Mittwoch, 3. Juni 2020

122 Corona macht frei

Neulich war ich in der Migros und musste niesen. Corona-konform tat ich das in den Ellbogen, und ich habe wirklich versucht, es sehr leise zu machen, damit ich kein Aufsehen errege.
 
Ist mir nicht gelungen.
 
Es war ein sehr lautes "ÄTSCHUUUUUUUUHHH!!!!!!!!!" - und für ein paar Millisekunden blieb die Welt stehen. Die Köpfe in meiner Nähe drehten sich alle zu mir. Nichts bewegte sich mehr. Totenstille. Dann ein paar kritische Blicke und alle begannen wieder zu atmen. Der Normalzustand kehrte zurück.

Aber während dieser paar Millisekunden fühlt man sich echt wie eine Aussätzige. 
 
Schnuder bedeutet heute: Klarer Tod 
Dabei schwöre ich, das war kein Corona, das war nicht mal eine Erkältung, der Nieser kam von meiner leichten Pollenallergie! Die lässt leider auch dauernd meine Nase laufen zur Zeit, und manchmal vergesse ich mich dummerweise und wische mir schnell mit dem Handrücken übers Gesicht, wenn ich grad kein Taschentuch dabei habe (was eigentlich immer der Fall ist - ich gehöre nicht zu diesen praktischen Frauen, die immer und jederzeit auf alle möglichen Fälle vorbereitet sind: Taschentücher, Tampons, Handcrème, Desinfektionsmittel, Nagellack, Haargummi, Kaugummi, Pflaster, Erfrischungsspray, Kondome: Mag man in vielen Handtaschen finden, in meiner genau nur Portemonnaie, Schlüssel und Handy. Ausserdem ist es immer ein Rucksack, keine Handtasche. Dies nur so als kleiner Einschub). 
Ein Taschentuch hervorkramen und sich schneuzen kommt aber zur Zeit eh genau so gut an wie sich mit dem Handrücken unauffällig die Nase wischen. In allen Gehirnen löst dieser Anblick sofort Alarm aus, Daniel Koch und den wöchentlichen Bundesratsauftritten sei Dank: "VIIIIIIRRREEEEENNNNNN!!!!! AAANNSSTTEECCCKKUUUUNNNNGGGG!!!!!!!!!!!!!!!!! TOOOOOOOOOOOOOOOOODDDDDDDDDDDDD!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!"
 
 
Ich bin wirklich saufroh,  tritt dieses scheiss Corona so langsam aber sicher seinen Rückzug an, jedenfalls bei uns und jedenfalls bis auf Weiteres. Ich trinke wirklich gerne wieder im Kafi Kaffee - obwohl ich mich ehrlich gesagt schon langsam daran gewöhnt hatte, dass ich jetzt zu Hause selber meine Pixie anwerfen und sogar kochen muss. Oder mir einen Kafi im Supermarkt kaufe und den dann in Gesellschaft draussen an der frischen Luft trinke und zum Znacht dann mit Gästen auf dem Balkon grilliere (Gott sei Dank kam der Lockdown nicht im Winter!!). Kann ich mit leben, eigentlich, gar nicht so schlimm. Aber die Rückkehr des Real life-Sozialen ist doch auch wieder schön. Zusammen Drinks schlürfen und die anderen Menschen beobachten (erst seit der Teilöffnung des Lockdowns wurde mir bewusst, wieviele Ferraris, Lamborghinis und Porsches es eigentlich gibt in dieser Stadt!!). 

