Montag, 19. Dezember 2016

62 Getrocknete Tomaten

Es weihnachtet und das Jahr neigt sich mal wieder seinem Ende zu. Es herrscht allgemein eine Zeit der Besinnung. Was war? Was wird? Wer bin ich?
Zu diesem Anlass möchte ich euch meine kleine Liste der Dinge, auf die ich 2017 eigentlich verzichten könnte, nicht vorenthalten. (Die grosse hingegen schon).

1. Krieg

2. Scheinheilige Gutmenschen, die über Krieg sprechen.
Gerade rund um Weihnachten schwärmen sie ja wieder besonders aus in die Weiten der Social Media.
„Dieses Aleppo, find ich ja schon schlimm. Wieso macht ihr da nichts? Also, ICH kann das ja nicht tolerieren, dieser Assad!! Oder war’s der IS?? Das ist eine Schande, wie soll ich das denn nur mal meinen Kindern erklären??“
Weiss nicht. Aber wie erklärst du denn deinen Kindern, warum du nur ein bisschen auf Facebook postest, aber selber nichts tust gegen die Scheisse, denn du warst doch offenbar persönlich mit dabei und hast den Menschen in der syrischen Metropole live beim Sterben zugesehen und den Schuldigen dafür gefunden.
Glaub mir, es hat uns niemand mehr lieb, auch wenn er öffentlich unser empörtes Halbwissen liked. Und wir kommen deswegen auch nicht eher in den Himmel.  Darum: entweder machen wir aktiv etwas gegen die Missstände oder halten lieber die Klappe.  

3. Unheilbare Krankheiten. Bei mir nicht und bei allen anderen auch nicht.


4. Tierquäler. Ja, Katzen in Katzenvideos sind mega herzig, aber die brauchen ausserhalb von youtube im Fall Platz, Futter, Impfungen, ein sauberes Kistli und Zeit.
Und nein, Pelze haben es nicht besser im Kleiderschrank.

5. Getrocknete Tomaten

6. Donald Trump. Wobei, nach dem ersten Schock hat sich in mir, der unerschütterlichen Optimistin ("Bitterbös"), die Hoffnung breit gemacht, die Wichtigkeit seines Amtes könnte sogar ihm imponieren, und er wird jetzt vielleicht etwas demütiger und besonnener...
Ok, nö.

7. Billettkontrollen im überfüllten ÖV: Wer kennt das nicht, Feierabend und ganz Zürich drängt sich in Tram und Bus, auch bei einer Vollbremsung könnte niemand hinfallen, denn man ist so dicht zusammengepresst wie Wienerli in einer Familienpackung, und auch ähnlich vakuumiert, weil es nicht genug Luft zum Atmen gibt – und genau in diesem Moment hörst du: „Billett vorwiese, bitte!“, und du denkst: Der passt ja eh nicht mehr rein, das macht der doch jetzt nicht -  aber moll, er macht’s, ok, ist halt sein Job, gell, aber gopferdelli nomal, die Schwarzfahrer hier drin sterben eh alle den Erstickungstod, kann die VBZ denn nicht EINMAL Gnade walten lassen und auf ein bisschen Zustupf verzichten?? Und übrigens: Mein GA ist in der Handtasche, und die ist irgendwo zwischen den Knien eines älteren Herrns und einem Kinderwagen, ich sehe sie grad nicht, und habe ich es schon erwähnt, ich kann mich EH NICHT BEWEGEN!!

8. Getrocknete Tomaten.
Ah, sorry…

9. Fünf Autos pro Haushalt. 

10. Noch einen Star Wars-Film. Die ersten sind und bleiben die Besten. HAN SOLO!

11. Im Januar schon Osterhasen im Migros. Und im September Christbaumschmuck. Himmel, man kann sich ja auf gar nichts mehr freuen heutzutage!

12. GETROCKNETE TOMATEN!

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten und ein glückliches 2017 euch allen. Oder wie ein Freund von mir zu sagen pflegt:
Nächstes Jahr einfach allgemein weniger Arschlöcher.

Mittwoch, 30. November 2016

61 Ich bin ja wirklich tolerant

2 Uhr morgens, Mittwoch.
Jetzt reicht's!
Ich bin gerade aufgewacht, unfreiwillig, ich zögere keine Sekunde und springe schlaftrunken aus dem Bett, taumle zur Haustür (der Kreislauf will noch nicht so richtig), hinaus ins Treppenhaus, einen Stock höher, die Sicht verschwommen wegen der verklebten Augen, und klingle beim Nachbarn, der direkt über mir wohnt. Hinter seiner Tür höre ich mindestens sechs verschiedene Stimmen, dazu schlechte Musik, ausserdem steigt mir Geruch von frisch gekochtem Essen in die Nase, es scheppert aus der Küche.

Er macht auf, schaut mich mit grossen Augen an, als stünde ich nackt vor ihm.
Ich hole sofort aus: "Ja, gopferdammi namal, händ Sie mal uf d Uhr glueged, mir müend da ine im Fall alli früeh uuf morn, Sie villicht nöd, aber dasch mir eigetlich egal, das gaht eifach nöd, dauernd dä Krach, ich bin ja würklich tolerant, aber sie chönd nöd jedi zweit Nacht ihri Möbel umstelle, was mached Sie da eigetli, Feng Shui oder was, und überhaupt, weiss d' Verwaltig eigetli, dass sie öppe s Zähte hööch da ine wohned, das isch ganz sicher nöd erlaubt, genau so wenig wie Staubsuuge am Sunntigmorge, das mached Sie au IMMER, und wenn ich frei han, dänn schlaf ich dänn gern mal uus, aber wänn Sie genau über mim Chopf staubsuuged, dänn tönt das so, als würded Sie das grad näb mim Bett mache, ich bin ja würklich tolerant, aber echli Respekt chönd gfelligscht au SIE zeige, sie wohned nöd elei i dem Huus, und die andere Lüüt da ine händ sich nämli au scho beschwert über Sie, mues ich jetzt würklich au no dä Verwaltig alüüte, will Sie sich nöd chönd zämenäh, und übrigens, mer chan Türe im Fall au zuetue, ohni z schletze Sau, und mer chan au in ere Luutstärchi telefoniere, ohni dass ich jedes einzelne Wort verstahne under ine, oder besser gseit, verstah würd, wänn ich ihri Sprach chönnt, und NEI, chömed Sie mir jetzt bloss nöd mit dem, ich seg en Rassischt, min Fründ isch im Fall Dütsche, ich bin UHUERE tolerant, und glaubed Sie mir, wänn ihren Bsuech dauernd bi mir lüüted, wänn Sie nöd dehei sind, demit ich en is warme Stägehuus inelahne, egal um welli Ziit, und wänn Sie dauernd irgendwelchi Drüräder und Go-Karts (wo sind eigetli die Chind? Han i no nie gseh!) eso vor dä Chällerstäge abstelled, dass mer aber au garantiert drüber gheit, dänn isch ihri Nationalität so zimlich s letschte, wo mich a däre ganze Sach interessiert, dänn find ich das eifach nur müehsam und respektlos, und ich bin ja würklich tolerant, Sie chönd au gern mal e Party schmeisse, so drümal im Jahr und am Wuchenend,  aber nöd JEDI VERDAMMTI NACHT, und ja, ich weiss, dass Sie Schicht schaffed, aber ratet Sie mal: Ich au, und ich muess trotzdem nöd am Morgen am 2 min Huushalt mache und es Menü choche und mit mim gesamte Fründeschreis telefoniere, ich bin ja würklich tolerant, aber jetzt bin i gnueg lang uf d Schnurre ghocket, jetzt langet's mer eifach, ich wott endlich mal in Rueh PEEENNNEEEEE, händ Sie das jetzt begriffe oder muen i anderi Saiten ufzieh, gopferdammi nomal???!!!"

                                    

Er schaut mich immer noch ungläubig an und sagt kein Wort, seine Augen wandern an mir auf und ab, und da fällt mir plötzlich ein: Moment mal, ich bin ja tatsächlich nackt!
Denn ich schlafe meistens nur in Unterhosen, Pyjamas mag ich nicht so, ich fühle mich gerne frei im Bett, und da hab ich doch glatt vergessen, mir was anzuziehen, nachdem ich so sauer und im Halbschlaf aus dem Bett gesprungen war.

Also, jedenfalls hätte das genau so passieren können. Ist es aber nicht, ich habe nur meine Angstvorstellung beschrieben. Denn ich fürchte, es würde genau so rauskommen, wenn ich mal meiner Wut nachgäbe morgens um 2 und einfach ohne zu Zögern direkt vom Schlafzimmer zu diesem Typen raufstampfen würde.

Und genau darum mache ich es auch nicht.
Sondern ärgere mich lieber stillschweigend Nacht für Nacht unter meiner Decke.
Denn ich bin ja wirklich tolerant.

Samstag, 5. November 2016

60 Warum Globalisierung auch doof ist

Unsere Welt ist immer vernetzter.
Dank Internet, Fernsehen, Unternehmensfusionen und immer schnelleren Flugverbindungen, vielleicht auch bald dank des Beamens, rücken wir alle immer näher zusammen. Unsere Kulturen verschmelzen miteinander, auch wenn wir uns immer noch gegenseitig doof finden und beschimpfen. Aber wir essen hier halt schon mal gerne Shabu Shabu und Nasi Goreng, gehen am Wochenende an ein Reggaeton-Konzert und tags darauf  in den türkischen Hammam beim Volkshaus zum Entspannen. Am Mittwochabend ist unser Djembé-Kurs und am Donnerstag Yoga. Irgendwo dazwischen muss noch die thailändische Massage rein. Und unsere Kleider stammen von hippen skandinavischen Designern.
Find ich alles ok.
Aber etwas hätten wir wirklich dort lassen können, wo es herkommt, Globalisierung hin oder her:


Halloween.


Wäääks!

