Samstag, 27. Februar 2016

44 REISESPECIAL: Viecher, Viecher, Fressen, Viecher

Ich weiss, ihr habt lange nichts mehr von mir gehoert. 
Sorry.
Das hat damit zu tun, dass mein Leben zur Zeit so ziemlich perfekt schoen ist (auch wenn ich die Umlaute grad mit zwei Buchstaben schreiben muss, aber man kann halt nicht alles haben, haha!). 

Suedafrika.

Das scheiss Dengue Fieber steckt mir bei der Landung noch immer ein bisschen in den Knochen, beziehungsweise im Magen. Aber wenigstens ist mir nicht mehr alleine schlecht. Am Flughafen in Johannesburg wartet naemlich eine Freundin aus der Schweiz auf mich. Wir waren beide noch nie in Afrika, jetzt fangen wir also mal mit "Afrika light" an, wie es ja heisst. Und erst noch in einem Mietwagen bei Linksverkehr - ausgerechnet ich, die das Autofahren schon in ihrem eigenen Land bei Rechtsverkehr wie die Pest meidet! Aber nach ein-, zweimal die falsche Einfahrt auf die Autobahn nehmen, zwei-, dreimal knapp eine Frontalkollision vermeiden, da auf die falsche Seite gekuckt und ca. 15mal den Scheibenwischer anmachen anstatt den Blinker, geht das Ganze schliesslich tipptopp.

Wir wollen auf Safari, ebenfalls Neuland fuer uns beide. Also geht es schnurstracks Richtung Krueger. 
Ich stelle mir das in etwa so vor: Man faehrt zwei volle Tage quer durch den Park, haelt angestrengt Ausschau, verrenkt sich die Haelse, hofft und betet - und dann irgendwann mal, wenn man Glueck hat, sieht man irgendwo am Horizont einen Elefanten. 
Scheisse - so geirrt hab ich mich echt noch nie in meinem Leben.

Schon vor dem ersten Camp tummeln sich an einem Wasserloch ganze Horden von Elefanten! Wir fallen fast in Ohnmacht, und ich schiesse mit meinem iphone 3352 Fotos, auf denen man fast nix sieht, da der Zoom ueberfordert ist. Wir koennen unser Glueck kaum fassen. 
Als wir schliesslich in unserem Auto in den Park reinfahren, haben wir aber schon fast den naechsten Herzinfarkt: kaum haben wir das Tor hinter uns, schon stampft nur ein paar Meter vor uns eine Elefantenfamilie ueber die Strasse.  Ich brauche den Zoom nicht mal mehr.
Wir sind total aus dem Haeuschen!
Jetzt wuensche ich mir eine Giraffe. Kaum gesagt, schon stehen da zwei direkt am Strassenrand, ganz unbeeindruckt an den Aesten eines Baumes kauend.
Zum Glueck haben wir die Autofenster geschlossen, denn unser voellig ueberdrehtes Gekreische haette auch noch den letzten Floh im Krueger vertrieben.
Jetzt kommen ganze Gruppen von Zebras, Impalas bis zum Umfallen, Warzenschweine ("PUUUMMBBAAAAAAAAA!!!!!!!"), sogar Nashoerner kommen sehr nah, ein Nilpferd latscht uns fast vor die Raeder, eine Hyaene pisst direkt neben uns demonstrativ ins Gebuesch, wir sehen Paviane, Wasserbueffel, Kudus,  dann endlich die langersehnten Loewen, beim Fressen sogar, beim Bruellen, bei der Kindererziehung, Schakale, eine Wildkatze, eine Schildkroete (die unser Auto fuer ihr Mami haelt oder so, jedenfalls kriecht sie uns hinterher), sehr schoene, bunte Voegel, sehr haessliche, bunte Voegel - und immer wieder Elefanten, Elefanten, Elefanten. Und Impalas. Einzig der Leopard bleibt uns verwehrt, aber waer der jetzt auch noch aufgetaucht, dann haette ich Gott, Allah, Jehova, die Natur und das Schicksal wirklich fuer zuuuu guetig gehalten...




