Dienstag, 14. Dezember 2021

145 Willkommen im Bünzlitum

Ihr wisst, wenn es länger ruhig ist um mich, dann hatte ich etwas Wichtiges zu tun.

 

War auch diesmal der Fall: Ich bin umgezogen. Bin immer noch in Tsüri, keine Angst. Einmal Tussi, immer Tussi. Vom Kreis 11 in den Kreis 10 – grosse Steigerung! 

Und wie das so ist mit dem Umziehen: Es reisst einem den letzten Nerv aus. Und das letzte Nötchen aus dem Portemonnaie. Vor allem, wenn man/frau so wie ich zu faul ist, die Möbel selber zu schleppen und den Lieferwagen selber zu fahren.

Aber da fing es schon an: Die Zügelmänner kamen schön mal eine Stunde zu spät («Äh, sorry, ich han verschlafe!»). Trotzdem mussten sie nach jedem bisschen Schleppen eine Rauchpause und einmal sogar eine Snack-Pause im Denner machen. Fand ich arschig, sagte aber nichts, denn ich war froh, musste ich sie nur rumdirigieren, aber sonst keinen Finger rühren. Natürlich hatten sie auch die grosse Leiter nicht dabei, um die ich sie im Vorfeld AUS.DRÜCK.LICH gebeten hatte, denn meine Lampen hängen fucking hoch!

 

Preis-Leistung: Geht so, würd ich mal sagen. 

 

Deutsch für Expats

Und dasselbe gilt übrigens für die Ex-Vermietung des Latinos, der zeitgleich mit mir zügelte. Aus der Liste der möglichen Nachmietenden, die er ihr brav geliefert hatte, wählte sie ausgerechnet DEN Typen aus, der kurz nach Erhalt des Mietvertrags spurlos untertauchte. Klaro, die Vermietung kann dafür nichts. Aber sie wartete zehn geschlagene Tage und auf einen sehr empörten Anruf von mir, bis sie reagierte und einsah, dass der Mietvertrag wohl nie wieder zurückkommen würde. Hätte ich nicht angerufen, wären sie heute noch am Warten – und der Latino am doppelt Miete bezahlen.



Warum ICH SEINE Vermietung anrufe, werdet ihr euch fragen. Ich mich auch. Das ist tatsächlich kein Hobby von mir, mich in die Angelegenheiten anderer Leute einzumischen. Allerdings musste ich feststellen, dass der Latino auf seine zahlreichen englischen Mails keine oder nur computerisierte Antworten auf Deutsch zurückerhielt, seine ebenso zahlreichen Anrufe auf Englisch wurden jedes Mal abgewiesen und er vertröstet. Da dämmerte es mir und ich versuchte mein Glück: Siehe da, ich wurde gleich beim ersten Versuch an die zuständige Person verwiesen. Und auf meinen Hinweis hin stellte diese auch tatsächlich fest: Der potenzielle Nachmieter hat seine Frist lange versäumt, ja, vielleicht müsste man/frau mal die nächsten Interessenten auf der Liste kontaktieren. Und so kam der Stein endlich ins Rollen, und der Latino konnte eine Stange Geld sparen. Die Entschuldigung übrigens: «Mir händ d Wiisig, dass mir in Züri nur uf Dütsch dörfed kommuniziere». Kleine Anmerkung: Es ist eine sehr grosse Schweizer Vermietung mit seeeehr vielen Expats unter Vertrag. Finde ich etwas seltsam, diese Weisung, tut mir sehr leid. Und sie ist auch kein Grund, einer nicht-deutschsprechenden Person die Auskunft einfach gänzlich zu verweigern, was hier ja ganz klar der Fall war. 

 

Falls das hier jemand vom Kassensturz liest, wäre das vielleicht noch ein Thema so…?  

 

Ich und der Dyson = Love

Aber genug gemotzt. Die Episode mit den neuen Möbeln, die natürlich auch nicht vollständig geliefert wurden (Nachttischlämpli ohne Nachttisch sind übrigens eher nicht so nützlich), erspare ich euch.

 

Gott, ich bin schon ein richtiger Bünzli! 

Als nächstes rege ich mich wahrscheinlich darüber auf, wenn die Nachbarn den Karton für die Abfuhr schon einen Tag vorher rausstellen. Oder die Waschmaschine nach Gebrauch nicht säubern. 

 

Ah scheisse, das bin ich ja alles selber. Aber zum Glück habe ich meine eigene Waschmaschine. Und sind die Kartons nicht mit Namen angeschrieben.

 

Hey, ich habe übrigens einen neuen Staubsauger, einen von Dyson! Sieht aus wie eine sehr ausgeklügelte Laserwaffe von Aliens, inklusive grünes Licht! Und wie gut der in der Hand liegt! Und kabellos! Seither sauge ich jeden Tag, ein Genuss!

 

Yep, absolut im Bünzlitum angekommen.

 

Vielleicht jetzt einfach mal nur so richtig schön entspannen vor dem neuen Cheminée.

Nö, geht natürlich auch nicht so richtig. Schon in der ersten Woche stieg der Kühlschrank in der neuen Wohnung aus. Und nicht alle Heizungen liessen sich regulieren: Je nach Raum hatten wir Dauersauna oder Sibirien live. 