Ich meine, ich verkleide mich ja auch ganz gerne. Ich mag Schoggi und Horrorfilme. Aber Halloween kann ich nicht ausstehen. Weil wir im Grunde damit etwas feiern, zu dem wir gar keinen wirklichen Bezug haben, sondern das uns die Medien diktieren.
Heidi Klum übertrifft sich jedes Jahr selber an ihrer Kostümparty. Jimmy Kimmels lässt den Kindern vermeintlich das Halloween-Candy wegfressen.  Gut aussehende, glückliche Promis gehen Kürbisse aussuchen beim Bauern. Herzige Primarschüler ziehen von Tür zu Tür und betteln herzerweichend um Süssigkeiten.
Das sehen wir in der Gala, auf Pro7 und im Internet, und das ist ja sooooo toll, das müssen wir grad auch haben! - dachten sich geschäftstüchtige Partyorganisatoren und engagierte Eltern, die in ihrer spärlichen Freizeit gerne US-Serien kucken und auf Instagram surfen. Mit dem Resultat, dass wir an Allerheiligen jetzt nicht mehr nur auf dem Friedhof singen und beten gehen, sondern uns und unsere Kinder am Vorabend mit Kunstblut bespritzen und in der Arscheskälte draussen die Nachbarn nerven. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Gruselparties, die man ja auch noch besuchen sollte.




Reicht uns denn der gute, alte Räbeliechtli-Umzug nicht mehr, bei dem wir ja auch Gemüse aushöhlen und durch die Nacht wandern können??
Das war für mich im Chindzgi immer das Highlight des Jahres, vor allem die Buchstabensuppe mit dem Würstli hinterher - und von Halloween hatte ich noch nie was gehört.


Halloween ist ein keltischer Brauch, den die Iren in die USA gebracht haben. Macht also Sinn, dass das dort ein wichtiger Feiertag ist. Aber ich glaube, so viele Iren gibt es nicht in der Schweiz, damit sich Halloween auch hier als Tradition hätte etablieren können. Wenn schon, dann schon eher die Quinceañera der Südamerikaner. Oder die persische Neujahrsfeier der Iraner. Hat sich aber alles nicht durchgesetzt hierzulande. Oder kriegt ihr etwa dauernd Einladungen zu Geburtstagsfeiern von 15-jährigen Mädchen? Wisst ihr auswendig, an welchem Datum Nouruz gefeiert wird? Ich jedenfalls nicht.
Und warum nicht? Weil diese Feierlichkeiten halt nicht so präsent sind in den Medien wie Halloween.
Wir schliessen also daraus: wir kucken alle ein bisschen zu viel US-Fernsehen und social media und lassen uns davon beeinflussen.


Aber leider ist halt nicht alles geil, was uns die Medien vormachen und mit dem sich Geld verdienen lässt.
Ich meine, Musik, Kleider und Essen, das sind menschliche Grundbedürfnisse, die wir alle nach der eigenen Lust und Laune stillen können.  Aber Halloween wird einem seit dem Millennium ja richtiggehend aufgezwungen, mit all diesen Horror-Partyflyern im Briefkasten und den Gruselkostümen und doofen Kürbisdekos im Migros! Boah, leider hat noch nie so ein "Trick or Treat"-Kind bei mir geläutet ("Süsses, sonst gibt's Saures!" auf Deutsch klingt aber auch sowas von bescheuert, ein weiteres Indiz dafür, dass Halloween nur im angelsächsischen Raum Sinn macht!), aber das wäre echt mal ein Spass, wenn ich dann so als Horrorclown die Tür aufmachen und ihnen Chiasamen und Tiefkühlspinat in die Hand drücken würde.


Ok, lange Rede kurzer Sinn: die Globalisierung hat durchaus ihre Vorteile, aber ihr grösster Nachteil ist, dass wir hier in der Schweiz nun Halloween ertragen müssen.


Und Valentinstag.


Amen.

Mittwoch, 19. Oktober 2016

59 Die Nacht der Helden

Es ist nach 1 Uhr morgens. 
Draussen ist es stockdunkel und mucksmäuschenstill (also, so still, wie es im Kreis 4 halt sein kann), ich liege friedlich im Bett. 
Nicht alleine. Zum Glück. 
Nein, nicht, was ihr wieder denkt! 
Ok, doch, das auch, aber das tut jetzt nichts zur Sache! Wir nennen ihn Held, einverstanden? Er wird noch wichtig in dieser Geschichte, ihr werdet sehen! Denn plötzlich rumpelt es in der Wohnung. 

Mein Held schreckt auf. Ich winke ab, die Augen immer noch geschlossen: "Der scheiss Güselsack in der Küche ist wieder mal umgefallen. Macht immer einen hueren Krach."
Es rumpelt weiter. Und weiter. Ziemlich laut.
Ziemlich viel Güsel, denke ich. Was hab ich weggeworfen? Kanonenkugeln? Kann doch nicht sein...
"Hast du das Fenster im Bad wieder gekippt?", fragt mich mein Held plötzlich. 
"Ähm... also... joaah...?"
Ich möchte hier noch anfügen, dass ich im Hochparterre wohne. Im Kreis 4. 
Wir hören, wie etwas in die Badewanne plumpst. Oder springt. Dann spüre ich, wie etwas Kaltes von meinem Magen aufsteigt in Richtung Haarwurzeln, das Blut rauscht in meinen Ohren, es schüttelt mich innerlich, aber äusserlich bin ich wie gelähmt.
"Ruf die Polizei!!" Mein Held schlägt die Bettdecke zurück und geht langsam in Richtung Türe, aus dem Schlafzimmer hinaus in den Korridor.
Ich schaffe es hingegen gerade mal so halb, nach meinem Handy auf dem Nachttischchen zu greifen. Scheisse, wie ging die Nummer der Polizei noch mal?? Und was genau soll ich denen dann sagen?? "Grüezi, bei mir steht irgendein Fremder in der Wohnung, was soll ich jetzt machen? Können Sie kommen? So in 5 SEKUNDEN? Denn so lange braucht der ungefähr vom Bad ins Schlafzimmer!"
Die Gedanken rasen in meinem Kopf, während ich immer noch aufrecht und steif wie eine Schaufensterpuppe auf dem Bett sitze.
Soll ich einfach davonrennen? Bin ich schneller als der an der Haustüre? Schreien oder nicht schreien, was schreckt ihn mehr ab? Will er mein Geld oder will er mich? Uns? Oder vielleicht besser gleich durchs Fenster? Shit, aber ich trage keine Kleider! Das geht nicht, da erfrier ich ja! Was ist mir denn lieber: Von dem vergewaltigt und erstochen werden oder den Kältetod sterben? Oder  überleben, aber alle meine Habseligkeiten verlieren (scheisse, mein Laptop!! Hab ich meine Daten eigentlich alle in die Cloud geladen??)? Was tut denn am wenigsten weh?? 
Und wenn er auf meinen Helden losgeht? Was mach ich dann? Um Hilfe schreien? Ihn opfern, um selber zu überleben??

So viele Gedanken, gedacht in rund 1,3591 Sekunden.
Dann hören wir, wie es nochmals rumpelt, der Eindringling hat uns offenbar gehört und Schiss gekriegt - der Rest ist Schweigen.


Wie zwei Ölgötzen stehen wir vor dem offenen Badezimmerfenster. Der Möchtegern-Einbrecher hatte den gekippten Flügel einfach aufgewuchtet. An der gekachelten Wand darunter und in der Badewanne klaffen überall braune Flecken, wahrscheinlich von dreckigen Fingern und Schuhsohlen. Mein Duschgel, mein Conditioner und meine Bade-Essenz ("Glückliche Auszeit") liegen verstreut im Raum.
Mein teures Argan-Öl-Shampoo ist weg. 

Ich will unbedingt grad sofort umziehen! Ich fühle mich in meinen eigenen vier Wänden nicht mehr sicher! Erst klaut man mir meinen Schnauz vor der Tür (Blog Nummer 52), und jetzt reicht einem das offenbar schon nicht mehr und man legt sich uneingeladen nächtens in meine Badewanne, wundert sich dann, dass man dabei gestört wird und verschwindet mit meiner teuren Haarpflege! 
In was für einer Welt leben wir eigentlich??!!
Und überhaupt: was wäre passiert, wenn ich ALLEINE gewesen wäre in dieser Nacht? Nicht auszudenken!! Also, ICH hätte mich dem Eindringling ganz bestimmt nicht so mutig entgegengestellt! Im besten Fall hätte mich sofort ein Herzinfarkt dahingerafft, während ich mich an meinem Bett krampfhaft an die Decke geklammert und mit riesigen Augen in Richtung Türe gestarrt hätte wie so ein überdimensioniertes Maki (aber weit weniger süss)! Oder noch schlimmer: was, wenn ich GAR NICHT zu  Hause gewesen und am Morgen in eine ausgeräumte Wohnung getreten wäre...

Zum Glück hält diese hysterische Phase nur kurz an. Mein Held bugsiert mich tröstend zurück ins warme Bett (und er hätte eigentlich mehr Grund zum Heulen gehabt, schliesslich hätte er beinahe sein Leben für mich gegeben - was mir übrigens ziemlich schmeichelt, muss ich zugeben...),  wir kucken zusammen eine Folge Little Britain auf dem ipad - und schon schlafe ich selig ein.

Am nächsten Morgen geht's mir dann schon wieder gut. Und auch mein Badezimmerfenster ist wohlauf. "Nichts kaputt", versichert mir jedenfalls der Hauswart. Aber putzen könne ich es gefälligst mal. Logo, durch saubere Fenster steigt ja niemand ein. Macht Sinn.  
Aber es kommt noch besser: als ich aus dem Haus gehe, finde ich meine vermisste Flasche Argan-Öl-Shampoo fein säuberlich auf dem Briefkasten drapiert vor.

Meine Welt ist wieder in Ordnung.
Aber gekippte Fenster im Hochparterre kommen darin nicht mehr vor.

Samstag, 8. Oktober 2016

58 Die Gretchenfrage

Neulich hat mir am frühen Morgen am Hauptbahnhof Zürich ein älterer Herr eine Bibel in die Hand gedrückt.
Ich wusste gar nicht, wie mir geschah. Ich gebe zu, hätte ich wohl gesehen, was er da verteilte, hätte ich wohl nicht so bereitwillig meinen Arm ausgestreckt und höflich "Danke!" gesagt. Naja, ich hab ja schliesslich schon eine Bibel zu Hause, nämlich - und nicht mal die hab ich wirklich gelesen.
Ich hab's nunmal nicht so mit der Religion, um hier gleich mal die Gretchenfrage zu beantworten.
Und auch nicht mehr so mit traditionellen papierenen Büchern, bin ich doch letztes Jahr auf den Kindle umgestiegen.

