Montag, 11. Mai 2015

25 Tschokolatschi

Was hatte ich in meinem letzten Post geschrieben? Ich verstecke meine Fettpölsterchen unter den Klamotten?

Naja, ok, schon manchmal. Aber ich gebe zu: das mache ich nur sehr ungern. Ich bin eine Frau, ich bin eitel, ich will nichts verstecken müssen. Ich will mich nackt vor dem Spiegel absolut super fühlen. Ich will in einem superknappen Bikini den Strand entlangrennen und nichts an meinem Arsch, meinen Beinen oder meinem Bauch bewegt sich, ja, natürlich will ich den perfekten Körper, hallo? So Gisele Bündchen-mässig, ganz klar!!

Ok, gut, das kann ich vergessen. Zu hohes Niveau. Ich geb mich also schon zufrieden mit einem normalgewichtigen Körper, an dem nicht zuviel hängt und schlabbert.
Denn um mich zu kasteien, bin ich einfach zu faul. Ich fresse zu gerne und hasse Sport.

Aber überall wird einem ja gepredigt, dass ohne Bewegung nichts läuft. Schon gar nicht in einer Stadt in Zürich, die ja irgendwie die schlankste der Welt ist oder so. Alle rennen hier rum in ihren Jogging-Outfits und Yoga-Matten, schwimmen quer durch den See oder erklimmen den Üetliberg zu Fuss. 
Nicht meins. 
Aber natürlich nagt auch an mir das schlechte Gewissen:
Was machst du denn, Bitterbös, wenn deine Gelenke total einrosten? Dein Herz verfettet? Wenn du voll die Rückenschmerzen kriegst? Oder nicht mehr die eine Treppe zu deiner Wohnung raufkommst, weil du keine Puste mehr hast? Und noch schlimmer: wenn du dann die einzige bist in Zürich, der es so geht???
 Also, und somit quäl ich mich dann eben doch ab und zu ins Fitness. Genauer gesagt ins Tanz-Studio, denn ohne Gruppenzwang geht's nicht. So ganz allein beim Bankdrücken würde ich mich schon nach drei Minuten wieder davonschleichen, aber inmitten einer Horde voll topmotivierter Zumba-Girls gibt's kein Entrinnen. Und auch den Augen des brasilianischen Instruktors (natürlich mit perfektem Sixpack und zwei stahlharten Pobacken, die ohne Anstrengung Nüsse knacken - was auch den Fakt erklärt, dass seine Kunden nur weiblich sind oder schwul) entgeht nichts: "Wo seien eure Hufte, schon in Pension??? Und wo ihr habt die Armen?? Zu Hause??? Keine Tschokolatschi mehr!!"
Ja, und dann sehe ich mich da in der verspiegelten Wand so rumhampeln, und es sieht leider überhaupt nicht so aus wie in dieser Zumba-Werbung im Fernsehen, wo der ganze Saal perfekt synchron mittanzt und alle die Schritte aus dem FF beherrschen und keiner einen Fehler macht. Ich bin zum Glück selten die Schlechteste, aber auch weit von der Besten entfernt. Meine Performance erinnert mich jeweils an eine Mischung aus Riverdance und Sackhüpfen. Und zum Glück übertönt die laute Latino-Techno-Musik mein verzweifeltes Geschnaufe.

Aber ja, es macht Spass. 

Also, manchmal. 

Ok, selten. 

Naja, es ist eigentlich ganz gut aushaltbar. 
Wenn man von dem ganzen Geschwitze absieht. Vom Brennen in den Oberschenkeln.  Und vom quälenden Gedanken, dass man jetzt doch eigentlich auch ganz gemütlich im Bett liegen könnte.