 

Und wisst ihr, was das Beste am Ganzen ist?

Ich hab Ferien. Bis Ende Jahr. Genau dann, wenn das scheiss Coronavirus wieder so richtig in Fahrt kommt, logo! 

Jetzt sitz ich hier quasi in der neuen Wohnung fest. Was nicht so schlimm wäre, wenn ich wüsste, was mit mir anfangen – ausser Handwerker organisiere, natürlich. Aber sonst hab ich eben schon alles fertig eingerichtet, ganz Tik Tok durchgekuckt, mit allen Freunden Kafi getrunken und im Internet Schuhe bestellt. Auf alles andere hab ich gerade keinen Bock.

 

Zurück zum Glück 

Der Latino geht langsam drauf mit mir. Auch dieses Luxus-Problem kann er gar nicht nachvollziehen. Ich könne doch irgendeinen Kurs machen oder spazieren gehen oder so (ja-haa, ER findet dieses Wetter super, ICH aber zum Kotzen).

 

Womit wir wieder beim letzten Post wären und der Frage nach dem Glück. 

Danke übrigens für eure Zuschriften diesbezüglich. Es tut gut zu sehen, dass auch viele von euch da draussen mit dem Glück hadern: Objektiv gesehen haben wir alles, was wir brauchen und noch viel mehr. Und trotzdem streben wir nach NOCH mehr. Wenn das niemandem schade, sei es doch auch nicht undankbar, hat jemand von euch argumentiert. Das stimmt, es ist höchstens sehr anstrengend für einen selber – manchmal auch für das Umfeld.

Noch jemand schrieb mir, dass Glück kein fixer Zustand sei, sondern etwas Bewegliches, dass sich tagtäglich verändere. Heute fänden wir vielleicht das Leben super wie es ist, am nächsten Tag aber schon nicht mehr so. Jupp, das kenne ich auch von mir.

 

Ziehen wir also ein Fazit: DAS Glück gibt es nicht. Es ist so individuell wie der Mensch selber. 

 

Für mich ist es grad der Dyson. 

 

Und noch glücklicher wäre ich, wenn ich verhindern könnte, dass Godzilla ständig auf die Nachbarbalkone seckelt und dort rumschnüffelt. Ich seh es schon kommen: Steht irgendwann mal eine Tür dort offen, spaziert sie einfach rein, schlägt die Haustiere der Nachbarn ab und zerkratzt deren Sofas. Hallo, sie heisst nicht umsonst «Godzilla»!!

Bünzliger Nachbarschaftskrieg vorprogrammiert. 

 

Habt ihr hier vielleicht Lösungsvorschläge, die nicht «Netz» heissen? 


Freitag, 5. November 2021

144 Fingt ds Glück eim?

Neulich hatten der Latino und ich einen Streit.

 

Nein nein, freut euch nicht zu früh, es kommt jetzt keine ultradramatische Breakup-Story, so mit Geschirrwerfen, Türenknallen und Ehering an den Kopf Schmeissen und so (wir sind übrigens auch gar nicht verheiratet). Und ehrlich gesagt, war es auch kein richtiger Streit, mehr so eine sehr emotionale Debatte.

 

Squid Game ist schuld!

Und zwar ging es um das Thema Glücklichsein. Übrigens angeregt durch die Serie „Squid Game“ auf Netflix, die wir uns angeschaut haben. Achtung, Spoiler Alert: Wer sie noch nicht gesehen hat, sollte den nächsten Satz jetzt unbedingt überspringen!!!

Am Ende erklärt ja der alte Mann, warum es diese perversen Spiele überhaupt gibt – weil Stinkreiche extreeeeem gelangweilt waren. Geld macht also offenbar nicht glücklich. Kann ich voll nachvollziehen. Der Latino nicht, denn wer so viel Geld habe, könne doch machen, was er/sie wolle, das sei doch super. Mit Geld könne man/frau ja auch anderen Menschen helfen, alle Möglichkeiten stünden einem offen. 

Ich sagte ihm, dass sich Superreiche sicher trotzdem innerlich leer fühlen könnten. Die Erfüllung lasse sich ja auch nicht einfach so kaufen. Viele wissen ja nicht mal, was sie erfüllen könnte. 

 

Wir diskutierten so eine Weile, und irgendwann kam die Frage, ob wir selber denn glücklich seien? 

 

Er ist es.

Ich bin es… manchmal? Nicht immer. Also, so grundsätzlich schon. Meistens. Es geht mir doch gut, ja. Aber es gibt Dinge in meinem Leben, die mich schon ab und zu belasten. Trotzdem lauf ich ja nicht den ganzen Tag gebückt und mit runterhängenden Mundwinkeln durch die Gegend. Selten. Und überhaupt: Was bedeutet das schon, „glücklich“….? Mir macht das Wort fast ein bisschen Angst, es klingt so makellos. Und was ist denn schon makellos in dieser Welt??


Unglück als Wohlstandsmerkmal

Der Latino versteht das nicht. Er findet, in so einem toll funktionierenden Land wie der Schweiz mit meinen Voraussetzungen hätte ich doch gar keinen Grund, unglücklich zu sein. Wo er eigentlich auch wieder recht hat. Aber tatsächlich, auch wenn der Mensch im privilegierten Teil der Welt geboren wurde, findet er doch immer wieder Sachen, die ihm nicht so gefallen. Oder eben keine Sachen, die ihm gefallen. Und das drückt dann aufs Gemüt. 

