16. Januar 2018

81 Vegane Pornos

Ich verrate euch heute einen Fetisch von mir:

Ich kucke auf Youtube immer so Veganer-Vlogs. 
Aber PSSSSSSTTT!!!!

Ja, ich finde die tatsächlich besser als jeden Porno. Was gibt es Ästhetischeres und Sinnlicheres als schöne Menschen und leckeres, perfekt angerichtetes Essen? Ich sag euch: Niemand vereint diese beiden sexy Elemente so gekonnt wie die veganen Vlogerinnen. 

Ja, denn es sind tatsächlich fast immer Frauen, die ihr fleischloses Leben mit der Kamera festhalten: Sie sind allesamt jung, wahnsinnig gut aussehend und mit perfekten Körpern. Sie haben wahnsinnig gut aussehende Männer mit perfekten Körpern und eine Horde sehr süsser, unglaublich intelligenter Kinder.
Sie leben meist an exotischen, fancy Orten wie Hawaii, Australien oder Neuseeland oder jetten auf der Welt umher. Dabei passen ihre Besitztümer in einen einzigen Rucksack, denn so gut wie sie aussehen und so cool ihr Leben ist, da brauchen sie nicht auch noch materielle Dinge, um glücklich zu sein. Die Frauen tragen meistens auch kein Makeup, benützen kein Deo, oft nicht mal einen BH, nein, alles ist ganz Natur. Eben genau so wie ihr Essen. "Plant based". Auf den Tisch kommen keinerlei tierische Produkte. Aber ihre Mahlzeiten sind aufwendiger als jeder Sauerbraten. 
Und oft flüssig.
Was da eins Bananen, Mangos, Papayas, Datteln, Beeren, Spinat, Avocados, Chiasamen, Spirulina und "Barley Grass Powder" (keine Ahnung, was das ist, aber offenbar ein unentbehrlicher Superfood) zu cremigen Smoothies zusammengemixt wird! Das grüne oder violette Zeugs sieht jeweils so appetitlich aus, dass mir förmlich der Speichel tropft! Ich kapiere nicht, wie die das Gesöff jeweils so foodporn-like hinbekommen - ich hab mir letzthin auch eine Papaya in den Mixer geschmissen, es sah hinterher aus wie Kotze und schmeckte auch so. 


Serviert wird das ganze auch in allen Vlogs immer genau gleich: In übergrossen Marmeladegläsern mit einem Loch im Deckel, durch das man einen Strohhalm aus Metall steckt - natürlich wiederverwertbar, denn in einem anständigen Veganer-Haushalt auf Hawaii macht man natürlich keinen Abfall!
Zum Znacht gibt es dann Wraps aus Salatblättern, gefüllt mit viel Gemüse, Tempeh und Avocado, gewürzt mit "Cashew Butter" (wo um Himmels Willen kriegt man denn sowas?) und "Nutritional Yeast" (so eine Art gesundes Aromat). Oder Porridge mit Hafermilch, aufgepeppt mit 17 verschiedenen Früchten, Samen und zerdrückter Avocado. Oder auch Tofuburger im Sauerteigbrot mit selbst gemachten "Sweet Potato Fries" auf Avocadodip. Oder "Kale" (Wirsing?) in allen Variationen, als Salat, Chips, Saft. Und mit Avocado. Und zum Dessert Bananen-"Nicecream" mit Kokosflocken, Kakaostückchen und Hanfsamen. Auch dazu passt immer Avocado. 
Und alles immer in rauhen Mengen! Offenbar muss man ganze Berge essen, wenn man sich vegan ernährt, sonst fällt man vom Fleisch. Hauptsache zucker-, salz- und ölfrei, unverarbeitet und Bio, und alles hübsch drapiert wie auf einem Foto bei Betty Bossy. Zu Trinken gibt es selbst gemachtes Kombucha. Der Pilz, den sie zum Fermentieren züchten, sieht aus wie eine menschliche Plazenta und löst bei mir jeweils Würgereflexe aus, aber hey!, er ist gesund!

Jedenfalls krieg ich immer Hunger und Durst allein schon vom Zuschauen. Und ich staune immer, mit wieviel Liebe diese Vegi-Vloggerinnen mit den Lebensmitteln umgehen, wieviel Zeit und Energie sie nur schon in ein einziges Glas Saft stecken!

Gut, man muss dazu vielleicht sagen: Sie haben auch die Zeit dazu. Vegan-Vlog-Familien sind offenbar sehr traditionell: Der Mann arbeitet, die Frauen gebären zu Hause ihre Kinder gänzlich ohne Drogen, machen Yoga, bepflanzen den Garten, pflegen den Kombucha-Pilz - und filmen eben. Und am Wochenende (das sehr oft zu sein scheint auf Hawaii oder Neuseeland) stürzen sich alle auf dem Surfbrett in das türkisblaue Meer, wandern durch den malerischen Regenwald oder fliegen nach Bali. 

Ein perfekt durchdachter Lifestyle, in dem niemand auch nur eine Sekunde ein schlechtes Gewissen haben muss und alle immer strahlen wie Beznau 1 und 2.

Seit ich diese Vlogs kucke, trinke ich ständig Kombucha (vom Migros, nicht selbst gezüchtet!) und esse Avocados. 
Ich denke daran, meinen ganzen Besitz zu verkaufen, die BHs wegzuwerfen und mit einem Rucksack nach Hawaii zu ziehen, wo ich wunderschön, unendlich glücklich und gesund werde und Teil dieser veganen Pornos. 

Aber dann erinnere ich mich daran, wie ungern ich Gemüse schnipple und koche. 
Und vor dem Laptop ist es eben doch bequemer.