Flugshaming gibt's nicht nach Corona!
Ich kann auch wieder freier atmen, seit ich weiss, dass die meisten Grenzen wieder offen sind. Dieses Gefühl von Eingesperrtsein, das mag ich nicht. 
Ein paar Flüge sind bereits gebucht - Flugshaming, my ass! Ich hab's wirklich versucht, aber wenn mir der Flixbus nur Routen mit 7mal Umsteigen und 26 Stunden Fahrtzeit vorschlägt, dann muss ich nach dem ganzen Corona-Stress (siehe Post 121) wirklich sagen: NOOPPPEEE!!!!! 
Corona macht frei vom schlechten Gewissen. Nein, das stimmt nicht, das Virus verdrängt es nur etwas. Später werde ich mich wieder bessern, ich schwöre! Sorry, Umwelt... aber jetzt mal ein bisschen weiter weg als auf den nächsten Hügel oder See, das muss einfach sein.
Das Meer ist ja schliesslich auch ganz angenehm "bebadbar". 

Apropos: Das mediterrane Wetter am Pfingstwochenende liess Covid-19 ja ziemlich in den Hintergrund rücken. Rund um den Zürichsee sah es schon wieder aus wie in einer Sardinenbüchse. Social Distancing? Nie gehört!
Da ertappe ich mich dann schon dabei, dass ich noch schön mit 2 Metern Abstand mein Tüechli ausbreite. Um dann zu Stosszeiten im Tram wieder an der Schulter meines Vordermannes zu kleben. 

Nein, ich hoffe wirklich, der grösste Spuk ist jetzt vorbei. Bitte keine zweite Welle! 
Und ich hoffe, das war mein letzter Corona-Post. Jetzt rücken  hoffentlich wieder andere Themen in den Vordergrund. 

Und hey, ich hab jetzt Zwischentitel, habt ihr gemerkt? Danke, andere Blogger für den Tipp! :-)
Und ja, das auf dem Bild ist ein Penis. Hat aber keine besondere Bedeutung.

Bleibt gesund!
(Auch so eine Corona-Floskel. Aber ich wünsche das wirklich allen. Immer.)

Sonntag, 10. Mai 2020

121 Corona macht tot

Wir wollen alle nicht, dass sich dieses scheiss Virus verbreitet, klar.
Allerdings frage ich mich, welches Risiko höher ist: An Corona zu sterben oder an Einsamkeit?

Ich rede nicht von mir, macht euch keine Sorgen.
Ich rede von all den alten, (chronisch) kranken Menschen, die keinen Besuch mehr erhalten dürfen. Zu Hause oder noch schlimmer, in Spitälern und Heimen. Meiner Meinung nach ist das Folter. Auch wenn ich verstehe, dass für sie eine grössere Gefahr besteht als für andere. Und sie eine potenzielle Gefahr für andere sind. 

Trotzdem ist es für mich eben auch ein Abwägen der Risiken. Und was da jetzt gerade geschieht, ist nicht menschenwürdig. Besuch dürfen solche Leute erst erhalten, wenn sie im Sterben liegen. Wie beschissen ist DAS denn?? Vorher sind sie es nicht wert genug oder was??

Und ich weiss, wovon ich spreche: Meine Mutter musste so sterben. Nur, weil eine Pflegefachperson sich nicht an die Anweisungen hielt, durfte ich in letzter Minute an ihrer Seite sein. Denn: Zu Corona-Zeiten abzuleben, ist offenbar schon nicht gern gesehen, noch weniger erwünscht ist es aber, sich zu erlauben, mitten in der Nacht zu sterben. Dann schlafen eben die Chefs und können die benötigte Erlaubnis für die Lockerung der Besuchsregeln nicht geben. Not kidding!! 
Aber eben, es gibt noch Menschen mit gesundem Verstand, zum Glück. Ein kleiner, aber nötiger Trost in diesen schwierigen Zeiten. Denn niemand, wirklich niemand, sollte diesen letzten Schritt auf diese Weise alleine gehen müssen.