Einmal verirrte ich mich im Tanz-Studio in eine Stunde, unter dessen fancy-englischem Titel ich mir gar nichts vorstellen konnte. Aber ich merkte sehr bald: das musste übersetzt "Stirb langsam und qualvoll" heissen. Wir mussten da wie die Wilden auf so einen Stepper rauf- und wieder runtersteigen, rauf und runter, so ca. 53'981mal, die Knie gefälligst schön hochziehen, und natürlich im Takt der Musik, der nicht gerade langsam war. 
Und wer nun glaubt, das sei schon Folter genug - neeee-heeeeiiiiinnn, you wish! Zwischendurch mussten wir das Ganze noch mit Hanteln machen, rauf auf den Stepper, runter und dazu die Arme mit den Gewichten in alle Himmelsrichtungen strecken. 
Ich wollte wirklich sterben, und zwar freiwillig! Aber diesen Gefallen machte mir die Instruktorin nicht, denn ihre Palette an Folterinstrumenten war noch lange nicht aufgebraucht. Als nächstes mussten meine Leidensgenossinnen und ich uns auf so ein Gummiband stellen und die Enden bis unter die Brust hochziehen, und das auch mindestens 4302mal.
Als wir uns gegen Schluss dann endlich alle auf unsere Matten legten, schöpfte ich wieder Hoffnung, und meine Lebensfreude kehrte ein bisschen zurück. Aber ich freute mich zu früh, denn wir durften nicht ausruhen, sondern mussten Situps und Liegestütze machen.

Ich wusste gar nicht, dass ich so viele Muskeln habe, und dass die alle schmerzen können. Aber ich lernte das, am Tag darauf.

Aber ja, doch, es macht schon Spass. Moll. Sport ist schön.
Also, immer hinterher, wenn man rauskommt und sich zu Hause nackt vor dem Spiegel einbildet, man sehe nach einer Stunde Zumba schon die positiven Effekte. Und wenn man nicht mehr ganz so ein schlechtes Gewissen haben muss, wenn man sich mit zwei Tafeln Tschokolatschi aufs Sofa fläzt.



Mittwoch, 22. April 2015

24 Sommer und der Rest

Es ist ja schon geil: kaum geht nach einem gefühlt unendlichen grauen und arschkalten Winter die Sonne wieder auf, erreichen die Temperaturen knapp den zweistelligen Bereich über 0 und riecht es ein kleines bisschen nach Frühling - schon nehmen viele in dieser Stadt ihre Sommerkleider aus dem Schrank: Trägershirt, Flip-Flops, kurze Hosen und Röcke, dazu die obligate Sonnenbrille.
Und natürlich geniesst man nun auch wieder die Mittagspause draussen, kaut sein Sandwich an einem Tischchen auf dem Trottoir vor dem Café und geniesst auch sein Feierabendbier dort. Oder schleppt den Gasgrill auf den Balkon, um den ersten Cervelat des Jahres an der frischen Luft zu braten. Die ganz Mutigen gehen sogar schon zur Feuerstelle im Wald. Und die ganz ganz Mutigen springen  schon in die Limmat für einen erfrischenden (=tieffrierenden) Schwumm, und zwar nicht etwa im schützenden Neopren-Anzug, sondern in der Badehose.
In der NEUEN Badehose, wohl gemerkt, denn kaum zeigen sich ja die ersten Sonnenstrahlen, findet man in den Kleidergeschäften keine Jacken und Schals mehr, sondern nur noch Strandmode, T-Shirts, Hotpants und Sandalen.
"Entschuldigung, ihr händ doch da son es schöns, blaus Strickchleid gha..." - "Ou, Sie, das isch scho lang weg, das isch vo dä Winterkollektion gsi, jetzt hämmer d Summerchleider!"
Draussen ist es knapp 12 Grad, aber egal.
Und die neuen Klamotten müssen natürlich auch gleich vorgeführt werden, wahlweise zusammen mit dem fleissig trainierten Sommerbody, auf dem Laufsteg am See am besten, wo man sich auf dem mitgebrachten Tüechli auf der Chinawiese dem hellen Himmelskörper entgegenstreckt und den Schauer unterdrückt, der einem über die Haut läuft, wenn sich eine Wolke davorschiebt und es merklich kühler wird.