Wir fahren also von Camp zu Camp, und weil man mit dem Privatauto abends nicht mehr rausdarf und auch nicht zum Sonnenaufgang, buchen wir dafuer sogenannte Game Drives. Das sind Ausfluege mit einem Ranger in so einem Safarikarren, zusammen mit anderen Touris. 
Das ist zwar ganz interessant, denn die Ranger sehen die Tiere oft viel frueher als wir Amateure und wissen besser, wo sie zu finden sind. Allerdings wird dann auch bei wirklich JEEEDEM Tier gestoppt, und das passt uns zwei verwoehnten Zueri-Tussen natuerlich gar nicht. Kaum schreit es irgendwo hinter uns "IMPALA!!" oder "ELEPHANT!!!!!", verdrehen wir nur genervt und gelangweilt die Augen und denken: "Hueren Afaenger...!"
 Schoen auch, dass es auf diesen Game Drives immer selbsternannte Biologen und Wildlife-Experten dabei hat, die dir ungebeten die Welt erklaeren: nein nein, der Loewe fuehlt sich durch uns nicht gestoert, der nimmt unseren Wagen bloss als einziges grosses Tier wahr, dass ihm nicht gefaehrlich wird, und riechen kann er uns auch nicht, keine Angst... bla bla bla. Steig doch mal aus, dann wollen wir sehen, ob dich der Loewe JETZT riechen kann! Gaeb geile Fotos...

Ok, so wirklich in Gefahr fuehle ich mich tatsaechlich nie. Ausser in den eingezaeunten Camps. Dort tummeln sich naemlich Meerkatzen und Paviane, die genau wissen, dass wir Menschen gerne essen und trinken, und die von Besitzanspruechen und Hoeflichkeit einen Scheissdreck halten. Nun, meine Freundin und ich haben das mit dem selber Kochen auf dem kleinen Herd vor den Bungalows eh nur einmal versucht (und auch nur, weil es im ersten Camp kein Restaurant hatte, wir das aber nicht gewusst haben, und uns drum im Laden nur noch ein paar Buechsen mit Fertig-Spaghetti besorgen konntn, die aber nicht mal richtig warm wurden und nach ueberhaupt nichts schmeckten - soviel zu unseren Kochkuensten). Aber einmal haben wir eine franzoesische Familie als Nachbarn, die setzt sich am Morgen ganz gemuetlich und unwissend zum Fruehstueck auf die Veranda - und dann hoeren wir nur einen spitzen Schrei, und eine Sekunde spaeter hockt der Affe mit dem geklauten Toastbrot auf UNSERER Veranda... :-)))

Apropos Kochen: das koennen die Suedafrikaner. Ob edles Restaurant oder Fastfood-Kette: das Essen ist irgendwie immer angerichtet wie fuer ein Foodporn-Foto und schmeckt vorzueglich. Nach der Dengue-Magerphase in Asien stopfe ich mich voll, als gaeb's kein Morgen mehr. 
Als unsere Zeit im Krueger abgelaufen ist, muessen wir fast heulen. Schweren Herzens fahren wir weiter, durch Swasiland in Richtung suedafrikanische Kueste. Wir leiden aber noch lange an der "Krueger-Krankheit", wie wir sie nennen: dauernd haben wir hinter dem Steuer das Gefuehl, es springe gleich ein Impala auf die Strasse. Wir schreien "Giraffe!!" und merken dann: ah, noe, nur ein abgestorbener Baumstrunk. Und in jedem groesserem Stein sehen wir einen Loewen.