Nein, meine Mutter starb nicht an Einsamkeit oder Corona. Dafür hat der Krebs schon gesorgt. Aber dass die letzten Wochen noch beschissener für sie waren als sonst schon, dafür hat das Virus gesorgt - und die Entscheidung des Bundes, Spitäler und Heime abzuschotten. Ich arbeite auch im Gesundheitsbereich und verstehe die Angst und den Wunsch, die Schwächsten schützen zu wollen. Aber vielleicht macht genau das ihnen das letzte bisschen Leben, das sie noch haben, noch mehr zur Qual. 

Ich habe auch keine Lösung für das Problem, ich bin weder Infektio- noch Virologin (im Gegensatz zu vielen aus meiner social media-Community, die plötzlich alle genau wissen, wie man sich in dieser Krise zu benehmen hat - danke, aber dass ich zu Hause bleiben soll, sagt mir schon der Bund, und nur auf den höre ich übrigens, auch wenn mir nicht alles gefällt. Und dass das Virus vielleicht nur eine Erfindung ist oder mit Yoga, Desinfektionsmittelspritzen oder Sperma geheilt werden kann, das wissen wir leider nicht so genau. Wobei doch, dass mit dem Sperma weiss ich ganz genau, sorry! So spare me, please!!)

In solchen Zeiten zu sterben ist noch beschissener als in "normalen", das hingegen ist klar. Kann man sich in grosser Runde besaufen und über alte Zeiten sinnieren? Nein! Kann man sich in den Armen liegen und heulen?? Offiziell auch nicht! Alles höchstens virtuell, wenn man sich an die Regeln hält, aber Regeln sind halt manchmal doof.

Anyway.
Ich hoffe, wir bleiben alle gesund.
Aber ich frage mich einfach, was mehr Schaden anrichtet: Die rigorosen Schutzmassnahmen oder die Einsamkeit.

Werden wir nie wissen. 

Figgsch dir, Corona!!!

Mittwoch, 15. April 2020

120 Corona macht sozial

Nun also, wie letztes Mal versprochen, mein Post zu meinen Freizeitbeschäftigungen während des Lockdowns.
(In welcher Woche sind wir eigentlich schon? Kein Zeitgefühl mehr...)

Eigentlich lassen sich diese mit einem Wort zusammenfassen: Spazieren. 
Ist ja auch das einzige, das man zur Zeit an Outdoor-Aktivitäten noch machen kann. 
Ich weiss gar nicht, wieviele Kilometer ich schon zurückgelegt habe: 
Vom Dolder über Witikon bis auf den Sonnenberg. 
Von meiner Wohnung (Oerlikon) runter an den Letten und dann den Fluss entlang bis zum Kloster Fahr und zurück.
Irgendwo bei Bremgarten die Reuss entlang.
23439mal durch den Irchelpark. 
43040mal einfach planlos durchs Quartier. Manchmal auch nachts.
Meistens spaziere ich mit Begleitung - aber höchstens zu zweit. Zu mehrt macht das aktuell gar keinen Spass, wegen der Abstandsregel. Und dann kämen auf den Feldwegen wahrscheinlich noch mehr Scheuchgeräusche wie "Scchhhht-ssccchhhhhhhtttttt!!!!" und dazu so abschätziges Händewedeln von Personen, die dir auf den Feldwegen mit Schutzmaske und Handschuhen entgegenwandern. 

Eine andere beliebte Outdoor-Aktivität von mir ist das Einkaufen geworden. Früher Alltag und langweilig, ist es heute ein Happening mit Hochspannung. 
Wie lange ist die Schlange diesmal vor dem Alnatura? In welchem Laden muss ich mir einen Plastiksack als Handschuh überstülpen und in welchem nicht? Wo stinkt das Hand-Desinfektionsmittel mehr, im Coop oder im Migros? (Antwort: Im ALDI!!!!)
Und wieviele Leute in Schutzanzügen direkt aus Tschernobyl werde ich diesmal zwischen den Regalen antreffen?



