Sonntag, 15. April 2018

85 Weiblich, ledig, "jung" sucht...

Es gibt zwei sehr, sehr beschissene Sachen im Leben, bei denen aber so ziemlich alle mal durchmüssen:

Job suchen und Wohnung suchen. 

Bei mir steht gerade letzteres an.
Nicht, weil ich unbedingt müsste. Der Vermieter hat mich nicht vor die Tür gesetzt und ich werde auch nicht gentrifiziert oder so. 
Aber irgendwann weiss man einfach, dass es Zeit ist weiterzuziehen. Hat vielleicht auch mit dem runden Geburtstag zu tun, der sich mit grossen Schritten nähert im Sommer. Und jetzt muss eine neue Wohnung her, ganz einfach. Nicht unbedingt seniorentauglich und rollstuhlgängig, aber sicher grösser, schöner, grüner.
Basta.




Jetzt durchforste ich also wieder tagtäglich alle einschlägigen Portale mit Wohnungsinseraten - heisst, ich muss eigentlich rund um die Uhr im Netz sein, denn sonst verpasse ich eine Gelegenheit, und die Gelegenheiten in dieser Stadt sind furchtbar schnell weg! Oh mann, das ist purer Stress, es gibt wirklich geilere Hobbys, echt. Eine Wohnung suchen in Zürich, wenn man nicht über das Budget eines Novartis-CEOs verfügt, aber trotzdem nicht wie eine Kellerassel hausen will - gaaaaaanz schlecht für die Laune!
Und jetzt, lange nach meiner Studenten- und Ausprobierzeit hab ich doch tatsächlich auch noch ein paar Ansprüche, die die Sache noch schwieriger machen: Mindestens 3 Zimmer (der Held muss schliesslich auch reinpassen - siehe Blogpost Nummer 59. Und meine Schuhe). So ein Terrässchen wär schön. Ein Gärtchen. Mindestens ein sehr grosser Balkon. Zentral, logo. Okeeeee, bitz ausserhalb geht auch. Natur drum herum ist ja auch schön. Aber nicht in Seebach oder Schwamendingen. Witikon steht auch nicht zuoberst auf meiner Liste. Leimbach ok, wenn nicht grad in der hintersten Ecke. Oerlikon - jo, vielleicht im neuen Teil? Glaskeramik und Geschirrspüler, bitte. Parkett auch. 

Jedenfalls ist es jetzt nicht so, dass ich mich vor Besichtigungsterminen kaum retten könnte oder so. Ehrlich gesagt, greif ich nach dem Lesen eines Inserats selten zum Hörer. 
Oftmals sind nur schon die Titel verdächtig:

"Charmant" ist immer gefährlich - was so umschrieben werden muss, um an den Mann oder die Frau gebracht zu werden, hat irgendeinen Haken, der schöngeredet wird. Charmant kann nämlich alles sein. Der Schimmel an der Wand, zum Beispiel. Der Herd aus dem Zweiten Weltkrieg. Der grässliche, verschlierggte Laminatboden, der aussieht, wie aus einer Turnhalle.

"Interessant geschnitten" finde ich auch immer sehr schön. Heisst, die Zimmer sind 4m2 gross. Und die Badewanne in der Küche. 

"Wohnen im historischen Blablabla für 1000 CHF pro Monat" ist so ein anderer Fall. Dahinter steckt keine besonders menschenfreundliche Genossenschaft. Es bedeutet schlicht, dass man das neue Zuhause wohl höchstens ein halbes Jahr geniessen kann, weil es dann abgerissen wird. Oder gentrifiziert. 

"Keine Haustiere erlaubt" ist mir per se schon unsympathisch, ob ich jetzt ein Viech habe oder nicht. Ich weiss nicht, aber das impliziert so: Hey, in dieser Wohnung wird im Fall nichts, aber auch gar nichts dreckig gemacht, und wenn es irgendwo an irgendeiner Wand mal irgendeinen Kratzer geben sollte in 10 Jahren, dann fliegst du!

"Herzig" = winzig klein.

"Zentral" = am Arsch der Welt.

"Provisionsfrei" = "ist eh nichts wert".

Keine Fotos = Vergiss es!!

