DIE WELT IST SCHLECHT, ODER EINE ZÜRI-TUSSI MITTE 40 GEHT MIT DEM LEBEN UM. Ein satirischer Blick auf den alltäglichen Wahnsinn und die Luxusprobleme eines Lebens in der coolsten Stadt der Schweiz, geworfen von einer Frau, die mehr oder weniger fest mitten im Leben steht. Was Frau Bitterbös beschreibt, hat sie wirklich erlebt. Nicht nur in Zürich, sie blickt regelmässig über den eigenen Tellerrand hinaus. Und hat eine Katze namens Godzilla.
Dienstag, 25. Januar 2022
146 Es kann ja nur noch besser werden
Dienstag, 14. Dezember 2021
145 Willkommen im Bünzlitum
Ihr wisst, wenn es länger ruhig ist um mich, dann hatte ich etwas Wichtiges zu tun.
War auch diesmal der Fall: Ich bin umgezogen. Bin immer noch in Tsüri, keine Angst. Einmal Tussi, immer Tussi. Vom Kreis 11 in den Kreis 10 – grosse Steigerung!
Und wie das so ist mit dem Umziehen: Es reisst einem den letzten Nerv aus. Und das letzte Nötchen aus dem Portemonnaie. Vor allem, wenn man/frau so wie ich zu faul ist, die Möbel selber zu schleppen und den Lieferwagen selber zu fahren.
Aber da fing es schon an: Die Zügelmänner kamen schön mal eine Stunde zu spät («Äh, sorry, ich han verschlafe!»). Trotzdem mussten sie nach jedem bisschen Schleppen eine Rauchpause und einmal sogar eine Snack-Pause im Denner machen. Fand ich arschig, sagte aber nichts, denn ich war froh, musste ich sie nur rumdirigieren, aber sonst keinen Finger rühren. Natürlich hatten sie auch die grosse Leiter nicht dabei, um die ich sie im Vorfeld AUS.DRÜCK.LICH gebeten hatte, denn meine Lampen hängen fucking hoch!
Preis-Leistung: Geht so, würd ich mal sagen.
Deutsch für Expats
Und dasselbe gilt übrigens für die Ex-Vermietung des Latinos, der zeitgleich mit mir zügelte. Aus der Liste der möglichen Nachmietenden, die er ihr brav geliefert hatte, wählte sie ausgerechnet DEN Typen aus, der kurz nach Erhalt des Mietvertrags spurlos untertauchte. Klaro, die Vermietung kann dafür nichts. Aber sie wartete zehn geschlagene Tage und auf einen sehr empörten Anruf von mir, bis sie reagierte und einsah, dass der Mietvertrag wohl nie wieder zurückkommen würde. Hätte ich nicht angerufen, wären sie heute noch am Warten – und der Latino am doppelt Miete bezahlen.
Warum ICH SEINE Vermietung anrufe, werdet ihr euch fragen. Ich mich auch. Das ist tatsächlich kein Hobby von mir, mich in die Angelegenheiten anderer Leute einzumischen. Allerdings musste ich feststellen, dass der Latino auf seine zahlreichen englischen Mails keine oder nur computerisierte Antworten auf Deutsch zurückerhielt, seine ebenso zahlreichen Anrufe auf Englisch wurden jedes Mal abgewiesen und er vertröstet. Da dämmerte es mir und ich versuchte mein Glück: Siehe da, ich wurde gleich beim ersten Versuch an die zuständige Person verwiesen. Und auf meinen Hinweis hin stellte diese auch tatsächlich fest: Der potenzielle Nachmieter hat seine Frist lange versäumt, ja, vielleicht müsste man/frau mal die nächsten Interessenten auf der Liste kontaktieren. Und so kam der Stein endlich ins Rollen, und der Latino konnte eine Stange Geld sparen. Die Entschuldigung übrigens: «Mir händ d Wiisig, dass mir in Züri nur uf Dütsch dörfed kommuniziere». Kleine Anmerkung: Es ist eine sehr grosse Schweizer Vermietung mit seeeehr vielen Expats unter Vertrag. Finde ich etwas seltsam, diese Weisung, tut mir sehr leid. Und sie ist auch kein Grund, einer nicht-deutschsprechenden Person die Auskunft einfach gänzlich zu verweigern, was hier ja ganz klar der Fall war.
Falls das hier jemand vom Kassensturz liest, wäre das vielleicht noch ein Thema so…?
Ich und der Dyson = Love
Aber genug gemotzt. Die Episode mit den neuen Möbeln, die natürlich auch nicht vollständig geliefert wurden (Nachttischlämpli ohne Nachttisch sind übrigens eher nicht so nützlich), erspare ich euch.
Gott, ich bin schon ein richtiger Bünzli!