Apropos Essen kaufen: Grillieren bei Freunden war ich in dieser Zeit auch schon. Auch hier natürlich konform der Anweisungen des Bundes: Kein Händeschütteln, kein Knutschen, keine Risikogruppen, keine Erkältungssymptome, nichts. 
Einmal waren wir übrigens zu sechst - komme ich jetzt ins Gefängnis?

Überhaupt ist es interessant, wie sich die sozialen Kontakte in der Corona-Krise gestalten: Nicht alle  Freundinnen und Freunde sind noch fürs Grillieren mit "Auswärtigen" zu haben. Einige wollen mich nicht mehr physisch treffen, weil ich genau das mache und deshalb potenziell verseucht sein könnte. Andere wollen nicht mit mir spazieren gehen, aber ein Besuch bei ihnen zu Hause fänden sie voll ok - ich glaube, hier ist nicht Corona, sondern die Faulheit schuld, für die der Virus eine willkommene Ausrede ist. Wieder andere machen trotzig Ferien mit dem Wohnmobil in den Bergen. Und wieder andere schliessen sich komplett in der Wohnung ein und warten auf den Weltuntergang.
Fazit: Ich hänge ständig am Handy. Meinen Nackt-Fetisch (siehe Post 118) kann ich zur Zeit nicht mehr so gut ausleben, denn dauernd klingelt es und jemand will video-chatten - und je nach dem, wer das gerade ist und wieviele, sollte man vielleicht lieber Kleider tragen, wenn man den Anruf annimmt. 

Überhaupt habe ich seit social distancing eigentlich viel mehr Kontakt mit meinem Umfeld als früher. Ich finde das eine schöne Entwicklung, alle schauen, wie es der oder dem anderen geht und sind nicht mehr so hyperbeschäftigt, dass nicht mal mehr Zeit für ein WhatsApp bleibt, so wie in normalen Zeiten. Social distancing macht also eigentlich social, so paradox das auch klingt. 
Und ich bringe jetzt nicht auch noch den Spruch, man solle das doch bitte in physical distancing umbenennen... 

Das Feierabendbierchen (in meinem Fall ist es ein Eve, denn richtiges Bier finde ich gruusig) kann man auch sehr gut virtuell mit seinen Gspändli per Skype, Teams, Starleaf oder Zoom nehmen - also, der Alkohol ist dabei natürlich nicht virtuell, aber die Gspändli sind nur digital anwesend. Und es gibt lustige Online-Games, die man zusammen am Splitscreen spielen kann, zum Beispiel Begriffe pantomimisch darstellen ("Hund? Katze? Maus!!" - "Nei, das isch en Kameltriiber!!").

Wenn ich aber mal nicht am spazieren, skypen, facetimen oder sonstwie chatten bin, dann beschäftige ich mich intensiv mit meiner Wohnung.
Meine Balkonpflanzen erfreuen sich bester Gesundheit, weil sie nämlich alle neu und frisch gepflanzt sind - gut, mit der Bio-Diversität hält es sich ein bisschen in Grenzen, denn zur Zeit sind in den Läden ja nur noch Kräuter erhältlich, alles andere Lebendige wurde ausgeschlossen und vernichtet (die Bilder der Bagger, die in Holland die riesigen Tulpenberge beseitigen, verfolgen mich immer noch nachts!).
Durch meine Fenster sieht man neuerdings tatsächlich raus, denn ich habe die Scheiben das erste Mal seit meinem Einzug geputzt. 
Und meine Schränke sind schlanker geworden, denn ich habe die Kleider rigoros aussortiert und entsorgt. 

Bis jetzt ist es mir also eigentlich noch gar nicht so langweilig in diesem Lockdown. 
Obwohl ich die Spazierwege langsam alle gesehen habe. Und ich mich frage: Wenn das jetzt noch bis im Sommer anhält oder so - wieviele Kräutersorten gibt es eigentlich noch? 
Und wie oft  Fensterputzen ist normal, bevor ich als gipsy houswive durchgehe??