Und dann findest du vielleicht tatsächlich mal eine Perle unter den Säuen und rufst sofort an - aber der Vermieter geht gar nicht mehr ans Telefon, weil nämlich schon 345930 vor dir die selbe Idee hatten.
Oder du stehst am Besichtigungstermin mit 939402 anderen in der Schlange und versuchst, dich beim Vermieter einzuschleimen ("Mega schöne Wohnung, wow, genau das hab ich gesucht!! Noch nie so was Tolles gesehen! Und dann noch um die Ecke von meinem Arbeitgeber, wie praktisch! Ich hab nämlich einen gaaaaanz wichtigen Beruf, jaja, unentbehrlich und wahnsinnig gut bezahlt! Perfekter Leumund, und uhuere nett und sauber und mucksmäuschenstill bin ich auch, rufen Sie mal meinen Chef an, der bestätigt ihnen das!"). 

Und am Schluss kriegt sie dann doch ein anderer. 

Also, meine lieben Zürcher Leserinnen und Leser: Ich bin offen für jegliche Tipps. 
Sonst zieh ich nämlich einfach aufs Land. Und dann müsste ich diesen Blog hier umbenennen.
Das wollen wir nicht, oder?

Danke!

Donnerstag, 22. März 2018

84 "Weisch..."

Oh mein Gott, oh mein Gott, so viel Stress, ich komme ja gar nicht mehr zum Schreiben!
Neulich hat sich tatsächlich ein Leser bei mir beschwert über meine laaaaaaannnngggeeen Pausen zwischen den Blogbeiträgen. Ich möchte mich hier bei allen entschuldigen, die auch so empfinden.
Und bei denjenigen, die froh waren, halte ich so lange die Klappe, möchte ich mich ebenfalls entschuldigen: Denn hier bin ich wieder, ÄTSCH!!! :-)

Aber hey, mich gibt's seit Kurzem übrigens auch auf Twitter (@fraubitterboes, natürlich)! Dort gibt's auch ab und zu mal was von mir, also followed mir doch. Plus kann man mir dort Anregungen schreiben, Grüsse und Beschwerden. Also, kann man natürlich auch hier. Und auf Facebook (Frau Bitterbös, natürlich). Don't be shy!

So, jetzt aber zurück zum wirklich Wichtigen des Lebens.

Neulich sass ich mal wieder im Zug, und mein Blick fiel auf meine Handtasche, wo immer noch ein "Nein zu No Billag"-Pin prangte. Ich dachte, Abstimmung ist ja jetzt vorbei, nehm ich den mal weg, und legte ihn aufs Tischchen unter dem Fenster. Eine Station weiter setzt sich mir ein Mann gegenüber, so in meinem Alter. Wollmütze auf dem Kopf, Jeans, Pulli, Bart. Tsüri, halt. Ich nehme höflich den Pin von der Mitte des Tisches, weil er ja vielleicht dort sein Getränk absetzten möchte oder so. Folgenden Dialog möchte ich euch nicht vorenthalten:


Mann: "Isch das diine?"
Frau Bitterbös: "Ja."
M: "Wie chasch du nur für d Billag sii??"
B: "Wie chasch du nur degäge sii??"
M: "Naja, all die Lokalsänder da, die lueg ich eh nie. Weisch, das wäred eh die einzige gsi, wo weggfalle wäred."
B: "Nei, das wäred die einzige gsi, wo no bliebe wäred, will die sich ja über Werbig finanziered, hauptsächlich. Weggfalle wär d SRG."
M: "Ha! Das isch doch alles nur Angschtmacherei!! Im ene Land wie dä Schwiiz schafft doch niemert dä einzig öffentlich-rächtlich Sänder ab! 'Echo der Zeit' find i im Fall super!"
B: "Naja, aber du wettsch ja offebar nöd defür zahle. Ohni Geld keis 'Echo der Zeit'."
M: "Aber für das brucht's doch kei Billag! D Schwiiz hät doch gnueg Geld! Weisch, mer müessti das nur umlagere, und dänn chönnti mer au d SRG finanziere!"
B: "Ja, aber über das hämmer ja nöd abgstumme. Mir händ drüber abgstumme, öb mer wännd Rundfunkgebühre zahle oder nöd. Also. Ohni Gebühre kei SRG."
M: "Weisch, ich säg der, wänn nur alli Politiker i dem Land anstatt 8000.- pro Monet nume 6000.- würed isacke, dänn hetted mer au Geld für Radio und Fernseh!"
B (staunt über die Zahlen. Alle Politiker des Landes erhalten 8000.- pro Monat? Ist das im Politiker-GAV so festgelegt?)
M: "Und nomal öppis: Wänn jede Verwaltigsratpräsident zerscht sälber müesst 100'000 Stutz ischüüsse, bevor er dä Job überchunnt, dänn gächt er au aständiger mit em Konzern um! Dänn müessted mir mit eusne Stüüre kei Banke rette!"
B: "Villicht."
M: "Das gaht doch au nöd, dass mer däne Wichser dänn au no Millione-Boni in Arsch schopped!!"
B (nickt)
M: "Weisch, ich find sowieso, mir sötted alli eusi Kontene schlüüsse und euses Geld abzieh! Eso chönnted mer d Banke zwinge, eus wieder aständigi Zinse z zahle! Als Chind han ich no 3 Prozent Zins übercho, stell der vor! Und d Banke mached sit do im Fall nöd weniger Gwünn!"
B: "Hmmm..." (und denkt: Ahaaaa, wir driften vom Billag-Thema ab....) 
M: "Weisch, ich han scho in Dütschland und Frankriich gschaffed, und überall händ mir d Lüüt gseit wenn sie hetted chöne über d EU abstimme, dänn wäred sie sicher nie biträtte! Die sind niidisch uf eus Schwiizer, dass mir da so vill chönd mitrede!"
B:  "Das isch ja au s Guete a eusem System - mir chönd aktiv mitbestimme."
M: "Ebe. Wie du gsehsch, ich mach mir scho Gedanke. I mim Kollegechreis chömed die im Fall guet aa."
B: "Aber denn setz dini Idee doch um und mach e Volksinitiative oder so. Profitier vo eusem System!"
M: "Jaaa... asoo... pfff... weisch, dasch ja huere ufwändig. Wivill Underschrifte? 100'000?"
B: "Genau."
M: "Weiss nöd. Für die meischte vo mine Idee chämt i eh is Gfängnis!"
B (steht auf): "Also, du, ich mues jetzt usstiege. Wünsch der en schönen Abig!"
M: "Tschau, gäll, mach's guet!"

Und die Moral von der Geschicht'?
Alle wissen wir, was besser wäre fürs Land. Aber aktiv was ändern, tun wir dann doch nicht. Oder nur die wenigsten von uns. Weil, uns geht's ja ganz gut hier in Züri, so oder so. Nicht?



Donnerstag, 1. März 2018

83 Im Schussfeld

Letzte Woche wurde ich Zeugin eines Mordes.

Jupp, das können wohl nicht so viele Menschen von sich behaupten (zum Glück!). Aber tatsächlich habe ich das Beziehungsdelikt an der Europaallee aus nächster Nähe miterlebt. 

Der Zufall wollte es eben, dass ich mit einer Freundin auf dem Weg zum HB war. Wir schlenderten gemütlich schwatzend der neuen Zürcher Einkaufsmeile entlang, als wir es knallen hörten. Mehrmals.
Nun, niemand wurde unruhig oder so. Denn seien wir ehrlich: In Zürich knallt es ja oft mal. Irgendwer hat offenbar immer irgendwo irgendwelche Böller zur Hand und Freude daran, damit den Mitmenschen auf den Geist zu gehen. Aber da es dieses Mal ziemlich oft knallte, dachte ich noch: «Ok, du Arschloch, s isch Friitigmittag, hellliechte Tag zmittst i de Stadt – GIB’S DOCH ENDLICH UF!!»

Zirka 50 Meter vor uns stürmen dann plötzlich zwei Personen aufs Trottoir, es knallt weiter, und es sieht so aus, als würden sie sich verfolgen. Die eine verliere ich bald aus den Augen, die andere bleibt mitten auf dem Weg stehen, und da sehe ich, dass sie eine Waffe in der Hand hält.

