Sonntag, 25. November 2018

97 Wie teuer ist Leben?

Meine Mutter ist über 70, aber eigentlich wirkt sie wie gerade mal Mitte 50. Sie ist fit, schlank und rank, färbt sich die Haare, zieht sich gut an, nimmt aktiv am Leben teil. 
Aber sie ist krank. Sie hat Krebs, unheilbar.
Nun ist es so, dass ihr eine Immuntherapie helfen könnte. Nicht heilen, aber helfen. Allerdings: Niemand will ihr diese Therapie bezahlen. Die Versicherung fühlt sich nicht zuständig: Ob der seltene Krebs, den meine Mutter hat, auf das Medikament anspreche, sei nicht erforscht. Und da will man natürlich kein Geld verschwenden. "Ein paar hübsche Sportwagen" könnte man mit dem Wert der Therapie kaufen, sagen die Ärzte lakonisch. Und irgendwas sagt mir, dass die Versicherer auch genau das lieber tun würden, als Spitalrechnungen zu begleichen. 

Gaaaaannnzzz böse, jaja, shame on me! Aber ich frage hier einfach mal in die Runde: Wie teuer darf Überleben denn sein?
Ja, ich weiss, 100'000 Franken, hat das Bundesgericht vor einigen Jahren festgelegt. Was für ein Witz! Wer kann ein Leben denn schon mit Geld bewerten? Wenn jemand also keine 100'000 Franken hat, dann soll er halt einfach sterben oder was? Und was ist denn teurer? Muskelschwund, Krebs oder Cystische Fibrose? Oder anders gefragt, was ist schlimmer: Langsam zu ersticken oder an Organversagen zu sterben? Wer legt das fest? 


Mir ist schon klar, dass Spitzenmedizin nicht gratis ist. Die Forschung kann ohne Ressourcen nicht arbeiten, Medikamente lassen sich nicht ohne Geld herstellen, Chirurgen operieren nicht umsonst. Und ich motze auch jedes Jahr, wenn die Krankenkassenprämien wieder steigen. Aber Preise für Medizin allein dem Markt zu überlassen, finde ich völlig absurd. 
Mit der Gesundheit ist es doch wie mit dem Wasser: Wir ALLE brauchen es, um anständig zu leben. Und wir  haben ALLE das gleiche Recht darauf, ob arm, ob reich, ob grün, ob rot - also, nein, wir haben es eben nicht, aber wir sollten es haben, verdammt nochmal! Gesundheit und Wasser sind  Menschenrechte. Wir haben doch grad heute darüber abgestimmt, dass es höhere Rechte gibt als das rein Schweizerische, oder? Also, das Menschenrecht ist so eins. Das mal so als Einschub. Und mit Menschenrechten Geschäfte zu treiben, ist einfach nur arschlochig. Jemandem dreckiges Wasser vorzusetzen, weil er sich das saubere nicht leisten kann, geht einfach nicht. Es geht schon nicht, dass Wasser überhaupt was kostet. Und niemand schreibt mir vor, wann ich zu sterben habe, schon gar nicht mein Bankkonto!

Wer also legt fest, wieviel das Leben wert ist?
Offenbar die Pharmaindustrie.
Beispiel: Novartis hat vor einigen Wochen angekündigt, eine neue Gentherapie gegen eine besonders schwere Form von Muskelschwund auf den Markt zu bringen. Kostenpunkt: 4 Millionen Franken für eine einzige Infusion! 
4 MILLIONEN!!!!! 
Was ist jetzt mit den Eltern von Kindern, die mit dieser Krankheit auf die Welt kommen? Die wissen, dass ihr Sohn, ihre Tochter ohne Behandlung keine 2 Jahre alt wird? Werden ihre Namen in einen Topf geworfen und die Versicherungen ziehen dann einen glücklichen Gewinner? Weil: Allen Betroffenen können sie unmöglich eine solch teure Therapie bezahlen. 
4 Millionen. Noch ein paar Sportwagen mehr. 

Wir fassen also zusammen: Wer eine schwere, und vor allem seltene Krankheit hat, ist völlig unserem Gesundheitssystem ausgeliefert. Und dieses entscheidet, ob es in sein Leben investiert oder nicht. Wer zu teuer ist - selber berappen oder halt Pech gehabt. 