 

Der Latino findet: Glücklichsein ist eine Entscheidung. Natürlich sei nie alles komplett picobello im Leben, aber man/frau könne sich doch einfach sagen: Trotz allem bin ich glücklich. Denn alles andere mache ja keinen Sinn. 

 

Mag sein. Nur leider schaffen das nicht alle. Ich zum Beispiel. Ich kann mir nicht einreden: So, ich bin jetzt einfach glücklich, während um mich herum gerade Soddom und Gomorrha herrscht. Vielleicht ist das Soddom und Gomorrha auch nur in meinem Kopf. Oder in der Tagesschau. Aber das macht es nicht besser. Für mich, jedenfalls. 

 

Der Latino findet das undankbar. Und auch ein bisschen typisch für Leute, die aus reichen Industrieländern stammen.


Züri West wissen auch nicht alles

Da hat er vielleicht auch recht. Trotzdem kann ich meine Gefühle nicht einfach so abstellen. In mir gibt es so eine Art Grundmelancholie, auch wenn mir wirklich bewusst ist, was ich alles Gutes in meinem Leben habe: Meine Gesundheit, mehr als genug Essen, Geld zum Raushauen, tolle Leute um mich herum, neue Stiefel, Godzilla – und natürlich den Latino. Ich bin wirklich sehr, sehr dankbar für all das – und mit über 40 Jahren meine ich das auch wirklich genau so, wie ich es sage, denn ich habe genug Beschissenes erlebt, um das Geile wirklich schätzen zu lernen. 

Und ich bin glücklich mit all dem Guten in meinem Leben – und unglücklich mit all dem Schlechten. 

 

Mit dem vermeintlich Schlechten, sagt der Latino.

 

„Irgendeinisch fingt ds Glück eim“ – mir kommt dieser Song von Züri West in den Sinn. Klingt nach einer Regel für alle. Da glaube ich aber nicht daran. Das Glück findet sicher nicht jede, jeden und jedes auf dieser Welt. Das Glück findet dich, wenn du Glück hast. 

 

(Das hab ich jetzt aber wirklich schön gesagt, nicht? )





Ich brauche euren Rat

Aber muss man/frau denn überhaupt glücklich sein? Nichts bedroht mein Leben, ich bin frei, also bin ich gefälligst glücklich? 

Wir sagen das ja immer so leicht: „Oh, du hast einen neuen Job! Bist du glücklich?“ oder „Wow, du hast Ferien, du Glücklicher!“ 

Aber sind wir deswegen wirklich gleich glücklich? Ich meine, so richtig MAKELLOS GLÜCHLICH? Reicht nicht auch zufrieden?

 

Oder bin ich einfach wirklich ein undankbares Arschloch?

 

Also, nicht, dass der Latino so etwas gesagt hätte, ich frage mich das jetzt einfach selber. Ich frage das euch. 

 

Danke schon mal im Voraus für eure Antworten. Keine falsche Scheu, ihr dürft wirklich ehrlich sein. Ich bin nicht empfindlich.

 

Nur nicht glücklich, HAHA!!!!!!!

 

Donnerstag, 7. Oktober 2021

143 Wählst du CMA oder CMH?

Heello-ooooo, I˙m ba-aaaaacckkk!!

Ich habe eine ein bisschen verspätete Sommerpause gemacht. Ich war über der Grenze in der Sonne und am Meer, und es war sehr, sehr schön! Super Wetter, super Gesellschaft, super Erlebnisse, viel zu viel Essen und gar nicht sooooo viel Maske. Ein Jahr war es her, seit ich das letzte Mal eine solche Reise gemacht habe, deshalb habe ich es umso mehr genossen.

Aber alles hat ja mal ein Ende. Und so kam ich wieder nach Hause – direkt in einen Krieg.

Mein Umfeld scheint sich amerikanisiert zu haben. Plötzlich gibt es hier nur noch zwei Parteien, so wie die RepublikanerInnen und DemokratInnen in den USA, aber nichts mehr wirklich dazwischen. Und alle mussten sich entscheiden: Entweder traten sie der CMA (Covid-Massnahmen-Akzeptierer) oder der CMH (Covid-Massnahmen-Hasser) bei. Und wie das so ist auf dem politischen Parkett: Die Parteien mögen sich gar nicht riechen.

Die CMA-Mitglieder lassen sich impfen. Viele von ihnen finden die Corona-Impfung sogar eine richtig gute Erfindung und sind erleichtert, war sie schon nach einem Jahr Pandemie ready. Genau so viele aber sind skeptisch, ob das wirklich gesund ist und tatsächlich die gewünschte Wirkung bringt. Aber sie machen es trotzdem, weil sie so frei wie möglich leben und die anderen Menschen so wenig wie möglich gefährden wollen - hoffentlich. Auch sonst halten sie sich mehr oder weniger an die Schutzmassnahmen, Maske, Desinfizieren, Abstand halten und so. Einige finden das zwar doof, aber naja, muss halt sein.