Trotzdem hab ich die kleine Bibel mitgenommen.
Weil der Verteiler einfach so wahnsinnig sympathisch war. "Au für die jungi Dame han ich no öppis!", sagte er strahlend und lachte mich dabei so freundlich und ehrlich an, dass mein Hirn grad vollkommen betört war, wahrscheinlich gleich sämtliche Glücks- und Bindungshormone in meinem Körper ausschüttete und auf diese Weise den Befehl an meinen Arm aussandte, sich auszustrecken und an meine Hand zuzugreifen. Es faszinierte mich einfach, wie jemand schon zu so einer wahrlich unchristlichen Zeit, ohne Sonnenlicht, dazu beim ersten Kälteeinbruch nach dem Sommer, bei dem sowieso alle lieber im Bett geblieben wären und die Mundwinkel deshalb überall noch ein bisschen mehr nach unten zeigten als sonst schon üblich und die abweisenden Gesten wahrscheinlich auch noch ein bisschen harscher ausfielen als an einem wunderschönen, warmen Frühlingsmorgen - also eben, dass jemand trotz sooo widriger Umstände sooo wahnsinnig gute Laune haben konnte und sich traute, am HB zu STOSSZEITEN so ganz selbstverständlich den vorbeieilenden supergestressten Pendlern ein doch nicht wenig unumstrittenes Buch in die Hand zu drücken als wäre es Gratis-Schokolade!

Das verdient einfach REEEESPECT, finde ich! 
(genauso wie dieser lange Satz vorhin, ich denke, ich habe gerade einen persönlichen Rekord aufgestellt, bitte Goldmedaille an mich - danke!)


Ja, und darum hab ich die Bibel auch nicht einfach irgendwo liegen gelassen, wie ich das sonst für gewöhnlich mit dem Wachtturm, der Scientology-Broschüre, dem Party-Flyer und der Wahlpropaganda mache. Nein, ich habe sie sogar immer noch, die kleine Hosensack-Bibel. Sie steht jetzt in meinem Büro und wurde wahrscheinlich schon vom dem einen oder anderen Arbeitsgspändli durchgeblättert.
Von mir zwar nicht, muss ich gestehen. Eben, ich hab's nicht so mit der Religion.
Aber der charismatische Verteiler mit den hehren Absichten hat trotzdem erreicht, was er wollte: Dass es mir ein bisschen besser geht. Geht es mir nämlich, irgendwie. Nicht, weil ich jetzt zu Gott gefunden hätte.

Weil dieser ältere Herr am Battlefield HB Zürich so erfrischend offen und entspannt dem Heer der griesgrämigen Pappkaffeebecherhalter und gestressten Handykucker getrotzt hatte.
Weil er sich nicht von diesem Miese-Laune-Mainstream hatte mitreissen lassen, der sich dort jeden Morgen in Richtung Zug oder Büro ergoss. Weil er mich, wenn auch nur eine kurze Sekunde lang, wie ein Leuchtturm aus der stürmischen, schwarzen See ans ruhige und friedliche Ufer gewiesen hatte, bevor mich erneut eine Welle erfasst und weitertrieb.

Und ja, weil er mich "junge Dame" genannt hatte. 


Donnerstag, 15. September 2016

57 Mein Leben auf grossem Fuss

Ich geb's auf.
Das mit den hohen Schuhen, mein ich.
Ich kann's einfach nicht.

Sieht zwar schon sehr schön aus, so mit Absätzen, macht die Beine länger, den Gang graziler - also, naja, im Normalfall. Bei mir eben nicht.
Ich ziehe mir hohe Hacken an - und nach maximal fünf Minuten sterbe ich schon vor Schmerzen. Die Füsse zwei feuerrote, geschwollene Fleischklumpen, Fersen und Sohlen voller Blasen, die Waden krampfig, aus dem stolzen, schwungvollen Modelschritt ist ein peinliches, x-beiniges Stolpern geworden. 


Gestern hab ich's wieder mal probiert, nach längerer Absenz. Füsse nach dem letzten Versuch verheilt (das war irgendwann im Winter in der Disco, zwei Stunden hielt ich durch, Rekord, den Rest der Nacht tanzte ich auf Socken durch, die hohen Stiefeletten als modisches Accessoire in der Hand, in die Handtasche passten sie ja nicht), wieder neuen Mut gefasst. Man könnte es also wieder mal wagen, dachte ich mir, den Tag zu einem besonderen machen. Zum gemütlichen Stadtbummel also die schönen, roten Peeptoes angezogen mit 7cm-Absatz - hey, ganze 7cm! Das ist doch nicht der verdammte Eiffelturm!!
Nach fünf Minuten fühlte ich mich aber schon so, als hätte ich eben diesen dreiundzwanzig Mal hintereinander zu Fuss bestiegen. 
In meinen Peeptoes.
Erschwerend kam dazu, dass ich natürlich vergessen hatte, dass im Niederdorf Pflastersteine liegen. Nach jedem zehnten blieb ich mit einem meiner Absätze stecken.  Oder gleich mit beiden. 
Sie sahen bald nicht mehr so hübsch aus. Meine Füsse auch nicht. Von meinem Gang möchte ich gar nicht erst reden.

Also, was war die logische Folge? Wie immer? 
Genau, in den nächsten Schuhladen rein und ein paar bequeme, flache Sandalen gekauft.
Ich weiss nicht, das wievielte Paar Schuhe das ist, dass ich mir aus solch einer Notlage heraus besorgen musste. Wie viel Geld ich schon ausgegeben habe für Schuhwerk, das ich eigentlich gar nicht brauchte. 
Und das willll was heissen, wenn ich als FRAU so was sage. 
Es scheint wirklich so, als seien meine Füsse allergisch auf alles, was sie irgendwie ein bisschen auf die Zehenspitzen zwingt.
Aber wie machen das meine Freundinnen nur, die jeden Tag hohe Hacken tragen?? Und zwar nicht die Weichspül-Variante von sieben Zentimeterchen, sondern turmhohe, nadeldünne Stelzen?? Ohne eine Miene zu verziehen?? Zwölf Stunden am Stück?? 
Ich bin neidisch, wirklich.

Aber wahrscheinlich hat mich GottAllahJehovadieNaturdasSchicksal auch nicht ohne Grund auf fast 1 Meter 80 wachsen lassen, ganz ohne Schuhe. Und mich mit Riesenlatschen "beschenkt", für die man ohnehin kaum filigrane Pumps oder Stilettos findet.
Künstliche Vergrösserung funktioniert bei mir einfach nicht.

Mittwoch, 24. August 2016

56 Was bleibt

Es ist schon krass, wenn man drüber nachdenkt: ich bin jetzt seit fast vier Jahrzehnten auf dieser Welt, das ist ja nicht grad ein Holozän oder so - aber hey, wieviele Wandel ich in dieser Zeit schon durchlaufen bin! Was sich alles verändert hat seit meiner Geburt - Wahnsinn!

Ich meine, ich hab diese Fotos, ich als Kleinkind, ich kann kaum stehen, hab aber stolz den Hörer unseres Telefons am Ohr, natürlich Festnetz, grau, mit geringeltem Kabel und einer riesigen Wählscheibe aus Plastik.  
Heute geh ich mit meinem iPhone überall auf der Welt ins Internet.

Wenn ich in den Bus stieg, dann schob ich zuerst so eine Mehrfahrtenkarte aus Karton in einen Schlitz und spürte, wie im Innern ein weiteres Eckchen an ihr abgehackt wurde. 
Heute hab ich eine kleine Plastikkarte für sämtliche Transportmittel, und der Kontrolleur hält sie einfach an einen Leser.


Übrigens kostete eine Busse bei Schwarzfahren in meinen jungen Jahren noch 20 Stutz, heute 100...


Wenn es bei mir zu Hause mal Fertig-Pizza gab, war das ein Festtag! Heute kann ich alles fix und fertig haben, Salat muss ich nicht mehr selber waschen, Karotten nicht mehr selber schneiden, das Sandwich nicht mehr selber belegen, ich kaufe Sushi im Coop und Tacos und Paneer, die Generation vor mir wusste in meinem Alter nicht mal, was das ist, und ich kann nicht nur Cola light trinken, sondern auch Cola light koffeinfrei, Cola Zero und Cola Life.
Überhaupt komm ich heute an jeder Ecke an Essen und Trinken, überall Take-aways und Brezelkönige und Spettacolinos, früher gab's Lebensmittel nur im Supermarkt, in den man erst noch weit fahren musste,  oder im Restaurant.
Und für das Mittagessen nahm ich immer brav mein Tupperware oder mein Käsebrot in die Schule mit, heute gehen die Kids zu McDonalds.

Flugtickets zahlte man im Reisebüro, und dann kamen sie per Post, riesige Wedel aus Papier. Heute zeigt man man am Check-in einfach bequem sein Smartphone.

Kleider und Schuhe gab es nur im Laden zu kaufen. Heute im Internet.

Früher trug man Brille. Heute geht man Lasern.

Früher rauchte man überall. Heute gar nicht mehr.

Früher heiratete man mit Anfang 20. Heute geht man auf Tinder bis zum Tod.

So vieles hat sich verändert in den paar Jahren, in denen ich die Erde bereits beglücke. Es geht rasend schnell, man kommt ja kaum mit!

Aber es gibt eine Sache, die war schon immer gleich und wird es auch bleiben. Früher, heute, in Zukunft. Ob als Kindergärtnerin oder mit fast 40 jetzt. Egal, wie fortschrittlich die Technik und Wissenschaft auch sind. Etwas wird sich niemals ändern:

Mein Mami, das mir aus dem Küchenfenster nachwinkt, wenn ich aus ihrem Haus gehe. 

I like. 

Sonntag, 31. Juli 2016

55 Suchthaufen

So. Ihr habt mir ja nach dem letzten Blogpost eure Themenwünsche gemailt, gepostet, hinterhergeschrien. 
Gewonnen hat... (TROMMELWIRBEL!!)... das Thema... SUCHT! Ich gratuliere ganz herzlich!