Ja, und wenn ich dann vorbeilaufe, so in meinem wattierten Kurzmantel, den Stiefeln und dem Schal, darunter die Fettpölsterchen versteckt, die ich mir über Weihnachten und Ostern angefressen habe (obwohl schokoladentechnisch bei mir eigentlich das ganze Jahr über Weihnachten und Ostern ist), bei jedem Windchen vor Kälte zitternd, ja, dann schallt es gleich von links und rechts in den grellsten Tönen: "Hey, neeeiiii, Bitterbööös, es isch im Fall huere warm!! Schwitzisch nöd?? Bisch chrank??!!"
Nein, bin ich nicht. Aber ihr seid es bald, all ihr hippen Frühlings-Sonnen-Anbeter in euren kleinen Fetzchen Stoff! Dann nämlich, wenn das Wetter von einem Tag auf den anderen wieder umschlägt, denn der April macht ja bekanntlich, was er will. Und plötzlich ist es wieder arschkalt und grau und es pisst, und dann höre ich sie alle klagen, ooohhh, Blasenentzündung, Grippe, Halsweh, Schnupfen!! Und der Frühling ist so schnell für sie vorbei, wie er begonnen hat, denn wahrscheinlich kommen sie gar nicht mehr aus dem Bett, bis das Wetter endlich konstant schön und warm bleibt, also bis im Juli oder so.

Für mich gibt es nur Heiss und Kalt, also Sommer und der ganze Rest. Die fette Jacke wird nicht in den Schrank gehängt, bis es draussen gegen die 30 Grad geht. Ich springe in kein Gewässer, wenn ich draussen vor Hitze nicht fast schmelze (und ehrlich gesagt ertrinke ich auch dann fast, weil ich mich vor lauter Schockstarre nicht mehr bewegen kann - übrigens auch im Hallenbad). Ich trinke meinen Kaffee an keinem Tischchen, auf den ein Baum oder ein Sonnenschirm Schatten werfen. Und das Träger-T-Shirt ziehe ich nur auf Reisen in den Tropen an oder in der Wüste.

Ja, man könnte tatsächlich behaupten, dass ich eine Memme bin. Ein "Gfröörli". Eine Tussi, eine Züri-Tussi.

Aber ich hab wenigstens nie Schmerzen beim Pissen.


Donnerstag, 2. April 2015

23 Lasst mich pennen

Zürich klönt. Alle sind müde. Jeder, den du triffst und mit "Hoi, wie gaaaaahhht's?" begrüsst, der hält dir einen Vortrag über seine Erschöpfungszustände. Das Wetter halt, jaja. Schlecht geschlafen. Zuviel Stress oder so. 
Und mir geht es genau gleich. Es gibt zur Zeit nur eine einzige Sache, in der ich wirklich gut bin, ja, sogar der Star, der Hero, da kann mir echt keiner was:

Und das ist Pennen.

Vor allem so seit Anfang Winter. Ich bin pausenlos am Arsch. Wirklich. Ich kann 14 Stunden pennen, 2 oder 7, das Gefühl ist immer dasselbe: leck, bin ich auf der Fresse!!! Ich sollte keine Marathons mehr laufen! Keine 4000er mehr besteigen! Keine wissenschaftlichen Arbeiten mehr schreiben bis tief in die Nacht!
Ah, Moment - das mach ich ja alles gar nicht...

Aber aus irgendeinem Grund bin ich einfach IMMER müde.
Sobald ich irgendwo irgendwie auch nur ein winziges Bisschen entspannen kann, fallen mir die Augen zu. Ich penne im Zug zur Arbeit, sobald mein Hintern den Sitz berührt. Der Zug ist übrigens immer fast einer später als der, den ich eigentlich hätte nehmen MÜSSEN, um pünktlich meine Schicht anzutreten. Aber ich komme morgens einfach nicht aus dem Bett, auch nach 15mal snoozen nicht.
Die Heimfahrt verpenn ich dann auch wieder. Ich schleppe ständig Zeitungen, Magazine und Bücher mit, um mich im Zug irgendwie zu beschäftigen, um eben mal NICHT einzuschlafen. Aber es wird immer mehr Lektüre und meine Tasche immer schwerer, ja, mittlerweile hab ich schon eine ganze fucking Bibliothek mit dabei, weil ich gar nicht erst zum Lesen komme! Erste Seite umgeblättert - Frau Bitterbös ist weg. Aus.

