Es ist jeden Tag das Gleiche:
Nach dem Aufwachen erst mal die Wetter-App öffnen. Klar, auch heute wieder Piss angesagt, gleich mehrmals, natürlich. Aber wann genau, ich meine, so auf die Minute, das kann wohl auch der beste Meteorologe der Welt nicht prophezeien. Und falls ja, würde ihm sowieso keiner glauben. Ich auch nicht.
Also, mal aufstehen, fertig machen, Schminke rauf, Haare richten. Leichte Kleider an, denn das Wetter entspricht zwar nicht meinen Frühlingsgefühlen, aber die Temperaturen schon eher. Wenigstens etwas.
Dann der prüfende Blick aus dem Fenster und die Hand ausgestreckt. Ja, doch, grau, aber noch trocken. Sollte halten, jaja, bin ja schliesslich Optimistin, sagt ja schon mein Name, haha!
Dann also ein Jäckchen übergezogen, raus aus dem Haus (huuiii, ist doch noch bitzeli frisch!), rauf aufs Velo und lospedalt.
Der Hinweg geht meist gut. Das Wetter hält. Alles ok.
Aber auf dem Rückweg kommt dann jeweils die Quittung. Ganz unverhofft natürlich und erschreckend schnell:
Der Himmel öffnet seine Schleusen und das Wasser prasselt rücksichtslos runter auf die Welt. Und ich bin natürlich gerade erst wieder aufs Velo gestiegen. Absteigen, Velo stehen lassen, Bus nehmen? Neeeiin, neeeiin! Das schaff ich, wenn ich ganz schnell fahre, ist ja nicht weit! Komm, Bitterbös, tritt in die Pedale!!
Haha, "ganz schnell"! Zusammen mit dem Piss kommt natürlich auch noch ein fieser Wind, und natürlich von VORNE, woher auch sonst! Ich pedale wie bekloppt und komme kaum vom Fleck, ist fast wie auf dem Hometrainer. Dazu klatschen mir die Tropfen ins Gesicht, natürlich auch direkt von vorne, ist ja klar, und ich spüre, wie mir die Mascara von den Wimpern langsam in die Augen läuft. Und wahrscheinlich übers ganze Gesicht, danke auch! Ich sehe sicher aus wie der traurige August. Aber egal, ist ja eh niemand mehr auf der Strasse ausser mir. Die anderen haben sich schon längst in ihre Häuser geflüchtet oder unter gedeckte Bushaltestellen, oder sie sitzen im trockenen Auto, während das Wasser den Asphalt langsam dunkler und dunkler färbt. Ich bin schon ziemlich ausser Puste, dieser Scheisswind! Die Tour de Suisse gewinne ich so nicht, aber das passende Tenue trag ich schon fast, denn der Regen lässt meine Hosen schön eng an den Schenkeln kleben, sexy. Einmal mehr überlege ich mir, mir doch mal so einen hässlichen Regenmantel zuzulegen. Gibt's die eigentlich noch, diese gelben Zelte mit diesen furchtbaren Kapuzen, die so eine Mischung zwischen Ku Klux Klan-Masken und Amisch-Hauben sind? Die hatten in meiner Jugend alle Velofahrer. Aber ich weigerte mich stets, sowas zu tragen. Sorry, auch bei Scheisswetter muss man ja nicht auch noch sein letzte Bisschen Würde über den Haufen schmeissen.
Das Wasser tropft mir bereits von Haaren und Nase, meine Sicht ist getrübt und kalt ist mir auch. Aber ich pedale eisern weiter. Ich bin so hart, yes! Da vorne sehe ich schon meine Strasse. Wow, denke ich, war ja gar nicht so schlimm, soooo nass bin ich ja noch gar nicht - und da überholt mich auf den letzten paar Metern ein Auto, natürlich in einem Affenzahn, als müsste es vor dem Regen flüchten, weil es sich bei Nässe in seine Bestandteile auflösen könnte oder so. Und natürlich rast es dabei direkt durch die dreckige Pfütze, die sich in dieser Bodenwelle entlang des Mittelstreifens angesammelt hat. Und natürlich spritzt das hässliche Wasser rund anderthalb Meter hoch in meine Richtung und klatscht direkt auf mein helles Jäckchen (das glaub's nicht waschmaschinenfest ist) und auf meine helle Stoffhose und meine neuen Converse.
Und ich komm zu Hause an, nass bis auf die Unterhosen, überall schwarzbraun gesprenkelt, geschminkt wie der traurige August, Haare wie das Geistermädchen aus dem Brunnen in THE RING und mit einer üblen Scheisslaune.
Und während ich dann so meine Kleider in Vanish Oxy einlege, sage ich mir einmal mehr: Jetzt lern's doch einfach, der Böögg hat gesagt, es gibt keinen Sommer, glaub da nicht an Wunder, glaub nicht an Meteorologen, nicht an die Barmherzigkeit Gottes, Allahs oder Krishnas - nimm einfach künftig den Bus!