Ob ich eine Sucht habe, wurde ich gefragt. 
Ja, jetzt grad schon. 
Sie heisst Game of Thrones.

Jahrelang habe ich mich davor gesträubt, Serien zu kucken, weil ich meine Freizeit nicht vor der Glotze verbringen wollte wie so eine Hausfrau. Dann wurde der Druck aber immer grösser, ich konnte ja nie mitreden, wenn es um Jon Snow und den Iron Throne ging. Also dachte ich, nur kurz mal eine Folge streamen, vielleicht gefällt's mir ja gar nicht, immer diese Schlachten, dieses Fantasiezeugs - ähä! Sechs Staffeln in drei Wochen. Ist das Rekord?

Jedenfalls hatte ich kein Sozialleben mehr. In die Bar gehen am Feierabend, an den See, an eine Party? Nö. Lieber vor den Laptop. Zum Znacht ein, zwei Folgen Game of Thrones. Vor dem Schlafen gehen auch. Am Morgen beim Zähneputzen. 
Schlafmangel schlich sich ein. Die Wäsche blieb liegen. Das dreckige Geschirr auch. So sieht es bei Meth-Süchtigen zu Hause aus, oder? Egal.


Süchtige finden sich ja auch immer, denn Sucht verbindet. Bald wusste ich zum Beispiel, wer ausser mir in meinem Umfeld auch so gebannt am Bildschirm klebt. Und wer im Büro der grösste GoT-Crack war. Der natürlich nicht nur die Serie gekuckt, sondern auch sämtliche Bücher plus Sekundärliteratur gelesen hatte. Das ist sehr nützlich, denn GoT ist mit seinen gefühlten 39432 Handelssträngen ja doch eher komplex. Da hat man schon mal ein paar Fragen: wer ist jetzt genau mit wem verwandt? Wie genau pflanzen sich die Giants weiter, denn ich sehe nur männliche? Also, eigentlich sehe ich überhaupt immer nur einen? Wieso legen überdimensionale Drachen Eier in der Grösse von Avocados? 

Schön ist auch, dass die Serie sowohl uns Frauen als auch den Männern einiges zu bieten hat. Den Männern eigentlich ein bisschen mehr, denn die Frauen in GoT sind andauernd nackt und willig. Und natürlich wahnsinnig schön. Wie war das beim Casting? Mussten die sich alle zuerst ausziehen? "Sorry, du spielst zwar super, aber ich seh da einen Schwangerschaftsstreifen und deine Brüste hängen leicht, da können wir dich leider nicht nehmen." 
Heisse Männer gibt es in GoT aber auch zuhauf. Allerdings kommt man da als Frau leicht in einen moralischen Zwist, denn die heissesten sind oft auch die grössten Arschlöcher: Vergewaltiger, Mörder, sadistische Quäler, sexistische Hinterwäldler. 
Ja, ok, Ramsay hat ganze Völker gehäutet, aber sein walisischer Akzent  und sein knackiges Füdli sind einfach umwerfend!! Nicht jeder steht halt auf den immer politisch korrekten Jon Snow mit seinen herzigen Löckchen, sorry! Darf man öffentlich ja fast nicht sagen, aber in Diskussionen mit anderen GoT-Fans schon. 
Dabei ist aber auch noch wichtig, dass alle in den Staffeln gleich weit sind. Sonst kann es übel Streit oder sogar Tränen geben. "Ist bei dir Robb Stark schon tot?" - "WAAASSSSSSS??? DER STIRBT????!!!!! NEEEEEEEEEEEEEEIIIIIIIIIIIINNNNNNNNN!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!"

Ein Süchtiger ist ja auch immer darum besorgt, wann und wo er seine Sucht das nächste Mal befriedigen kann. Doof für mich, denn die siebte Staffel von Game of Thrones kommt erst in einem Jahr raus.
Ich weiss nicht, wie ich diese lange Wartezeit überstehen soll. Muss ich jetzt doch noch anfangen zu trinken? Zu rauchen? Drogen zu nehmen?

Nein, ich glaube, es gibt keine Ersatzsüchte, wenn es einen mal so richtig erwischt hat. 
Scheisse.

Danke nochmals für diesen Themen-Input. Ich muss jetzt fast ein bisschen weinen.







Donnerstag, 14. Juli 2016

54 Macht mal ihr, jetzt!

So, und nun seid IHR gefordert: das nächste Thema, über das ich hier schreibe, stammt von euch. Also: Vorschläge, bitte! Ich wähl dann einen aus.

Weil ich Geburtstag hab.

Ich freue mich, danke!


Sonntag, 10. Juli 2016

53 Schneeweisschen und Rosenrot

Jetzt wurde es ja endlich doch noch Sommer. Wenigstens vorübergehend. Mit 30 Grad und wolkenlosem Himmel und ganz viel Sonne und so.

Zeit für die Première der alljährlichen Fleischbeschau. Ganz Zürich schwärmt ans Wasser. Ich auch. Knallbunter Bikini auf schneeweisser Haut. Man erkennt mich schon von Weitem, so hell leuchte ich in der Sonne, es blendet richtig.
Das Tuch auf der Wiese ausgebreitet, zuerst etwas aufwärmen an der Sonne, den Rest im Schatten rumliegen. Alles wunderbar.

Abends geht es wieder nach Hause. Es folgt das übliche Sommerritual: mal im Badezimmerspiegel vor dem Duschen checken, ob man schon ein bisschen Farbe bekommen hat.
Und dann die grosse Ernüchterung: 
Nö.
Nicht ein bisschen Farbe. 

EINEN GESAMTEN FARBTOPF!!!
Es leuchtet mir im Spiegel eine feuerrote Leinwand entgegen, mit zwei schneeweissen Flecken im oberen Drittel und einem grösseren in der Mitte. "Barocker Fliegenpilz" würde ich das Gemälde nennen, hätte ich es selber gemalt (was ich ja ehrlich gesagt auch irgendwie habe). Oder "Schneeweisschen und Rosenrot". "Letzte Hexenverbrennung". Es ist so ein lächerlich schlechtes Bild, dass ich ein Selfie machen muss und es einer Freundin schicke.
Sie öffnet das whatsapp im komplett überfüllten Tram. 
Jetzt bin ich wahrscheinlich nicht nur rot, sondern auch noch berühmt.

Schöner Sommer, dieses Jahr. Gut, schifft's morgen wieder und ist kalt. Lange Hosen bei 30 Grad sind nämlich scheisse.

Montag, 27. Juni 2016

52 Ich will meinen Schnauz zurück!

Züri, du weisst, ich liebe dich. Dich und besonders deinen Kreis 4. Noch nirgends hab ich mich so wohl gefühlt. Hier bin ich zu Hause. 

Ich und ein paar Arschlöcher.

Sorry, dass ich das sage. Aber langsam bin ich es wirklich leid, dass man hier offenbar alles irgendwo anleimen oder auf einem ganz hohen Turm wegschliessen muss, damit es nicht wegkommt!!

Meine beiden Bahnhofs-Velos begreif ich ja noch. Mal schnell ein rostiges, altes Velo vor dem Haus mitnehmen, damit man auf dem Flohmi rasch ein paar Franken verdienen oder sich selber damit den Hals brechen kann - von mir aus. Oder meine online bestellten Druckerpatronen aus dem Briefkasten. Jaaa, warum auch nicht, wenn man zufällig grad denselben Drucker zu Hause hat? Sind ja auch sauteuer, so Patronen.
Alles stehlenswerte Objekte, muss ich ja irgendwie zugeben. Und wenn man halt grad in einer Notlage ist, also zum Beispiel an den See radeln will, aber halt grad kein Velo zur Hand hat. Oder einen Liebesbrief getippt hat, aber der HP ist ausgerechnet dann leer, wenn man ihn ausdrucken will.
Alles verzeihbar.

Aber jetzt kommt's:
Mein Schnauz.
Also, ich meine, meine Fussmatte.
Meine Fussmatte in Form eines Schnauzes.
Meine FUSSMATTE.
Dieses Stück Stoff, dass man vor die Wohnungstür legt, damit man sich die Schuhe darauf abtreten kann und nicht den ganzen Strassenmatsch in seine vier Wände importiert. Ja, meine verdammte F.U.S.S.M.A.T.T.E wurde geklaut!!
Was um Himmels Willen überlegt man sich da? "Oh, meine Schuhe sind grad so dreckig, lass ich doch schnell eine Fussmatte mitgehen, weil ich hab ja selber keine" - seriously?? Das ist KEINE Notlage! Kann ich nicht akzeptieren!

Ich hör euch schon: "Ja und? Was regst du dich so auf? Ist ja nur eine popelige Fussmatte."

HA!!


Eben nicht! 
Es war ja eben nicht nur so ein kommunes, rechteckiges Ding mit "Home sweet home" oder "Willkommen" oder so was ähnlich Todlangweiligem drauf.
Nein, MEINE Fussmatte war ein Schnauz. Tadaaa!!
Nie habe ich meine Schuhe lieber abgewischt! Nie habe ich mich jeweils mehr auf Zuhause gefreut, auf diesen Anblick unter mir beim Aufschliessen der Wohnung! Und nie hab ich mehr glückliche Gesichter im Treppenhaus gesehen, von Nachbarn, die an meiner Tür vorbeikamen, auf den schwarzen Schnauz schauten und lächeln mussten: "Dä isch ja huere cool, wohär häsch dä?"
Womit wir bei Zweitens wären: Einen Schlüssel zum Haus besitzt nur, wer auch darin wohnt. Ergo konnte mir also nur ein Nachbar meinen geliebten Schnauz klauen.
Ok, ausser, es hat mal wieder einer unten die Tür offengelassen. Theoretisch könnte dann also irgendein Wildfremder ins Haus reingekommen und mich beklaut haben.

Aber seien wir ehrlich: wie realistisch ist das? Ein Dieb kommt rein, merkt, scheisse, keine einzige Wohnungstür ist offen, TV und Laptop klauen is nich, Werkzeug zum Aufbrechen hab ich auch nicht dabei, also nehm ich halt wenigstens die geile Fussmatte mit - I don't think so!