Impfen schadet der Seele
Die CMH-Mitglieder lassen sich nicht impfen. Viele von ihnen, weil sie überzeugt sind, dass der Impfstoff der Gesundheit schadet oder gar die Seele abspaltet – nein, das ist jetzt keine Erfindung von mir, das hat mir ein CMH-Parteimitglied so bestätigt. Vielen anderen CMH-lerInnen geht es aber vielmehr darum, dass sie die 3G-Pflicht richtig scheisse finden. Nur mit Zertifikat kann an einer Hochzeit gefeiert, in einem Hörsaal studiert oder im Kino der letzte James Bond mit Daniel Craig (ich liebe ihn, übrigens!!) bewundert werden. Und ohne Impfung braucht es für so ein Zertifikat entweder eine überstandene Infektion oder einen Test, bezahlt aus der eigenen Tasche. So werde man ja quasi zur Impfung gezwungen, ist das Argument. Und wieder andere CMH-Mitglieder denken einfach: Ich brauche diese Impfung doch nicht, ich bin ja nie krank.

Die beiden Parteien bekämpfen sich vorzugsweise im Internet. Hier ein subtiles Banner über dem Profilbild, dort ein ellenlanger Text darüber, warum die Geimpften oder die Ungeimpften blöd seien. Ab und zu zieht die CMH auch durch die Strasse, mit Postern und Megaphonen. Die CMA macht das nicht, weil sie ja quasi der Regierung folgt. Was wiederum die CMH auf die Palme bringt. Und und und. 

Das ist nicht mein Krieg!
In irgendeiner der beiden Parteien sind wir alle. Aber nicht alle haben wir Lust, in diesem Krieg mitzumachen.

Ich zum Beispiel.

Leute auf Facebook, Instagram und Co. Kann ich ignorieren, auch wenn es mir manchmal schwer fällt. Wie schon oft in diesem Blog erklärt: Es geht mir auf den Sack, wenn jemand das Gefühl hat, er müsse das www ungefragt mit seiner Meinung beglücken – egal, ob ich diese Meinung selber saudoof finde oder selber auch vertrete. Aber ich könnte diese Person ja einfach stummschalten oder entfernen, wenn ich es gar nicht mehr aushalten würde.

Viel schwieriger wird die Situation aber, wenn plötzlich irgendwo an einem Dinner, an einer Hochzeit oder in der Mittagspause jemand die Gretchen-Frage stellt:

„Wählst du eigentlich CMA oder CMH?“ oder anders formuliert: „Bist du eigentlich geimpft?“

Weil dann kann ich nicht einfach die App schliessen, sondern ich muss zumindest eine Antwort geben. Und welche das auch immer sein wird: Es wird zu Diskussionen führen. Und auf genau diese Diskussionen habe ich keine Lust mehr!
Wenn ich wirklich wissen will, ob diese Impfung schadet, dann spreche ich mit Infektiologen darüber, aber nicht mit irgendjemandem aus meiner Social Media-Bubble!

Ohne Opfer geht's wohl nicht
Mein Gott, können wir nicht auch mal wieder über die neuste Netflix-Serie, schöne Klamotten, Blumen, Sex oder Katzen sprechen?? Wo sind die guten alten Zeiten in??

Ja, ich habe mich in Blog 138 ja schon geoutet: Ich bin geimpft. Aber das heisst nicht, dass ich diese Impfung allen anderen predigen oder überhaupt irgendwie darüber fachsimpeln will. Skepsis vor der Impfung und Ärger über die 3G-Regel haben sicher auch seine Berechtigung, wir sind ja schliesslich eine Demokratie. Aber auch mit diesen Meinungen möchte ich nicht dauernd belästigt werden.

Ob jemand geimpft ist oder nicht ist mir ungefähr genau so egal wie Geschlecht, Hautfarbe und Beruf – am Ende interessiert mich nur der Mensch.

Gut, eine Ausnahme gibt es: Das mit der Seelenabspaltung kann ich leider wirklich gar nicht akzeptieren, wie ich es auch drehe und wende – sorry!

Aber im Prinzip wollen wir ja alle am Ende dasselbe: Das sich unsere Leben wieder normalisieren, dass dieses Virus endlich unter Kontrolle ist!

Ich denke, das geht nicht, wenn wir nicht alle Opfer dafür bringen – und es müssen nicht mal dieselben sein, aber wir alle sollten dafür schauen, dass Covid so wenig Schaden wie möglich anrichten kann. Und bald nicht mehr unser Leben dominiert. Dafür haben weder CMA noch CMH zur Zeit ein Parteiprogramm, dass vollständig überzeugt. But guess what: Mit Entrüstungsstürmen auf Facebook wird sowas noch viel weniger erreicht!

 Amen.

 

Durchatmen und Themawechsel: Godzilla geht es übrigens immer noch top! J Die WC-Papier-Phase ist endlich überwunden und nahtlos in die Wasserphase übergegangen. Will heissen: Sobald sich jemand der Dusche nähert, springt das schwarze Ungeheuer in die Badewanne und wartet, bis das Wasser läuft. Das ist ihr noch zu nass, aber nach dem Duschen in der Pfütze liegen und diese aufschlecken, macht auch viel Spass. Und: Godzilla apportiert ihre Lieblings-Plüschmaus. Hat sie sich selber beigebracht, ist eben ein kluges Kätzchen!

Wollt ihr noch ihre aktualisierte Spitznamen-Liste hören?