Aber ja, gut, wenn schon keine Viecher mehr, dann wenigstens Meer und Party, denken wir.
Ok, Meer hat's, sogar wunderschoenes - aber sowas von arschkalt, dass wir das mit dem Baden grad ganz lassen. Jetzt verstehen wir auch, warum die Straende in Suedafrika immer so leer sind, trotz Sommer.
Und Party? Nun, wir merken ziemlich schnell: spaetestens um 22 Uhr macht hier alles dicht. Auch sind wir immer die einzigen Menschen auf der Strasse, jedenfalls nach Ladenschluss. "Was, ihr wollt ins Restaurant laufen?? Das geht im Fall mindestens fuenf Minuten!!" - wir werden bestaunt wie Ausserirdische.
Gut, in Plettenberg Bay schliesslich finden wir eine Bar mit sehr schlechter Euro-Dance-Musik ("I'm blue, dabelidi dabeldei"), die uns erst um halb 3 rausschmeisst. Wir amuesieren uns praechtig, und zur Strafe wird meiner Freundin das Handy geklaut. Gott, Allah, Jehova, die Natur und das Schicksal raechen sich jetzt wieder, nach so viel Gnade im Nationalpark.

Wir fahren weiter der Kueste entlang, machen aber noch einen Abstecher ins Hochland, in die Karoo. Dort hoffen wir, im Mountain Zebra National Park Cheetahs zu sehen - es bleibt aber bei Straussen und Zebras. Die Aussicht in den Bergen ist allerdings absolut unbezahlbar! Und das Essen wieder...!

Dann will ich mir in Suedafrika noch einen Kindheitstraum erfuellen. Nicht unbedingt Elefanten und Giraffen sind naemlich meine Lieblingstiere, sondern Haie. Grosse. Am besten Weisse. Und ich will sie gerne im Wasser sehen.
Wir fahren in der Naehe von Cape Town also raus auf einem Boot, chic in Ganzkoerper-Wetsuits eingequetscht. Jupp, jetzt bereue ich meine Fressorgien, denn das Outfit kaschiert kein einziges Fettpoelsterchen. Und dummerweise kann man in diese Wetsuits ja auch nicht reinpiseln, weil sie entgegen ihres Namens dicht sind - ein echtes Problem fuer mich, denn kaum beruehrt mein Koerper Wasser, muss ich auch schon dringend. Ein bitterboeses Naturgesetz.

Ja, ich habe mich hier gerade als In-die-Dusche-Pislerin geoutet, na und??

Man macht uns nicht soooo grosse Hoffnungen, denn offenbar liessen sich die Great Whites in den letzten Wochen nicht mehr blicken.
Aber wieder haben die zwei Zueri-Tussis Riesenglueck: zu fuenft kommen sie angeschwommen, 4 Meter lang im Schnitt! Ich huepfe grad entschieden als eine der ersten ins Kaefig neben dem Boot (damit versuche ich auch, ein bisschen Eindruck zu schinden bei meiner Freundin, denn anders als sie habe ich mich vor dem Bungee Sprung von der Bloukrans Bridge gedrueckt). Gut, das Wasser ist leider sehr trueb, man sieht nicht grade viel. Mit meiner Unterwasserkamera erwische ich auch nur einmal die Schwanzflosse und einmal die Kiemen.  Vom Boot aus ist die Sicht bedeutend. Die Haie lassen sich auch nicht lumpen, schiessen aus dem Nichts neben uns hervor, ein bisschen wie in JAWS.
Aber der Kaefig muss trotzdem sein, denn so nahe komme ich wohl nie wieder an einen Weissen Hai, und dieser Gedanke macht mich ganz hibbelig. Auch ist es geil, wie der Kaefig schwankt, wenn der Hai direkt vor uns abdreht, nachdem er nach dem Koeder geschnappt hat. Ich fuehl mich ein bisschen mutig, haha.
Allerdings: Mut erfordern eigentlich nicht unbedingt die Riesenviecher im Wasser. Mut erfordert das Wasser an sich. Hatte ich schon erwaehnt, dass die Meere vor Suedafrika arschkalt sind?? Und ich meine ARSCHKALT!! AAARSCH!!! KAAAAALT!!!!!!!
Und hatte ich auch schon erwaehnt, dass ich im Wasser immer sofort piseln muss? Ja? Gut.