Als nächstes rege ich mich wahrscheinlich darüber auf, wenn die Nachbarn den Karton für die Abfuhr schon einen Tag vorher rausstellen. Oder die Waschmaschine nach Gebrauch nicht säubern.
Ah scheisse, das bin ich ja alles selber. Aber zum Glück habe ich meine eigene Waschmaschine. Und sind die Kartons nicht mit Namen angeschrieben.
Hey, ich habe übrigens einen neuen Staubsauger, einen von Dyson! Sieht aus wie eine sehr ausgeklügelte Laserwaffe von Aliens, inklusive grünes Licht! Und wie gut der in der Hand liegt! Und kabellos! Seither sauge ich jeden Tag, ein Genuss!
Yep, absolut im Bünzlitum angekommen.
Vielleicht jetzt einfach mal nur so richtig schön entspannen vor dem neuen Cheminée.
Nö, geht natürlich auch nicht so richtig. Schon in der ersten Woche stieg der Kühlschrank in der neuen Wohnung aus. Und nicht alle Heizungen liessen sich regulieren: Je nach Raum hatten wir Dauersauna oder Sibirien live.
Und wisst ihr, was das Beste am Ganzen ist?
Ich hab Ferien. Bis Ende Jahr. Genau dann, wenn das scheiss Coronavirus wieder so richtig in Fahrt kommt, logo!
Jetzt sitz ich hier quasi in der neuen Wohnung fest. Was nicht so schlimm wäre, wenn ich wüsste, was mit mir anfangen – ausser Handwerker organisiere, natürlich. Aber sonst hab ich eben schon alles fertig eingerichtet, ganz Tik Tok durchgekuckt, mit allen Freunden Kafi getrunken und im Internet Schuhe bestellt. Auf alles andere hab ich gerade keinen Bock.
Zurück zum Glück
Der Latino geht langsam drauf mit mir. Auch dieses Luxus-Problem kann er gar nicht nachvollziehen. Ich könne doch irgendeinen Kurs machen oder spazieren gehen oder so (ja-haa, ER findet dieses Wetter super, ICH aber zum Kotzen).
Womit wir wieder beim letzten Post wären und der Frage nach dem Glück.
Danke übrigens für eure Zuschriften diesbezüglich. Es tut gut zu sehen, dass auch viele von euch da draussen mit dem Glück hadern: Objektiv gesehen haben wir alles, was wir brauchen und noch viel mehr. Und trotzdem streben wir nach NOCH mehr. Wenn das niemandem schade, sei es doch auch nicht undankbar, hat jemand von euch argumentiert. Das stimmt, es ist höchstens sehr anstrengend für einen selber – manchmal auch für das Umfeld.
Noch jemand schrieb mir, dass Glück kein fixer Zustand sei, sondern etwas Bewegliches, dass sich tagtäglich verändere. Heute fänden wir vielleicht das Leben super wie es ist, am nächsten Tag aber schon nicht mehr so. Jupp, das kenne ich auch von mir.
Ziehen wir also ein Fazit: DAS Glück gibt es nicht. Es ist so individuell wie der Mensch selber.
Für mich ist es grad der Dyson.
Und noch glücklicher wäre ich, wenn ich verhindern könnte, dass Godzilla ständig auf die Nachbarbalkone seckelt und dort rumschnüffelt. Ich seh es schon kommen: Steht irgendwann mal eine Tür dort offen, spaziert sie einfach rein, schlägt die Haustiere der Nachbarn ab und zerkratzt deren Sofas. Hallo, sie heisst nicht umsonst «Godzilla»!!
Bünzliger Nachbarschaftskrieg vorprogrammiert.
Habt ihr hier vielleicht Lösungsvorschläge, die nicht «Netz» heissen?
Freitag, 5. November 2021
144 Fingt ds Glück eim?
Neulich hatten der Latino und ich einen Streit.
Nein nein, freut euch nicht zu früh, es kommt jetzt keine ultradramatische Breakup-Story, so mit Geschirrwerfen, Türenknallen und Ehering an den Kopf Schmeissen und so (wir sind übrigens auch gar nicht verheiratet). Und ehrlich gesagt, war es auch kein richtiger Streit, mehr so eine sehr emotionale Debatte.
Squid Game ist schuld!
Und zwar ging es um das Thema Glücklichsein. Übrigens angeregt durch die Serie „Squid Game“ auf Netflix, die wir uns angeschaut haben. Achtung, Spoiler Alert: Wer sie noch nicht gesehen hat, sollte den nächsten Satz jetzt unbedingt überspringen!!!