Asshole. Black evil. Stuhlpisserin. Measillas. Gatita. Bugcatcher. Kratzbürste. Stinky (obwohl sie überhaupt nicht stinkt). Motorcito. Purr machine. Queen. Lady. Puke eater. Seelenabspaltern.

Ok, das letzte war gelogen J

 

Donnerstag, 26. August 2021

142 Das Scheissegale

Ich weiss genau, was ihr euch fragt. Deshalb gleich am Anfang: Ja, Godzilla geht es super! Das kleine schwarze Arschloch, wie sie von uns liebevoll genannt wird, hat sich gut bei uns eingelebt. Ihr WC-Papier-Fetisch ist geblieben, deshalb hat sie Badezimmer-Verbot. Und auch, weil sie es auch sonst so mit WC-Zeugs hat und dauernd die Klo-Schüssel inspizieren muss. Tja, und neulich ist sie halt mal reingefallen, in Panik rausgestürmt und durch die gesamte Wohnung gesaust, das blaue Wasser schön überall rumspritzend.
Kein Wunder, komme ich jeden Morgen später zur Arbeit.

Aber Godzilla ist es mir wert. Sie bringt mich jeden Tag zum Lachen – und um den Verstand, wenn sie ihre Katzenstreu zum tausendsten Mal über den Gang verteilt. Oder zum zweitausendsten Mal an mir hochklettert, während ich mein Lieblingskleid trage. Oder gar nichts trage. Ich sehe nackt entsprechend aus. Bald muss ich wieder mal zur Gynäkologin, und die wird mich totsicher fragen, ob mich mein Mann eigentlich schlägt. Oder meine Frau, könnte ja sein.

Naja, solange die kleine Bitch (ich meine die Katze, nicht die Gynäkologin) schnurrt, ist alles in Butter.

Die Tierärztin fand es übrigens saulustig, dass ich sie Godzilla getauft habe (also, die Katze, nicht die Ärztin!). Weil, sie ist so klein und fein, und ihre Stimme klingt wie die eines Vogels, das passt nicht so ganz zu einem turmhohen Monster, dass Städte plattwalzt und Menschen frisst. Aber genau das würde auch Katzen-Godzilla machen, wäre sie nur ein bisschen grösser, da bin ich sicher! Ich habe ihren Namen gut gewählt – das denke ich jedes Mal, wenn sie wieder wie vom Teufel besessen grund- und ziellos durch die Wohnung fetzt und alles angreift, was ihr in den Weg kommt.

Social correctness my ass!
So, fertig Cat Content!
Heute wollte ich eigentlich über das Alter schreiben, oder besser gesagt: Über etwas, dass das Alter so mit sich bringt. Jedenfalls bei mir:

Das Scheissegale.

Oder ist das bei euch anders? Ich jedenfalls stelle wirklich fest, dass, je mehr Kerzen ich jedes Jahr auf meinem Kuchen ausblase, desto weniger habe ich das Gefühl, ich müsste irgendjemandem gefallen auf dieser Welt. Es ist mir einfach scheissegal, ob ich mich jetzt gesellschaftlich korrekt benehme oder nicht. Social correctness my ass! Gut, ausser bei den Menschen, die mir wirklich sehr nahe stehen und denen ich vertraue. Bei denen ist es mir wichtig, was sie von mir denken und für die mache ich auch Sachen, die mir eigentlich gegen den Strich gehen. Zum Beispiel mit ihnen einen Film schauen gehen, den ich doof finde. Mitten in der Nacht das Telefon abnehmen, wenn sie anrufen. Mit ihnen Essen teilen  (das ist sonst ein ganz schwieriges Thema für mich, remember Post 86?).
Aber bei allen anderen?

Nein, muss ich nicht!
Muss es mich da als Ü40-Frau wirklich kratzen, wenn ich keinen Bock habe, mit jemandem Kaffee trinken zu gehen, der/die nach x Jahren des Abtauchens plötzlich wieder auf der Matte steht? Muss ich wirklich jemandem zum Geburtstag gratulieren, nur weil Facebook mir anzeigt, dass dieser Geburtstag heute ist, ich aber ansonsten mit dieser Person gar nichts (mehr) zu tun habe in der realen Welt? Muss ich mit jemandem Kontakt pflegen, weil er/sie blutsverwandt mit mir ist, ich ihn/sie aber menschlich unterirdisch finde? Muss ich mir nach doch schon einigen Jährchen in der Berufswelt immer noch von Aussenstehenden erklären lassen, wie ich meine Arbeit zu machen habe? Und: Muss ich jemanden überhaupt grüssen auf der Strasse, nur weil mir diese Person gerade entgegenkommt, ich aber wirklich null Bock habe auf sie?

Nein, muss ich nicht!

Weil, wenn ich das alles machen und annehmen und abnicken würde, dann wäre es einfach unehrlich. Klaro, hab ich oft gemacht im Leben, und ihr wahrscheinlich auch. Weil wir uns nicht anders getraut haben, weil wir uns schlecht fühlten, wenn wir uns nicht mit Verwandten trafen oder zum Geburi gratulieren oder Grüezi sagen, nur, weil wir keine Lust dazu haben. Aber mit dem Älterwerden kommt die Reife – und damit eben das Scheissegale.