Für den Bruchteil einer Sekunde schiesst es mir durch den Kopf, ok, wenn das jetzt so ein Typ ist wie der in Florida, dann sind wir jetzt ganz schön fucked.
Aber hey, wir sind in Zürich, und der Gedanke verfliegt sofort wieder. Ich gehe unbehelligt weiter, auf den Bewaffneten zu, kein bisschen nervös. Das ist einfach wieder irgend so ein durchgeknallter Idiot, der besoffen oder verdrögelet irgendwelche Spielchen spielt, denke ich. Wahrscheinlich findet er es aus irgendeinem unerfindlichen Grund geil, mit einer Fasnachtspistole seinen genau so verdrögeleten Kumpel zu verfolgen. Alles schon erlebt. Langstrasse, Baby!

Irgendwie hält er die Waffe aber seltsam.

Knall!

Er fällt zu Boden. Bleibt liegen. 

Voll theatralisch, so schlecht gespielt, echt!
Steh wieder auf Kumpel, es ist arschkalt auf dem Asphalt!
Steh auf!
Wann kommt die Kamera?
Ich und meine Freundin stehen eine gefühlte Ewigkeit einfach nur da und schauen. Nichts passiert. Totenstille. Von einer Panik, die ausgebrochen sein soll, wie verschiedene Blätter später schreiben, ist keine Rede. Es ist ja auch kaum jemand auf der Strasse. Es ist Mittag und Winter, die Leute sitzen im Warmen, am Essen.
Meine Freundin: «Du wottsch mer jetzt aber nöd öppe säge, das sind richtigi Schüss gsi?»
Ich: «Äch, nei, eh nöd… nä-ä… dä staht gad uuf, wirsch gseh. Irgend en Film oder so!»

Dann gehen aber links und rechts die Türen auf, Menschen kommen aus den Gebäuden und schauen auch ungläubig hin. Einer hat noch seinen Coiffeur-Umhang an.
Wir gehen noch näher.
Komm, steh jetzt auf!

Aber ok, so wie der daliegt, so ohne jegliche Körperspannung, das sieht wirklich auffällig… tot aus, irgendwie.
Jetzt geht ein Passant ganz nah hin und beugt sich über den Körper. Scheisse, Moment, es sind ja zwei Körper! Die andere Person liegt auch, sehe ich plötzlich. Und sie ist ebenfalls völlig bewegungslos.

Nur wenige Sekunden sind vergangen, meine Freundin zieht entschieden ihr Handy aus der Tasche.
«Ich lüüt jetzt dä Polizei aa!»
Aber die weiss schon Bescheid, und das Sirenengeheul hüllt uns ein. Schwer bewaffnete Frauen und Männer in Uniform rennen plötzlich herum, die Strasse ist verstellt mit Polizeiautos und Krankenwagen, der Raum wird mit weissorangem Band abgesperrt und wir weggeschickt. 


Tja, das also meine Wahrnehmung von meinem ersten echten Live-Mord. 

Ich dachte, das war ein Amoklauf oder Banküberfall, schliesslich geschah es ja direkt vor der UBS. Dass hier aber ein Familienvater seine Noch-Ehefrau und dann sich selber gerichtet hatte, erfuhr ich erst später aus den Medien. 
Und ich muss immer denken: Nur 30 Sekunden später, und ich und meine Freundin wären genau im Schussfeld gestanden. Es hätte sich nur eine Kugel verirren müssen… Ja, das hat uns an diesem Freitag ehrlich gesagt am meisten beschäftigt: Leck, wir leben noch! Was ein Glück wir doch hatten!

Aber jetzt, nur eine Woche später, finde ich es irgendwie gar nicht mehr so schlimm, dass ich tatsächlich mitangesehen habe, wie zwei Menschen durch Gewalt gestorben sind. Wahrscheinlich ist das ein Schutzmechanismus des Gehirns. Und vielleicht kuck ich auch einfach zu viel «Walking Dead» und «Game of Thrones». Abgestumpft.

Was mich aber beschäftigt, sind die zwei kleinen Mädchen, die das tote Ehepaar hinterlässt. Denn die stehen richtig im Schussfeld. Mit was haben die das verdient, ohne Eltern aufwachsen zu müssen? Und später jedem erklären zu müssen, ja, der Papi hat das Mami umgebracht und dann sich selber?

Ich wünsche den beiden nur das Allerbeste und ganz viel Liebe und Glück im Leben.