Ich penne im Job. Grossraumbüro, immer ein Gebrüll, Telefongeklingel, Druckergeknatter, Radiogeplapper - aber das stört mich nicht. In vermeintlich unbeobachteten Momenten kann ich meinen Kopf sinken lassen (die Hände lass ich dann immer extra noch so geschäftig auf der PC-Tastatur, damit auch ja niemand Verdacht schöpft) und kurz wegdriften. Peinlich wird's, wenn man dann so langsam vornüberkippt und sobald man's merkt, wieder aufschreckt. Aber ich bin mittlerweile schon so geschickt, dass ich auch das easy verstecken oder überspielen kann. 
An den Sitzungen sieht mein Gesicht so aus, als sei ich sehr aufmerksam anwesend und dabei, aber innerlich bin ich im Schlummerland. Ganz zu schweigen von den WC-Pausen. Nirgends lässt es sich so schön ungestört ein paar Minuten einnicken wie auf der Schüssel.
Und es ist übrigens auch nicht so, dass mich mein Job langweilen würde oder so, nein. Aber die Müdigkeit ist einfach stärker. 

Ich kann mittlerweile auch schon im Stehen pennen, ohne Scheiss. So im vollgestopften 31er-Bus. Ich halt mich an der Stange fest, schliesse kurz die Augen - und weg. 
Ah ja, und wenn ich nach Hause komme, egal, ob um 18 Uhr oder um 2 Uhr morgens, lege ich mich öfters einfach gleich in Strassenkleidern und geschminkt ins Bett, ich schaff's nicht mal mehr ins Bad. Am Morgen dann beim Blick in den Spiegel schaut mir jeweils ein Clown entgegen, so mit schwarz umrandeten Augen bis hinauf zu den Brauen und rotem Lippenstift, vom Kinn bis zu den Wangen. Hübsch. 
Und der Mundgeruch erinnert an eine Leichenhalle, in der das Kühlsystem ausgefallen ist, weil ich ja vor dem Schlafen nicht mal mehr die Zähne geputzt habe.

Ich penne in meiner Freizeit. Oh, toll, heute hab ich frei, was könnte ich denn so alles anstellen? Ah, ja, genau, im Bett bleiben, und zwar den ganzen Tag. 20 Stunden schlafen, und dazwischen höchstens  mal essen und aufs WC, das geht noch so knapp, aber sonst bloss nichts, wo man sich noch mehr bewegen muss, viiieeeelll zu anstrengend. 

Kurz: ich bin ein Zombie. Ich sehe so aus und fühle mich so. Mehr tot als lebendig. 

Erst dachte ich ja: es ist halt der Winter, kein Wunder, machen die Tiere Winterschlaf, die haben recht, die sind viel klüger als wir Menschen. Dann war der Winter vorbei und ich dachte: ganz klar, Frühjahrsmüdigkeit, easy. Das geht vorüber. 
Aber nee, geht es nicht. 
Also ging ich zum Arzt. Da muss doch irgendwas nicht mit mir stimmen! Der findet sicher was in meinem Blut, oder eben nicht, weil mir sicherlich gaaaanzz viel fehlt, so Eisen und Vitamine und Spurenelemente und Mineralstoffe und ich weiss nicht was. 
Dann kamen die Resultate:

Ich bin kerngesund.

Ich hätte nie gedacht, dass mir dieser Befund einmal sooo auf den Sack gehen würde. Gesund, seriously??!! Nicht mal zu wenig Eisen, nichts???!!! Dieser Arzt verarscht mich doch!!!! Und was mach ich jetzt???
"Sind Sie truurig, greizt, reged Sie sich schnell uuf?", fragt mich der Arzt. Nöö, nicht schneller als sonst. Motzen tu ich auch nicht mehr als immer. Bei mir wäre ja sowieso auch eher das Nicht-Motzen ein Anzeichen für suizidale Tendenzen, ich heisse Bitterbös, comprende?? Und ich bin nicht traurig, ich bin saumässig MÜDE, HERRGOTTNOCHMAL!!!!!!!!!!!

Was also könnte daran Schuld sein? Dasselbe wie bei all den anderen in dieser Stadt? Aber hey, ich bin mir sicher, ich bin noch viiieeeeeel müder als die! Ich kann viiieeeeeel länger pennen als die, da schlägt mich keiner, da bin ich voll der Hero!! Bei mir muss ganz sicher was ganz anderes dahinter stecken als bei allen anderen...

Ich muss darüber nachdenken.

Nach einem Mittagsschläfchen.