Das schlechte Gewissen geht auch noch weg
Ich denke, mit einer gewissen Lebenserfahrung sollte man/frau wohl endlich mal ehrlich und ganz sich selber sein dürfen, da muss der Mensch doch nicht mehr versuchen, irgendwelche Pseudo-Gesellschafts-Gesetze einzuhalten, einfach nur um Karma-Punkte zu sammeln oder so. Und das gilt für beide Seiten. Bringt dir ja auch nichts, wenn ich dich grüsse auf der Strasse, obwohl ich dir eigentlich lieber eine reinhauen würde, oder?

Drum: NÖ, ich komme nicht mit dir Kafi trinken, und dein neuer Job auf LinkedIn interessiert mich ungefähr so viel wie der nächste Strickkurs in Peking.

Das Blöde daran: Das Scheissegale ist mit einem sehr schlechten Gewissen verbunden. Ich mache zwar nichts mehr, nur um höflich zu sein und nicht anzuecken, aber ich schäme mich dafür. Und halte mich für einen ganz schlechten Menschen, der jetzt ganz sicher von irgendeiner Gottheit ganz böse bestraft wird, weil ihr der Geburtstag einer gewissen Person sowas von am Arsch vorbei geht.

Aber das kriege ich auch noch weg. Schliesslich werde ich ja auch noch älter.

Montag, 26. Juli 2021

141 Über Kotzen und Katzen

Es war länger ruhig um mich, ich weiss. Tut mir leid! Aber erstens hatte ich ein Kotzvirus aufgelesen (sorry, aber es gibt wirklich keinen passenderen Ausdruck dafür!), zweitens schreibt sich meine Projektarbeit für meinen CAS weiterhin nicht von selbst und drittens haben wir eine neue Mitbewohnerin, die sich erst bei uns einleben musste. Sie ist schwarz und noch sehr jung. Wir müssen sie einsperren, weil sie noch nicht rausdarf.

Klingt nach schlechtem Horrorfilm, ich weiss. Aber keine Angst: Die Mitbewohnerin ist eine Katze!

Monster sind geschlechtslos
Wer mich schon etwas länger verfolgt, weiss, dass ich ganz grosser Katzenfan bin. Seit es Katzenvideos gibt, ist mein Leben um einiges schöner geworden. Und ein realer Kater hat mich damals beim Erwachsenwerden begleitet. Seither wusste ich: Eines Tages möchte ich wieder so ein Viech haben.

Und nun war es endlich so weit: Der Latino und ich holten das Büsi im Wallis ab. Es war Liebe auf den ersten Blick – jedenfalls von meiner Seite, als ich in dieses kleine, schwarze Gesichtchen mit den gelben Äuglein schaute. Das Büsi hingegen hasste uns erstmal ganz fest, weil es in seiner Transportbox auf dem Rücksitz mehr als drei Stunden ausharren musste. Es wurde richtig sauer und versuchte, die Transportbox zu zerstören – deshalb war auch bald klar, dass es Godzilla heissen würde. Und auch, weil wir eigentlich bis heute nicht ganz sicher sind, was für ein Geschlecht die Busle genau hat und deshalb ein genderneutraler Name hermusste (obwohl Godzilla weiblich ist, wenn ich mich richtig an den Film zurückerinnere – aber Monster sind für mich irgendwie geschlechtslos). Katzen sehen zwischen den Beinen alle recht ähnlich aus, vor allem, wenn sie noch sehr klein sind. Und Godzilla mag es auch gar nicht, wenn man/frau ihr da so hinstarrt. Aber mittlerweile bin ich fast sicher, dass sie ein Mädchen ist. Der Tierarzt wird es dann hoffentlich noch bestätigen, sonst wäre es ein bisschen peinlich.

Und ja Godzilla ist ihr offizieller Name. Inoffiziell heisst sie Godzillita, Vampirita, Motorcito, Stinky butt, Girlie Girl, Crazy Bitch, Büso, Büüs, Monster, Fiera, Fierita, Biest, Fledermaus, Kitty Cat und Chatzi.

Tschüss, Vorhänge!
Seit Godzilla bei uns ist, ist es vorbei mit dem ruhigen Leben. Sogar chillen auf dem Sofa geht nicht mehr so einfach, weil das kleine Monster mindestens 17mal über uns drüber rennt, an unseren Beinen rauf- und runterklettert (wir sehen beide aus, als wären wir im Krieg gewesen), die Kordeln an unseren Kleidern attackiert, unsere Haare, Hände und Füsse und halt einfach keine fünf Minuten stillsitzen kann, ausser wenn es schläft – und das kommt doch ziemlich oft vor.

Die WC-Rolle im Bad wurde auch schon mehrmals abgerollt und das Papier quer in der Wohnung verteilt. Den Vorhängen haben wir schon lange tschüss gesagt, zum Glück waren sie von IKEA und haben nur ungefähr 5 Franken gekostet. Auch die Topfpflanzen müssen leiden, schliesslich eignen sie sich super zum Klettern und Ausreissen. Das Sofa hält erstaunlich viel aus, muss ich sagen, obwohl es Godzillas liebste Spielwiese ist. Das superweiche Schlafkissen, das ich sorgfältig im Qualipet ausgesucht habe, wird von ihr allerdings hartnäckig ignoriert – geschlafen wird vorzugsweise auf der Mausmatte vor dem Computer oder im harten TV-Gestell. Oder natürlich auf unseren Beinen, was dazu führt, dass wir jetzt beide ziemlich lang unser Pipi anhalten können, schliesslich wollen wir das herzige Geschöpf ja nicht wecken. Überhaupt verzeiht man diesem kleinen Gesichtchen erstaunlich viel – ich weiss nicht, ob der Latino so nett zu mir wäre, wenn ich seine Playstation umkicken würde, aber naja.