Also muss man sich hier tatsächlich auch schon vor seinen eigenen Nachbarn in Acht nehmen!

Hallo?? Wo ist der Respekt geblieben??

Ist uns Menschen eigentlich nicht klar, dass wir in Zeiten von Brexit und Island im Fussball-EM-Final zusammenhalten müssen, damit es nicht zu Ende geht mit uns?? Wir haben wirklich grössere Probleme, als uns illegal Fussmatten zu besorgen, verdammt nochmal, wir haben eigentlich nicht mal wirklich ZEIT, um ans Klauen und an saubere Schuhe zu denken!! Wenn ich nicht mal mehr den Menschen in den Wohnungen neben, über und unter mir trauen kann - ja, wem denn dann??
"Lieber" Dieb, was genau gedenkst du, mit meinem Schnauz zu tun? Ihn vor deine Tür zu legen, in der Hoffnung, ich merke das nicht? Ich steige durchs Fenster in meine Wohnung und nicht durch unser gemeinsames Treppenhaus oder was?
Und Fussmatten IN der Wohnung sehen im Fall scheisse aus!

So, und damit endet dieser Text. Eine Pointe fällt mir grad nicht ein. Vielleicht euch.

Ich will meinen Schnauz zurück.



Sonntag, 12. Juni 2016

51 Natürlich der Böögg

Es ist jeden Tag das Gleiche:
Nach dem Aufwachen erst mal die Wetter-App öffnen. Klar, auch heute wieder Piss angesagt, gleich mehrmals, natürlich. Aber wann genau, ich meine, so auf die Minute, das kann wohl auch der beste Meteorologe der Welt nicht prophezeien. Und falls ja, würde ihm sowieso keiner glauben. Ich auch nicht.
Also, mal aufstehen, fertig machen, Schminke rauf, Haare richten. Leichte Kleider an, denn das Wetter entspricht zwar nicht meinen Frühlingsgefühlen, aber die Temperaturen schon eher. Wenigstens etwas.
Dann der prüfende Blick aus dem Fenster und die Hand ausgestreckt. Ja, doch, grau, aber noch trocken. Sollte halten, jaja, bin ja schliesslich Optimistin, sagt ja schon mein Name, haha!
Dann also ein Jäckchen übergezogen, raus aus dem Haus (huuiii, ist doch noch bitzeli frisch!), rauf aufs Velo und lospedalt. 

Der Hinweg geht meist gut. Das Wetter hält. Alles ok.
Aber auf dem Rückweg kommt dann jeweils die Quittung. Ganz unverhofft natürlich und erschreckend schnell:
Der Himmel öffnet seine Schleusen und das Wasser prasselt rücksichtslos runter auf die Welt. Und ich bin natürlich gerade erst wieder aufs Velo gestiegen. Absteigen, Velo stehen lassen, Bus nehmen? Neeeiin, neeeiin! Das schaff ich, wenn ich ganz schnell fahre, ist ja nicht weit! Komm, Bitterbös, tritt in die Pedale!!
Haha, "ganz schnell"! Zusammen mit dem Piss kommt natürlich auch noch ein fieser Wind, und natürlich von VORNE, woher auch sonst! Ich pedale wie bekloppt und komme kaum vom Fleck, ist fast wie auf dem Hometrainer. Dazu klatschen mir die Tropfen ins Gesicht, natürlich auch direkt von vorne, ist ja klar, und ich spüre, wie mir die Mascara von den Wimpern langsam in die Augen läuft. Und wahrscheinlich übers ganze Gesicht, danke auch! Ich sehe sicher aus wie der traurige August. Aber egal, ist ja eh niemand mehr auf der Strasse ausser mir. Die anderen haben sich schon längst in ihre Häuser geflüchtet oder unter gedeckte Bushaltestellen, oder sie sitzen im trockenen Auto, während das Wasser den Asphalt langsam dunkler und dunkler färbt. Ich bin schon ziemlich ausser Puste, dieser Scheisswind! Die Tour de Suisse gewinne ich so nicht, aber das passende Tenue trag ich schon fast, denn der Regen lässt meine Hosen schön eng an den Schenkeln kleben, sexy. Einmal mehr überlege ich mir, mir doch mal so einen hässlichen Regenmantel zuzulegen. Gibt's die eigentlich noch, diese gelben Zelte mit diesen furchtbaren Kapuzen, die so eine Mischung zwischen Ku Klux Klan-Masken und Amisch-Hauben sind? Die hatten in meiner Jugend alle Velofahrer. Aber ich weigerte mich stets, sowas zu tragen. Sorry, auch bei Scheisswetter muss man ja nicht auch noch sein letzte Bisschen Würde über den Haufen schmeissen.

Das Wasser tropft mir bereits von Haaren und Nase, meine Sicht ist getrübt und kalt ist mir auch. Aber ich pedale eisern weiter. Ich bin so hart, yes! Da vorne sehe ich schon meine Strasse. Wow, denke ich, war ja gar nicht so schlimm, soooo nass bin ich ja noch gar nicht - und da überholt mich auf den letzten paar Metern ein Auto, natürlich in einem Affenzahn, als müsste es vor dem Regen flüchten, weil es sich bei Nässe in seine Bestandteile auflösen könnte oder so. Und natürlich rast es dabei direkt durch die dreckige Pfütze, die sich in dieser Bodenwelle entlang des Mittelstreifens angesammelt hat. Und natürlich spritzt das hässliche Wasser rund anderthalb Meter hoch in meine Richtung und klatscht direkt auf mein helles Jäckchen (das glaub's nicht waschmaschinenfest ist) und auf meine helle Stoffhose und meine neuen Converse. 
Und ich komm zu Hause an, nass bis auf die Unterhosen, überall schwarzbraun gesprenkelt, geschminkt wie der traurige August, Haare wie das Geistermädchen aus dem Brunnen in THE RING und mit einer üblen Scheisslaune.

Und während ich dann so meine Kleider in Vanish Oxy einlege, sage ich mir einmal mehr: Jetzt lern's  doch einfach, der Böögg hat gesagt, es gibt keinen Sommer, glaub da nicht an Wunder, glaub nicht an Meteorologen, nicht an die Barmherzigkeit Gottes, Allahs oder Krishnas - nimm einfach künftig den Bus!

Donnerstag, 26. Mai 2016

50 Peinlicher geht's nicht!

Eins muss man mir lassen: In Sachen Peinlichkeiten hab ich in meinem Leben echt noch nicht viel ausgelassen bisher. 

Mehr als einmal bin ich am Zürcher Hauptbahnhof die Treppe runtergefallen, natürlich zu Stosszeiten. Manchmal war das Eis im Winter schuld daran, manchmal mein konzentrierter Blick aufs Handy. Manchmal auch gar nichts, ich bin einfach so schusslig, dass mich sogar Gehen überfordert.
Ich hatte auch schon öfters im vollgestopften Zug den Ipod unbemerkt etwas zu laut eingestellt, so dass ich mit eher gewöhnungsbedürftigen Songs, die ich offiziell natürlich nur heimlich höre, die gesamte Pendlerzunft amüsierte ("I LIKE BIG BOOTYS AND I CANNOT LIE!!!!!!").
Apropos Zug: ich stosse mir jeweils den Kopf an diesem Gepäckdings über den Sitzen, wenn ich aufstehe. Jedes Mal, wenn ich aufstehe.
Ah, und einmal machte mich meine Sitznachbarin darauf aufmerksam, dass an meinem neuen Mantel noch das Preisschild baumelte. Für alle sichtbar.
Various Nipplegates. Meist im Zusammenhang mit einem Bikini.
Ich hatte mal einen kongolesischen Nachbarn, und sozial, wie ich bin, half ich ihm eines Tages an seinem Marktstand mit afrikanischem Essen, den er zusammen mit Landsleuten führte. Allerdings merkte ich dann bald, dass ich die einzige war, die schuften musste, während er und seine Freunde lieber rauchend in der Ecke standen und Kaffeekränzchen machten. Da platzte mir irgendwann der Kragen, ich schmiss wortwörtlich das Handtuch und fauchte: "Ich mach doch für eu nöd dä Neger!!!"
Nein, ich bin keine Rassistin, im Fall!
Es gab da diese Hochzeit unter freiem Himmel, an der ich mitten im Ja-Wort in Ohnmacht fiel - nicht etwa, weil es mich so emotional berührte, sondern weil der heisseste Tag des Jahres war und weit und breit kein Schatten.
Womit wir schon wieder beim Fallen sind, darin bin ich offenbar besonders gut: ich fiel auch schon bei der Gynäkologin von diesem grässlichen Gebärstuhl. Schwächeanfall. Die schnippelte so in mir drin rum, und ich wollte mir den Schmerz nicht anmerken lassen, ich Superhero, ich, also verkrampfte ich mich dermassen, dass mein Kreislauf den Geist aufgab. Die Ärztin musste mich dann  so unten ohne auf die Liege nebenan schleppen, also, ICH unten ohne, nicht sie.
Dabei hab ich mit Nacktheit sonst eigentlich nicht so ein Problem. Jedenfalls denk ich mir regelmässig, ich könnte doch mal schnell in Unterhosen in die Waschküche runter, ist ja eh niemand im Treppenhaus. Natürlich treff ich dann ständig sämtliche Nachbarn, und das endet jeweils in so erbärmlich erzwungenen Gesprächen, wie "Hoi, hoi! Jajaaa, mir gaht's guet, sälber? Nei, ich lauf immer so ume, wieso, stimmt öppis nöd?".
Ich platzte auch schon in fremde Wohnungen von vermeintlichen Freunden, um meinen vergessenen Schirm abzuholen. Ich merkte jeweils erst zu Hause, dass ich mich im Stockwerk geirrt hatte und es ergo gar nicht MEIN Schirm war. Und der Typ in Boxershorts nicht der Bruder meiner Freundin.
Im Klassenlager hatte ich mal Küchendienst und musste Birchermüesli machen. Leider verwechselte ich Zucker und Salz. 
Ach, und die Make up-Unfälle, die Make up-Unfälle! Wie oft fuhr ich schon mit dem Velo durch den strömenden Regen und hatte dann die Mascara im ganzen Gesicht verteilt, merkte das aber erst, als mir irgend ein Passant mitleidig ein Taschentuch reichte? Oder der knallrote Lippenstift an den Zähnen beim ersten Date... der Cappuccino-Schaum, der am Lippenstift kleben bleibt - den ganzen Tag... oder sich mal schnell die Augen reiben und dabei vergessen, dass man ja eben Schminke aufgetragen hat... die Liste ist lang.
Change the subject.