Am Ende erklärt ja der alte Mann, warum es diese perversen Spiele überhaupt gibt – weil Stinkreiche extreeeeem gelangweilt waren. Geld macht also offenbar nicht glücklich. Kann ich voll nachvollziehen. Der Latino nicht, denn wer so viel Geld habe, könne doch machen, was er/sie wolle, das sei doch super. Mit Geld könne man/frau ja auch anderen Menschen helfen, alle Möglichkeiten stünden einem offen.
Ich sagte ihm, dass sich Superreiche sicher trotzdem innerlich leer fühlen könnten. Die Erfüllung lasse sich ja auch nicht einfach so kaufen. Viele wissen ja nicht mal, was sie erfüllen könnte.
Wir diskutierten so eine Weile, und irgendwann kam die Frage, ob wir selber denn glücklich seien?
Er ist es.
Ich bin es… manchmal? Nicht immer. Also, so grundsätzlich schon. Meistens. Es geht mir doch gut, ja. Aber es gibt Dinge in meinem Leben, die mich schon ab und zu belasten. Trotzdem lauf ich ja nicht den ganzen Tag gebückt und mit runterhängenden Mundwinkeln durch die Gegend. Selten. Und überhaupt: Was bedeutet das schon, „glücklich“….? Mir macht das Wort fast ein bisschen Angst, es klingt so makellos. Und was ist denn schon makellos in dieser Welt??
Unglück als Wohlstandsmerkmal
Der Latino versteht das nicht. Er findet, in so einem toll funktionierenden Land wie der Schweiz mit meinen Voraussetzungen hätte ich doch gar keinen Grund, unglücklich zu sein. Wo er eigentlich auch wieder recht hat. Aber tatsächlich, auch wenn der Mensch im privilegierten Teil der Welt geboren wurde, findet er doch immer wieder Sachen, die ihm nicht so gefallen. Oder eben keine Sachen, die ihm gefallen. Und das drückt dann aufs Gemüt.
Der Latino findet: Glücklichsein ist eine Entscheidung. Natürlich sei nie alles komplett picobello im Leben, aber man/frau könne sich doch einfach sagen: Trotz allem bin ich glücklich. Denn alles andere mache ja keinen Sinn.
Mag sein. Nur leider schaffen das nicht alle. Ich zum Beispiel. Ich kann mir nicht einreden: So, ich bin jetzt einfach glücklich, während um mich herum gerade Soddom und Gomorrha herrscht. Vielleicht ist das Soddom und Gomorrha auch nur in meinem Kopf. Oder in der Tagesschau. Aber das macht es nicht besser. Für mich, jedenfalls.
Der Latino findet das undankbar. Und auch ein bisschen typisch für Leute, die aus reichen Industrieländern stammen.
Züri West wissen auch nicht alles
Da hat er vielleicht auch recht. Trotzdem kann ich meine Gefühle nicht einfach so abstellen. In mir gibt es so eine Art Grundmelancholie, auch wenn mir wirklich bewusst ist, was ich alles Gutes in meinem Leben habe: Meine Gesundheit, mehr als genug Essen, Geld zum Raushauen, tolle Leute um mich herum, neue Stiefel, Godzilla – und natürlich den Latino. Ich bin wirklich sehr, sehr dankbar für all das – und mit über 40 Jahren meine ich das auch wirklich genau so, wie ich es sage, denn ich habe genug Beschissenes erlebt, um das Geile wirklich schätzen zu lernen.
Und ich bin glücklich mit all dem Guten in meinem Leben – und unglücklich mit all dem Schlechten.
Mit dem vermeintlich Schlechten, sagt der Latino.
„Irgendeinisch fingt ds Glück eim“ – mir kommt dieser Song von Züri West in den Sinn. Klingt nach einer Regel für alle. Da glaube ich aber nicht daran. Das Glück findet sicher nicht jede, jeden und jedes auf dieser Welt. Das Glück findet dich, wenn du Glück hast.
(Das hab ich jetzt aber wirklich schön gesagt, nicht? )
Ich brauche euren Rat
Aber muss man/frau denn überhaupt glücklich sein? Nichts bedroht mein Leben, ich bin frei, also bin ich gefälligst glücklich?
Wir sagen das ja immer so leicht: „Oh, du hast einen neuen Job! Bist du glücklich?“ oder „Wow, du hast Ferien, du Glücklicher!“
Aber sind wir deswegen wirklich gleich glücklich? Ich meine, so richtig MAKELLOS GLÜCHLICH? Reicht nicht auch zufrieden?
Oder bin ich einfach wirklich ein undankbares Arschloch?
Also, nicht, dass der Latino so etwas gesagt hätte, ich frage mich das jetzt einfach selber. Ich frage das euch.
Danke schon mal im Voraus für eure Antworten. Keine falsche Scheu, ihr dürft wirklich ehrlich sein. Ich bin nicht empfindlich.
Nur nicht glücklich, HAHA!!!!!!!