Zum Glück helfen alle mit
Langsames Aufstehen am Morgen, für einen Morgenmuffel wie mich eigentlich Pflicht, ist auch nicht mehr möglich. Kaum öffne ich die Schlafzimmertür, miaut und rennt es mir schon entgegen. Dann muss ich erst eine Runde flattieren und spielen, dann Fressen geben, und dann ist das Monster voll neuer Energie und es geht erst richtig los! Ausserdem hat Godzilla eine beneidenswerte Verdauung, ist aber jedes Mal total erstaunt, dass ich ihren so sorgfältig verscharrten Gaggi immer ohne Probleme aufspüre und abtransportiere. 

Mit einer Babykatze zu Hause ist man/frau dann auch bei seinen Freundinnen und Freunden plötzlich noch beliebter als vorher. Alle wollen sie streicheln kommen! Und alle sind plötzlich Katzenexperten und -expertinnen. Ich möchte hier allen noch einmal ausdrücklich danken, die mir, nachdem ich ein erstes Foto von Godzilla geschickt hatte, in dreiminüten Audionachrichten erklärten, dass ich aber gar kein Leben für ein Haustier führe und mir das doch noch einmal überlegen solle. Eine Katze würde übrigens auch so 15 Jahre alt, ob mir das denn bewusst sei?

Da bin ich aber froh, habe ich das noch früh genug erfahren, puuuuuhhh! Und ich wollte Godzilla doch nach 3 Monaten zurückbringen! Ausserdem dachte ich, die würde bald selber für sich kochen lernen.

Normal in Katzenverhältnissen
Natürlich aber war ich tatsächlich etwas nervös, als ich das erste Mal nach so langer Zeit wieder Verantwortung für ein Lebewesen übernahm. Ich meine, bei mir stirbt ja schon jeder Kaktus! Und jetzt krieg ich schon die halbe Krise, wenn das Viech mal einen Tag ein Bölleli Trockenfutter weniger frisst: „Oh Gott, ich mache etwas falsch!! Sie ist krank! Sie fühlt sich unwohl bei uns!!“

Naja, wahrscheinlich muss ich noch in meine neue Rolle als Katzenbesitzerin reinwachsen. Und ich sage bewusst nicht Cat Mom, wie sich all die Katzenbesitzer auf den social media nennen. Ich bin ja nicht Godzillas Mutter. Und sie nicht mein Kind. Sie ist meine Mitbewohnerin und benimmt sich auch so: Zahlt keine Miete, macht überall Puff und räumt nicht auf.

Jedenfalls gedeiht Godzilla bis jetzt prächtig und dunkt mich normal. Wenn es denn normal ist, WC-Papier zu fressen und ohne Grund 50 Mal quer durchs Wohnzimmer zu sprinten. Normal in Katzenverhältnissen, würde ich sagen. Und ja, ich hoffe sogar, sie wird 50, stellt euch vor, liebe selbsternannte ExpertInnen! Und ich bin happy, habe ich jetzt meine Katzenvideos in echt. Beziehungsweise kann ich jetzt selber welche erstellen. Godzilla hat nämlich ein eigenes Instagram-Profil, godzillacatfluencer. Sie freut sich über Follower!

Mittwoch, 30. Juni 2021

140 Ahnig vo dä Botanik

Wisst ihr, woran ich merke, dass ich wirklich langsam alt bin?

Ich meine, ausser, dass ich immer mehr Falten kriege, meine Toleranz für Idioten immer kleiner wird und ich froh bin, wenn ich früh ins Bett kann?

Ich habe Freude an Pflanzen.

Ich meine, nicht an Pflanzen, die ich mir für mein Heim kaufe und in einen Topf stelle. Die mochte ich schon länger. Wenn auch mit mässigem Erfolg (siehe Post 49).  Ich meine, die Blumen, Sträucher und Bäume, die so draussen rumstehen.

Bei Oma war’s noch doof
Ich kann also so eine Strasse entlanggehen und tatsächlich links und rechts kucken und denken: „Woooowww, dieses intensive Pink bei diesen Blüten, das ist ja wunderschön!“ Oder „Diese saftigen Blätter überall! Mutter Natur hat das schon voll im Griff!“ Oder: „Keiner giesst diese Sträucher, aber die sehen immer so supergesund aus, woher kriegen die eigentlich das viele Wasser, wenn meine Pfefferminze auf dem Balkon bei drei Tropfen zu wenig schon stirbt?“ Oder: „Bis vor ein paar Wochen war diese Hecke noch komplett kahl – jetzt ist alles voller Blumen! Wie ist sowas nur möglich? Wie haben die diesen Schnee überlebt?“
Und dann mache ich dauernd Fotos und poste sie auf meinen social media, so wie andere ihre Selfies und ihre Regenbogenfahnen.