Einmal lästerte ich mit einer Arbeitskollegin über den Chef - mein Mail ging aber nicht an sie, sondern an den Chef. Auch dieser verflixte "Antwort an alle"-Button wurde mir schon zum Verhängnis. Jedenfalls erfuhr so mein gesamtes Team, wie ich einem Gspändli zum neuen Job gratulierte, sei ja eh totlangweilig hier.
Da gab's diesen kleinen Zwischenfall, wo ich aus Versehen einer Katze den Kopf einklemmte ("Gopf, wieso chlämmt die Türe so? Ich schlah sie jetzt eifach es paar Mal zue..."). Die Katze ist übrigens wohlauf und erfreut sich blendender Gesundheit, keine Sorge!
Oh, und nicht zu vergessen, als ich mal ganz früh am Sonntagmorgen alkoholisiert in der Bahnhofsapotheke aufkreuzte und die Pille danach verlangte. Selbstverständlich musste mich auch noch der heisseste Apotheker des gesamten Planeten bedienen, danke, Universum! Er bugsierte mich in ein Hinterzimmer, wo ich ein Formular mit meinen Personalien ausfüllen musste, und er schaute so auf das Blatt und mir dann freudig in die Augen: "Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Frau Bitterbös!!"
Am Vorabend hatte ich übrigens noch auf das Sofa in der Bar gekotzt. So.
Da war der Tampon, den ich nicht mehr rausbrachte, wegen eines Unfalls, den ich hier nicht näher beschreiben möchte, und ich werde auch nicht das Wort SEX benützen, weil ich dann wieder zweideutige Zuschriften erhalte!

Wie ihr also seht, hab ich schon so einiges Peinliches geleistet in den vergangenen Jahrzehnten. Aber easy, ich steh dazu, ich kann darüber lachen, es gehört zu mir, ist Teil meiner Biographie.

Bis auf den jüngsten Faux-pas, der an Peinlichkeit wirklich alles übertrifft, was ich je schon geboten habe. Der ist absolut unverzeihlich, das muss ich gestehen, und es fällt mir wirklich schwer, darüber zu sprechen:

Ich hab DIE BACHELORETTE gekuckt.

Ja, hab ich.
Aber ich schwör's, wirklich nur eine Minute, und ich fand's mega scheisse, ehrlich!! Kommt nie wieder vor!!!

Dienstag, 10. Mai 2016

49 Ich kann auch Garten

Die Zürcher Balkone blühen wieder in allen Farben und Formen - es ist Frühling, langsam nicht mehr nur im Kalender, sondern auch beim Wetter, die Blumentöpfe werden also fleissig wieder aus dem Keller geholt und ausgestellt.

Nun, ich habe leider keinen Balkon. Aber ich habe ein breites Fenstersims. Und das ist mir schon seit langem ein Dorn im Auge. Es macht einfach nichts her, dieses leere Betonding. Das wird mir wieder mal klar, wenn ich all die herausgeputzten Balkone rundherum sehe. NEID! 
Ausserdem wird das Sims manchmal als Aschenbecher und Biertisch missbraucht, da ich im Hochparterre wohne und man es drum gut erreichen kann, wenn man sich auf die Zehenspitzen stellt. Andere schaffen es sogar, ganz raufzuklettern, das wurde mir schlagartig klar, als mal so ein Grüsel in meinem offenen Fenster hing, gerade, als ich nackt aus der Dusche kam. Er war zum Glück auch sofort wieder weg, freiwillig. Ich hoffe immer noch, das lag an meinem spitzen Schrei und nicht an meinem Anblick.

Das Sims ist also nicht nur hässlich, sondern auch noch gefährlich. Dem nächsten Perversling und den nächsten besoffenen Rauchern will ich es deshalb etwas schwerer machen.
Es müssen also Blumen her. Aber ich habe nicht nur keinen Balkon, ich habe vor allem auch keinen grünen Daumen. In meiner Wohnung gibt es nur Kakteen, die brauchen kaum Zuneigung und noch viel weniger Wasser. Alles andere stirbt mir sofort ab. Okeeeee, die Kakteen zwar auch ab und zu. Ich bin mir aber sicher, das liegt nicht an mir, sondern an der zuständigen Gärtnerei, die die armen Sukkulenten natürlich völlig überzüchtet und somit anfällig für Krankheiten macht. Jaja!


Ich kann einfach nicht so mit Pflanzen. Ich erinnere mich noch an den Zwischenfall mit den frischen Sonnenblumen während meiner Innendekorations-Feng-Shui-Phase in meiner ersten Wohnung in Zürich. Ich hatte die voller Stolz in einer riesigen Vase mitten in der Stube drapiert. Nur dumm, dass ich danach drei Wochen in die Ferien fuhr und die armen Blümchen dabei völlig vergass.
Abgestorbene Sonnenblumen in abgestandenem Sonnenblumenwasser - es gibt fast keinen ekligeren Gestank! So werden wohl biologische Waffen hergestellt!! Ich bin mir ziemlich sicher, ein paar Tage länger und meine Nachbarn hätten die Polizei alarmiert, weil sie in meiner Wohnung eine modernde Leiche vermuteten. 

Anyway. Was war, das war. Man muss ja schliesslich in die Zukunft schauen, nicht wahr?
Ich schleppe also drei Töpfe Blumen vom Migros nach Hause - ja, schleppe, denn ich hab ja kein Auto. Fragt mich nicht, was für welche. So verschiedene bunte und einen grossen Busch weisse, halt. Dazu noch Mini-Peperonis. Dann ess ich vielleicht auch endlich mal Gemüse, wenn das schon vor meinem Fenster wächst, denke ich. Ausserdem waren sie Aktion.
Schon an der Kasse im Laden treffen mich die mitleidigen Blicke der anderen Kunden. 'Oh Gott, wie bringt die Tussi das riesige Gestrüpp bloss nach Hause?', lese ich ihre Gedanken. Ja, weiss ich auch nicht. Grosse Tüten haben Sie an der Kasse jedenfalls nicht, ich muss sie noch extra teuer dazukaufen.  Ausserdem ist die Kassiererin not amused, weil ich mit den frisch gewässerten Pflanzen alles volltropfe - ja, sorry, hab auch nichts dafür, wenn sie hier zwar Topfpflanzen verkaufen aber keine Töpfe dazu! Ganz toll überlegt, bravo, Duttweiler würde sich im Grab umdrehen, echt!!
Einpacken hilft mir die Kassiererin grad auch nicht. Es ist aber noch schwierig, mit nur zwei Händen so einen  Riesenbusch hochzuheben und gleichzeitig noch die Tüte aufzuhalten. 
Interessiert keinen.

Naja, irgendwie bring ich das ganze Grünzeug dann doch noch nach Hause, hallelujah. Zum Glück hab ich irgendwo im Schrank auch noch eine Auswahl an Übertöpfen von meinen vergangenen (und  allesamt missglückten) Gummibaum- und Orchideen-Versuchen. Sie passen, wenn ich ein bisschen würge. Ich stelle mein Werk schön symmetrisch geordnet auf mein verhasstes Fensterbrett - und bin sogar zufrieden. Sieht hübsch aus!
Ich schiesse ein Foto und whatsappe es meiner Mutter. Sie beginnt fast zu weinen, denn sie hat fast 40 Jahre lang dafür gekämpft, dass ihre Tochter endlich mal Blumen vor ihre Fenster stellt, wie sich das für einen richtigen Schweizer Haushalt schliesslich auch gehört! 
Ich bin ein bisschen stolz. Vielleicht gibt es wirklich noch Hoffnung für mich? Nach den Blumen kommt vielleicht endlich auch noch das mit dem Kochen ("Mami, ich lüüte zrugg, ich bin am Znacht ässe" - "Ou, was git's Feins?" - "Es Pack Guetzli."), mit dem Früchte essen (zu Besuch bei meinen Eltern, Mami: "Lueg, ich han ganz vill Öpfel/Bire/Orange/Kiwis/Pfirsich/Aprikose kauft, das isch mega gsund! Wottsch chli? - "Nei, wäh!" - "Die sind mega guet! Vitamine! Bisch sicher?" - "Ja. Kei Hunger." - "Im Tüüfchüehler hät's no Gla..." - "Vanille, gern!") und mit dem Kleider-nach-dem-Waschen-richtig-aufhängen-dann-zerknittern-sie-nicht ("Bitterbös, die Hose gsehnd uus, als hett sie e Chueh i dä Schnorre gha! Wie häsch sie dänn ufghänkt?" - "Wieso ufghänkt...?").

Jedenfalls, ich hab jetzt mein Fenstersims schön. Das kann easy mithalten mit all diesen Frühlings-Balkonen in meiner Nachbarschaft, ätsch! Ich bin weit und breit das einzige geschmückte Hochparterre - and proud of it!
Und ich freu mich an meinem kleinen urban garden, solange ich kann. Denn ich weiss schon, dass mindestens die Peperonis mindestens einmal geklaut werden - Kreis 4 halt. Sorry, wenn mir hier schon zwei schrottreife Velos (ich hoffe, die Bremsen haben bei der Talfahrt versagt, du Arschloch-Dieb!) und meine bestellten Druckerpatronen aus dem Briefkasten abhanden kamen (und das nächste Mal kannst du die Verpackung im Fall im Abfall entsorgen und nicht auf dem Trottoir - und ich hoffe, du hast zu Hause gemerkt, dass du Canon hast und nicht HP!), warum sollten dann leckere, reife Mini-Peperonis verschont bleiben? Die Menschen haben keine Würde mehr.

Ich hoffe, dass dem Dieb dann wenigstens noch mein Riesenbusch weisse Blümchen samt Übertopf auf den Kopf knallt. 
Mami hätte auch Freude. 




Dienstag, 26. April 2016

48 Nur so

Teller in der Küche fallen lassen. Teller zerspringt in tausend Teile.