Meine Mutter und ich können uns beide keine Sportwagen leisten.


Montag, 5. November 2018

96 High end Clubbing

Nun habe ich ja bekannterweise schon ein gewisses Alter, und deshalb muss ich auch nicht mehr jeden Abend in die Zukki, ins Hive oder ins Gonzo. Nein, es wurde jetzt Zeit, mal etwas Neues auszuprobieren.

Also ging ich an einen Ball.

Und nein, es war nicht der Polyball an der ETH. Es war tatsächlich ein Ball an bester Adresse Zürichs mit Gästen, die enorm viel Geld haben. Enorm viel. 
Zu denen gehöre ich zwar nicht, aber ich hatte das Glück, dass ich keinen Eintritt bezahlen musste - denn diesen hätte ich mir schlichtweg nicht leisten können.

Anyway, natürlich durfte man mir nicht schon von Weitem ansehen, dass ich nicht zu Zürichs High Society gehöre, weshalb also ein Ballkleid hermusste.
Da ich mich sehr kurzfristig für die Teilnahme an diesem Anlass entschied, hatte ich genau noch einen Feierabend Zeit, mich einzukleiden.
Also, rein in den nächsten Laden und das Sortiment durchwühlt.
Natürlich gefiel mir das teuerste Kleid am besten, ich hatte aber das Glück, das gerade Ausverkauf war (was allerdings immer noch bedeutet, dass ich jetzt zwei Monate lang hungern muss, aber egal). Schuhe gab's drum auch nur noch von Dosenbach, 29.90.-, aber ich das ist ja eh modern, oder, dass man Haute Couture mit Billigem ab der Stange kombiniert?

Im Tram jedenfalls fiel ich schon mal auf - nicht wegen dem langen Rock, der unter meinem Daunenmantel hervorlugte, sondern weil der Rest der Partygäste dort Dirndl und Lederhosn trug und offensichtlich nicht unterwegs war an die selbe Location wie ich. Und die, die es waren, hatten einen Chauffeur und sassen bestimmt nicht im Tram.


Angekommen im Ballsaal hingegen fühlte ich mich dann wieder ganz unter meinesgleichen: Überall bodenlange Kleider mit Glitzer und Glamour (ganz bestimmt noch einiges teurer als meines) und Herren im Smoking. Einige Gesichter kannte ich aus den Boulevard-Gazetten, und mit einigen davon sass ich sogar am Tisch - und nein, mehr verrate ich nicht, auch nicht für sehr viel Geld.

Ok, doch, für sehr viel Geld liesse ich mich weichklopfen. 

Aber ich muss sagen, ich war positiv überrascht. Ich war das erste Mal an so einem richtigen High end-Anlass, und eigentlich hatte ich mir das etwas steif vorgestellt. Aber nein, es schwangen alle das Tanzbein bis tief in die Nacht, und zwar nicht zu klassischer Wagneroper oder so, sondern zu "Despacito", "Crazy in love" und "Atemlos durch die Nacht". Was in den schicken Kleidern übrigens sehr lustig aussah. 
Wir assen fünf sehr exquisite Gänge, und ich unterhielt mich mit allen sehr gut, man war nett und höflich miteinander, egal ob man jetzt CEO einer internationalen Firma oder die Kellnerin war. 
Nicht mithalten konnte ich hingegen bei den Silent Auctions, die man als Abendunterhaltung eingerichtet hatte, denn mir mal so schnell ein Heliskiing in British Columbia für 25'000.- zu gönnen, liegt bei mir momentan einfach nicht drin. Und auch die hübschen Blumengestecke auf den Tischen durfte ich leider nicht mit nach Hause nehmen, die würde man nämlich wiederverwerten, wie es hiess. Nachhaltigkeit olé, auch bei den Superreichen.

Nichtsdestotrotz amüsierte ich mich blendend und blieb, bis die Lichter ausgingen. 
Und dann musste auch ich das erste Mal in dieser Nacht tief in die Tasche greifen: Für das Uber zurück nach Hause. 

Ich muss sagen, so etwas ein-, zweimal im Jahr, da würde ich nicht Nein sagen. Und dann zwischendurch in Jeans in die Zukki.