Das ist wirklich etwas Neues in meinem Leben. Eigentlich nehme ich das erst dieses Jahr so richtig wahr, dass ich jetzt tatsächlich eine Art tree hugger geworden bin. 

Ich erinnere mich an meine Oma. Wenn sie mit mir als Kind irgendwo entlangspazierte, machte sich mich dauernd auf irgendwelche schönen Blumen und Baumkronen aufmerksam, und ich so:
Who. The. Fuck. Cares??? Natur, das ist was für alte Leute, sollen die mich damit verschonen!
Ich nahm alles Lebende um mich herum gar nicht wahr, höchstens gleichaltrige Menschen. Und vielleicht Hündchen und Kätzchen.

Mit den Tulpen stirbt auch der Appetit
Und heute? Bin ich genau so. Neulich hat mich eine ältere Frau an einer Bushaltestelle auf die blühende Blumenpracht in einem Beet am Strassenrand aufmerksam gemacht: „Wahnsinnig toll, wie das alles wieder spriesst nach em Winter, findet Sie nöd?“ Und ja, ich fand es auch, und es war mir tatsächlich auch aufgefallen.

Das Hauptthema beim Zmorge oder Znacht sind denn auch die Tulpen vor dem Küchenfenster. Ich habe sie dokumentiert: Kaum waren Schnee und Eiseskälte weg, schossen sie aus dem Boden. Jeden Tag waren sie ein paar Zentimeter höher. Dann bekamen sie Blüten, die aufgingen. Wenn das Wetter schlecht war, liessen sie wortwörtlich die Köpfe hängen. Kaum liess sich die Sonne wieder blicken, standen auch sie wieder stramm und stolz wie Soldaten. 
Und dann, der Schock: Eines Tages waren die Stile mit den Blüten verschwunden. Der Gärtner hatte sie wahrscheinlich abgeschnitten. Das Essen schmeckt seither nicht mehr halb so gut, aber ich habe die grosse Hoffnung, dass der Gärtner ja wohl schon wusste, was er da tat, und die Tulpen spätestens im nächsten Frühling wieder spriessen werden.

Dann kann ich auch einfach auf der Terrasse vor der Wohnung sitzen und auf die Wiese starren. Da gibt es nämlich auch unzählige Blumen. Geht der Gärtner mit dem Rasenmäher drüber, sind sie nach drei Tagen wieder nachgewachsen – kein Witz!

Faszinierend.

Und was für Viecher diese Blüten anziehen: Bienen, Hummeln, Heuschrecken, Schmetterlinge. Ist ja interessanter als Netflix!
Und bald schon ist man/frau mitten im Schwanzvergleich, denn die Nachbarin hat gewaltige Rosenbüsche auf dem Sitzplatz, wir aber gar nichts so.
„Wie hät die das gschafft? Sölled mer da au eifach öppis setze? Dörf mer das überhaupt? Weiss das dä Huusabwart??“

„Rhodo – was?“
Allerdings hat mir mein neuer Fetisch nicht nur neue Freude ins Leben gebracht, sondern mir auch ein weiteres Defizit vor Augen gehalten: Ich hätte im Biologieunterricht in der Schule lieber mal besser aufpassen sollen. Also, Rosen, Tulpen und Pfefferminze geht grad noch, die kenn ich. Aber ansonsten sind für mich Blumen einfach weiss, blau und rosa, klein und gross. Die Bäume haben längliche oder herzförmige Blätter. Und allgemein riechen Pflanzen oder eben nicht. Sie sind essbar oder eben nicht. Mehr Ahnig vo dä Botanik hab ich nicht.

Die violetten Dinger dort neben der Mauer, ist das jetzt Lavendel? Hmm, riecht irgendwie nach nichts, kann nicht sein, oder?

Wollen wir Dings pflanzen, also, diese Dings da, die man auch zum Kochen verwenden kann. Thymian, glaub’s. Oder ist das jetzt Oregano? Hmm, kommt das überhaupt drauf an? Kochen kann ich ja sowieso nicht. 

Der Baum da hat immer so schön rote Blätter. Das ist ein Ahorn, denke ich. Weil Ahorn der einzige Baum ist, den ich kenne. Jedenfalls vom Namen her. Birke kann nicht sein, die hat doch so eine schwarzweisse Rinde, nicht? 

Rhododendron? Rho-dodendron? Rhododen-dron? Ist das ein Baum oder eine Blume? Klingt mega fancy!

Ah, schau, da liegen wieder viele Kastanien am Boden. Das sind aber Rosskastanien, die können wir  nicht essen. Wieso, weiss ich auch nicht. Wie sehen denn die Maronibäume eigentlich aus? Und wo wachsen die überhaupt? 


Huflattich. Kubaspinat. Purpur-Storchschnabel. Spitz-Ahorn. Veronica filiformis. Götterbaum. Liebesgras.
Yep, alles Pflanzen, die offenbar in Städten wachsen. Hab ich gegooglet. Botanik ist gar nicht mal so Oma-Zeugs, sondern echt noch cool. Hätte ich mich doch schon früher dafür interessiert!
Jedenfalls freu ich mich schon wieder auf den nächsten Frühling und die Tulpen vor dem Küchenfenster.

Wenn’s denn auch wirklich Tulpen sind…?