Neuen Teller kaufen gehen. Tüte mit Teller drin im Bus nach Hause fallen lassen. Teller zerspringt in tausend Teile.

Jep, kann ich.

Wollt ich nur mal gesagt haben.
Danke.

Weitermachen!


Montag, 11. April 2016

47 Mein innerer Garten

Pünktlich zu meiner Rückkehr von meiner kleinen Weltreise wird es in Zürich endlich Frühling. Die Sonne scheint (meistens), man kann den dicken Mantel langsam im Schrank versorgen, die Vöglein pfeifen, die Strassencafés füllen sich, alle haben wieder bessere Laune...

... ausser ich.

Nun, für alle da draussen, die sich nur in der schönen Scheinwelt von Facebook und Instagram bewegen: das RICHTIGE Leben kann eine ganz schöne Bitch sein, im Fall! Manchmal lauert es grinsend hinter der Tür, bis man so schön entspannt und nur mit den besten Absichten nach Hause kommt - um einen dann anzuspringen und die Büchse der Pandora zu öffnen und einem damit alles zu versauen. 
Noch fieser, wenn diese Bitch einem mit der Büchse schon lange vor der Heimkehr unter der Nase rumfuchtelt, man aber genau weiss, dass sie erst aufgeht, wenn man wieder in der trauten Umgebung ist. 

Ich langweile euch nicht mit Details. Ich sage nur so viel: manchmal kommt nicht nur eine Scheisse. Manchmal kommen ganz viele Haufen miteinander.

Also gehe ich nach den drei Monaten Ferien nicht brav zurück ins Büro, sondern direkt zum Arzt. Der geift auch sofort nach einem Blutdruckgerät, als ich die Praxis betrete, denn er kann wohl kaum glauben,  dass das, was er da sieht, lebendig ist. Nun, ich muss zugeben, ich habe mir ganz entgegen meiner sonst ausgeprägten Eitelkeit auch absolut keine Mühe gegeben, wie ein Mensch auszusehen: Trainerhose, die Haare in alle Richtungen, keine Schminke, nicht mal Pickel abgedeckt - eigentlich dachte ich immer, ich würde mich erst so gehen lassen, wenn ich tot bin. 
Das Blutdruckgerät meint aber, ich sei noch am Leben, jedenfalls ein bisschen. Ich solle unbedingt mehr Kaffee trinken, meint der Arzt - WITZIG! Ich schlafe ja eh schon seit Wochen nicht mehr!

Es folgen die Standardfragen.
Drogen?
Alkohol?
Wollen Sie sich umbringen?

"Sogar dazu bin ich zu müde!"

Er findet es sogar ein bisschen lustig. Allerdings findet er es auch wichtig, dass sich das sofort ändert.  Also, nicht, dass ich Energie finde, um mich umzubringen, sondern, dass ich einfach wieder schlafe. Allerdings will der Arzt mich dafür nicht gleich zu einem Junkie machen. Er schlägt mir deshalb diverse Hausmittelchen vor:

Fussbäder ("Nehmen Sie Bergamotte, das riecht fein!"). 
Pffffff. Eigentlich müsste ich da schon vor reiner Langeweile einpennen. Tu ich aber nicht. Und entspannter bin ich mit nassen Füssen auch nicht. Der Duft ist mir egal. NEXT!

Schlaftee. 
Nur mit sehr viel Zucker geniessbar. Ist glaub ich nicht Sinn der Sache, aber naja. Ausserdem HASSE ich Tee! Den kann man sich von mir aus auf Ekzeme schmieren oder auf geschwollene Augen drücken, aber nicht trinken! NEXT!!

Jetzt kommt es ganz dick. Der Arzt drückt mir eine CD in die Hand: "Mein innerer Garten". Oh. Mein. GOTT! Seriously? Ich habe keine Lust, meine inneren Rosen zu pflücken und Beete zu wässern. Ich lege die CD gar nicht erst ein. 

Ich hab genug von dem ganzen gesunden Zeugs. Ich will Pillen. 
"Nehmen Sie aber erstmal eine halbe!". Nehm ich nicht. Aber ehrlich gesagt, nützt auch die ganze Dröhnung nichts. Scheisse, nicht mal auf die Chemie kann man sich verlassen heutzutage! 

Nun, trotzdem schlafe ich jetzt wieder. 
Was geholfen hat? Die Zeit, nehme ich an. Die Zeit heilt alle Wunden, heisst es ja so schön. Naja, vernarben tun sie jedenfalls alle. 
Hmmm. Alle? Wirklich alle? Also, auch diese offenen Wunden? Die, die immer so triefen? Die man so von Maden ausfressen lässt, damit sie sich nicht entzünden?

Ok, ich schweife ab. 

Jedenfalls: danke, Leben, du elende Bitch, dass du das Gefühl hast, ohne deine scheiss Überraschungen und Stolpersteine wäre mir langweilig! NOOOOTT!!!!!
Richte dir doch ein Facebook-Profil ein, wenn du so unbedingt jemanden quälen willst!

"Mein innerer Garten". 
Pffff.
Never again! 

Montag, 28. März 2016

46 REISESPECIAL: A ruivinha do crack

Brasilien.
Die letzte Station auf meinem Trip. Und es ist schon jetzt fast ein bisschen wie Nachhausekommen. Denn in keinem anderen Land war ich in den letzten Jahren so oft und so lange. Mittlerweile hab ich hier Freunde, Portugiesisch ist meine Lieblingssprache und Rio mein Herz.

Ok, Recife allerdings weniger. 
Da war ich schon mal, die Stadt am nordöstlichen Zipfel des Landes haute mich damals nicht grad um. Keine tolle Strandpromenade, kein Zuckerhut, kein Körperkult, mandioca, also Maniok, heisst hier nicht aipim, sondern macaxeira („Noch fein, dieses macaxeira, aber aipim find ich besser.“ – „Äähh, das ist dasselbe, Bitterbös.“ – „Ups. Aber mandioca könnt ich auch wieder mal... – „Du ISST das grade!“ – „Ok...“), Schwimmen kann man auch nicht, weil man sonst von einem tubarão, also Hai, gefressen wird (haha, aber nicht von so einem grossen wie vor Südafrika, ätsch!!), und ausserdem wurde ich in Recife das erste und bisher einzige Mal auf Reisen beklaut (iphone und Kamera, wollte dir auf diesem Weg nochmals Arschloch sagen, unbekannter Dieb!). 
Ok, dafür ist der Carneval der Stadt super, kann ich bezeugen. Und das Flugi nach Fernando de Noronha, das Inselparadies schlechthin, geht auch von dort. Aber sonst? Nö.
Trotzdem verbringe ich also einen ganzen Monat in Recife, freiwillig sogar. Der Grund: ich will auf dieser Reise mal nicht nur faul am Strand liegen, Tiere kucken, fressen und Touri sein, ich will auch mal geben und mich mit den weniger schönen Seiten eines Landes beschäftigen.
In einem Kinderhilfsprojekt will ich mich engagieren, und eines gefunden, das mich auch lässt, habe ich nun halt mal in Recife.
Also. 

Kinder sind jeweils das schwächste Glied in der Gesellschaft. Wehrlos und verwundbar, unschuldig an der Misère, in die sie hineingeboren wurden. Wenn man grundlegend etwas an einer Gesellschaft ändern will, dann muss man bei den Kindern ansetzen, denn sie sollen es mal besser machen als ihre Vorfahren. Und genau das macht das Hilfsprojekt: es hält Kinder, die in Armut und ohne Optionen aufwachsen müssen, von der Strasse, von der Kriminalität fern. Es bietet ihnen die Möglichkeit, sich zu entwickeln und ihre Fähigkeiten zu entdecken. Die Kinder können dort gratis Musikstunden nehmen, sich im Puppentheater besser ausdrücken lernen, sich beim Sport austoben, in Lesezirkeln über Literatur diskutieren oder gesund kochen. Es werden ihnen Regeln beigebracht, sie müssen putzen und aufräumen, dürfen nicht fluchen, nicht handgreiflich werden, müssen regelmässig zur Schule (aber die ist leider unter aller Sau, mit 10, 11 können diese Kids meist immer noch nicht lesen und schreiben, aber das interessiert den Staat offensichtlich nicht, wer in Brasilien eine gute Ausbildung will, soll halt  hinblättern, pffff!). All das, damit sie nicht aus lauter Perspektivlosigkeit mit Drogen dealen oder sich gegenseitig erschiessen, sondern merken: mit Willen und Disziplin kann ich mir was Gutes aufbauen. Warum nicht Köchin werden? Oder Lehrer? Ich schaff’s, wenn ich will, mein Leben kann schöner sein als das meiner Mutter, die arbeitslos mit 7 Kindern in der Gosse sitzt, während mein Vater im Gefängnis vergammelt! Ausserdem, und das ist genauso wichtig: die Kinder können im Projekt regelmässig essen und duschen – das ist bei ihnen zu Hause oft nicht möglich. Schon gar nicht, seit Brasilien in der Rezession ist.

Ihr Zuhause. Ja, das ist so eine Sache.
Ich gehe mit ein paar Sozialarbeitern mit, die Familie eines Mädchens besuchen. Es ist nicht meine erste Favela, aber mit Abstand die übelste. Das ist nicht mal eine Hütte, das ist eine Ruine! Null Infrastruktur, nicht mal Wasser, kaum Möbel, rundherum nur Abfall und Trümmer, und kein Schutz gegen diese unsägliche tropische Hitze! Ich weiss nicht, wie die Kleine mit ihren 10 Geschwistern dort drin Platz hat, wo sie alle schlafen, aufs WC gehen... Und ich weiss nicht, wie man in so einem Dreck gesund bleiben kann, aber diese Kinder sind tatsächlich alle so fit und munter, aufgeweckt und fröhlich, ich staune immer wieder.
Nun, einer der Sozialarbeiter bricht in Tränen aus, als er diese Zustände sieht....

Ich besuche aber nicht nur Favelas, ich rühre auch schon mal in der Küche des Hilfswerks in riesigen Töpfen, schöpfe Essen aus, mehrere Dutzend Mal pro Tag, bis mir fast der Arm abfällt und befasse mich vor allem mit PR. Zusammen mit einem Filmer produziere ich Videos für den hauseigenen youtube-Kanal. Meist muss ich grad selber vor die Kamera, denn so viele gringos gibt’s nicht in Recife, und kaum wer spricht Fremdsprachen. Ich als Exotin bin also gutes PR-Material oder „muito chique“, wie es der Chef des Projekts ausdrückt. Wenn er mich nicht gerade liebevoll „rothaarige Crackhure“ nennt („a ruivinha do crack“, auf Portugiesisch klingt das echt sooo viel romantischer!). Denn etwas haben die Leute im Hilfsprojekt und ich, die gringa, gemeinsam: nicht alle Tassen im Schrank.

Nur, weil man den ganzen Tag traurige Schicksale um sich herum hat oder selber eines ist, heisst das in Brasilien noch lange nicht, dass man das Leben nicht geniessen kann – und irgendwie liebe ich genau das an diesem Land! So gibt es den ganzen Tag viel zu lachen,  („Ey, Cesar, lagst du am Wochenende wieder in deinem Tanga am Strand?“ – „Jaja, klar, du bist gläubige Evangelikale! Am Morgen Kirche, am Abend Koks!“ – „Bitterbös, Touris hier schleppen normalerweise gut gebaute Schwarze ab und saufen Caipirinha, wieso rührst du in einer Suppe für Arme??“)
Und schuld am Stromausfall  sind Dilma und Lula und die Korruption.
Einmal sind wir zu dritt im Auto unterwegs. Die Strasse, wo wir eigentlich durchmüssen, ist gesperrt, wegen einer Anti- oder Pro-Lula-Demo, ich habe den Überblick verloren. Meine beiden Begleiter haben keine Lust, das ganze Quartier zu umfahren. Also winken sie kurzerhand einen Polizisten von der Absperrung heran und erklären ihm: die Gringa ist gaaaaaannnz fürchterlich krank, schlimme  Schmerzen, wir müssen dringend da durch ins Spital, die macht’ s nicht mehr lange. Und dann schauen mich alle plötzlich ganz gespannt an, und ich so geistesgegenwärtig und vier Jahre Schauspielschule sei Dank: „Au, aaaaaauuuuu, aaaaaaaaaahhh...“ und Augenverdreh und Stossatmung und Bauchreib, das ganze Programm halt. 
Nun, sie lassen uns durch.

Und so hab ich Recife doch noch liebgewonnen. Gar nicht so schlimm hier, ganz gut sogar! Ok, das System mit den Bussen kapier ich immer noch nicht so ganz. Einmal merke ich erst an der Endstation in einer sehr zwielichtigen Favela, dass mich der Bus nicht an den Strand bringen wird. Und er fährt auch nicht mehr zurück, also schon, aber in zwei Stunden erst. Ich also in den Supermarkt gleich neben der Station, und der Typ an der Kasse kriegt sofort die Krise, als er mich sieht. Was ich als Ausländerin denn hier verloren hätte, ich solle mal schön im Laden bleiben, da draussen sei es für mich gefährlich, er werde mir einen Transport organisieren. Um die Wartezeit zu überbrücken, gibt er mir Guetzli und Wasser, und schliesslich werde ich auf einem Motorrad zum nächsten Taxisammelpunkt kutschiert. 
Tipptopp umsorgt in der Gefahrenzone, welcome to Brasil! Wären nicht an sämtlichen Kassen dieses Landes die Warteschlangen so unsäglich lang und erhielten ALLE Kinder eine vernünftige Ausbildung, ich hätte hier nichts auszusetzen.

Aber jetzt sitz ich im Flugzeug nach Zürich, das ganze Handgepäck voller bolo de rolo als Mitbringsel, mein Körper übersät mit ungefähr 50 Mückenstichen (die Arschlöcher interessiert mein Spray überhaupt nicht!!!) und hab grauenhaft saudades. Nach macaxeira. Nach den gefühlten zwei Dutzend Kindern, die sich jeden Morgen an mich dranhängen, sobald ich das Gebäude des Hilfsprojektes betrete („Tia, tia, sag meinen Namen in deiner Sprache! Victoria!“ – „Äh, Victoria.“ – „Und Andriely?“ – „Andriely.“ – „Edmilson!“ – „Edmilson.“) Nach den tief philosophischen Gesprächen mit meinen beiden Mitbewohnerinnen in der WG, des nachts im Innenhof („Wenn mir einer was Schlechtes tut, vergesse ich sofort, wer er ist. Mein Gehirn radiert dieses Gesicht einfach aus.“ – die Glückliche, ICH möchte dem jeweils eins in die Fresse hauen!). Nach der jungen Katze des Hauses, die mir jedes Mal die Wäsche vom Ständer reisst, wenn ich sie zum Trocknen aufgehängt habe – ich bemerke es jeweils spätestens dann, wenn sie mit meinem BH auf dem Kopf angerannt kommt. 

Aber ja: alles hat ein Ende, die einzige untrügliche Wahrheit dieses Lebens.

Die Bilanz nach drei Monaten Reisen:
Ein Gottikind mehr.
Das Budget nur um 1000 Franken überzogen.
Nie beklaut worden, aber teures Freitags-Täschli fürs iphone verloren, plus ein paar Jeansshorts.
Es geschafft, mit ein paar falschen Handgriffen sämtliche Musikdateien auf all meinen elektronischen Geräten zu löschen.
Zweimal Grippe, einmal Dengue, ein erdbeergrosses, ÄUSSERST ENTSTELLENDES Gerstenkorn, wohl bald Diabetes.
Und wie immer nach Reisen das Gefühl, ich müsste mein altes Leben zu Hause komplett über den Haufen werfen.

Aber wahrscheinlich lieg ich eh erstmal wieder mit Dengue flach. 
Oder Zika. 
Chikungunha.

Whatever.

Züri, dänn halt. A ruivinha do crack ta chegando!

Mittwoch, 9. März 2016

45 REISESPECIAL: Kitty cat in der Wüste

Abu Dhabi.
Es ist Abstimmungssonntag in der Schweiz, und damit ich gar nicht erst teilnehmen kann an diesem ganzen Geschimpfe in den sozialen Medien über die Durchsetzungsinitiative, schick ich mich in die Wüste. Wortwörtlich.

Ich persönlich finde ja, in diesen Vereinigten Arabischen Emiraten kann man nicht viel mehr machen als Wüste kucken, Strand und Shopping. Aber letzteres untersagt mir mein Budget und mein übervoller Rucksack eh, ausserdem muss ich nicht den ganzen Tag in diesen riesigen, supermodernen Einkaufszentren rumhängen oder dort sogar noch Skifahren. An den Strand hab ich grad keine Lust, krieg nur Sehnsucht nach den Weissen Haien in Afrika. Überhaupt bin ich grad stinkend faul, 2-Monats-Reisekoller, und die Formel 1-Strecke interessiert mich auch nicht so.
Also, eben, ab in die Wüste, und die ist ja wirklich eindrücklich. Sand, Sand, Sand, so weit das Auge reicht, vom Wind in mysteriöse Formen geblasen, wie gespenstische Mondlandschaften. Ich glaube, hier haben sie den neusten STAR WARS gedreht (love it!!!) - und ich schwör, ich steige das erste mal aus dem Jeep und dann liegt vor mir doch tatsächlich ein Kamm im Sand! "Comb the desert!!", kennt ihr? Geiler Zufall oder irgendein anderer SPACEBALLS-Fan war am Werk.
Gut, aber wer hinterlässt schon reinen Gewissens Abfall in der Wüste?? Ok, leider so einige, wie ich feststellen muss.


Ansonsten kann ich betreffend meines kurzen Stopovers in Abu Dhabi eigentlich nur noch von zwei interessanten Zwischenmenschlichen Begegnungen berichten:

Zum einen ist da der ältere Mann aus Kuwait, mit dem ich den Lift in meinem Hotel teile. Er trägt eines dieser traditionellen, bodenlangen Gewänder und einen Turban auf dem Kopf. Sofort will er wissen, woher ich komme und was ich mache. Er arbeite nämlich beim Fernsehen, und ich könne doch gleich mitkommen auf sein Zimmer, er mache dann ein paar Aufnahmen.
Ich will aber nicht berühmt werden und sage dankend ab.

Zum anderen ist da der quirlige Taxifahrer aus Bangladesch, der mich ins Yas Shopping Center bringt (nur kurz kucken, nix kaufen!). Wir diskutieren über Vor- und Nachteile der arrangierten Ehe, wie sie in seinem Land üblich ist. Ok, zuerst zwar noch über "Kitty cat. Kitty cat! You know? Kitty cat? Football, Tennis, KITTY CAT!!!!"  - "Oh, you mean 'Cricket'! No, that's not really popular in Switzerland...." 
So viel zu dem. 
Aber diese ständigen Partnerwechsel bei uns modernen Christen, die würden doch nicht glücklich machen, ist er überzeugt. Eine Person heiraten, die die Eltern ausgesucht haben, noch viel weniger, finde ich (und denke dabei an den Geschmack meiner Eltern - meine Mutter kuckt BERLIN - TAG UND NACHT, sollte das etwa Vertrauen in mir wecken, was die Auswahl eines Mannes für mich betreffen würde??). Der Taxifahrer sagt, seien die Eltern zufrieden, seien es die Kinder doch auch. Und wenn die Ehe wirklich so schrecklich sei, dann könne man sich ja immer noch scheiden lassen, was in Bangladesch aber viel seltener nötig sei als bei uns Westlern. Voller Stolz erzählt er mir dann noch von seiner Tochter und seinem Sohn. Ich frage ihn, ob er denn vollkommen glücklich sei mit der Situation. "Yes!", schiesst es ohne eine Sekunde zu zögern aus ihm heraus. 
Und ich glaube ihm sogar.

Hmm.
So nach längerem Nachdenken komm ich tatsächlich zum Schluss, dass ich mir wohl so einige Nerven und Tränen hätte sparen können in meinem Leben, hätten mir meine Eltern damals einfach eine Ehe arrangiert - inklusive Scheidung.

Anyway. Die Abstimmung ist durch, jetzt können wir auf Facebook endlich wieder Katzenvideos posten, und in Abu Dhabi wartet mein Flug nach Brasilien.