Unsere letzte Station ist Cape Town. Wir sind beide sofort verliebt. Was fuer eine Stadt an so einer fantastischen Lage! Das tuerkisblaue Meer einerseits, der herrliche Table Mountain mit der geilsten Aussicht andererseits. 
Oh, und Clubs und Bars, die die ganze Nacht offen haben. Und das Essen, das Essen...

Suedafrika hat es echt gut mit uns gemeint. So why do all good things have to end? 
Voellig depressiv steigen wir am Ende unseres Trips ins Flugzeug. Ich zusaetzlich mit mindestens 7 Kilo Uebergewicht. Und damit mein ich jetzt nicht das Gepaeck.

Fuer meine Freundin geht's zurueck nach Zuerich. Fuer mich nach Abu Dhabi.




Sonntag, 7. Februar 2016

43 REISESPECIAL: ARSCH. LOCH. MÜCKEN!!!

Kambodscha.
Ich werd am Flughafen von Siem Reap mit dem tuk tuk abgeholt, damit hat man mich schon im Sack. Der Driver ist auch ziemlich geschäftstüchtig, er überredet mich, übermorgen schon um 5 Uhr bereit zu stehen, um zum Angkor Wat zu fahren. Das müsse man beim Sonnenaufgang sehen, sonst könne man nicht in Ruhe sterben.
Ok.

Das Hotel ist auch hübsch. Viel Grün. Allerdings rund 15 Minuten vom Zentrum entfernt, dort, wo das Ganze Leben stattfindet, mit den Nachtmärkten und so. Und da es in Kambodscha offenbar nicht so Gng und Gäbe ist, Troittoire einzurichten, ist der Weg dorthin ziemlich beschwerlich. Ich werde nicht nur einmal fast überfahren. Ja, und auf dem Heimweg passiert’s dann: ich find das Hotel nicht mehr. Irgendwie sieht alles gleich aus. Ich gehe also in eine kleine Wäscherei und frage. Die beiden jungen Männer dort haben den Namen meines Hotels noch nie gehört, liegt aber vielleicht auch an ihren mangelnden Englischkenntnissen. Zum Glück hab ich die Telefonnummer mit dabei. Einer von Ihnen ruft an und lässt sich den Weg erklären. Dann steigt er auf sein Motorrad und bedeutet mir, hinten aufzusitzen. Er fährt mich einfach so nach Hause, wie nett ist das denn? Ich bedanke mich tausendmal und will ihm eigentlich für seine Hilfe etwas Geld geben, aber da ist er schon wieder weg. Vielleicht auch doof von mir, immer alles mit Geld aufwerten zu wollen.

Am nächsten Tag klingelt der Wecker dann also um halb fünf – igitt, ist ja wie beim Frühdienst, wenn man NICHT Ferien hat! Der tuk tuk Fahrer wartet schon gut gelaunt. Es geht also zum Angkor Wat, dieser riesigen Grabanlage, wegen der die Touristen überhaupt nach Siem Reap kommen.
Ich bin natürlich bei Weitem nicht die Einzige, die die Idee mit dem Sonnenaufgang hatte. Tausende andere tummeln sich schon vor dem Gebäude – und das seh ich am Anfang gar nicht, weil’s noch stockfinster ist. Aber sobald es immer heller wird, merke ich, wie ich mich strategisch am wirksamsten positionieren muss, um dann auch als eine der ersten ins Gebäude hineinzukommen. Wenigstens dort will ich ein bisschen ungestört sein.

Nun, leider muss ich sagen: ich hätt auch ausschlafen können. Es ist zu bewölkt für einen wirklich dramatischen Sonnenaufgang. Aber egal, imposant ist Angkor Wat allemal, mit diesem dunklen Gemäuer und den spitzen, ausgefransten Türmen – fast etwas unheimlich. Und es riecht so, wie es halt in diesen alten Gebäuden riecht: nach Moder, nach Geschichte, und auch ein bisschen nach Tod. Jedenfalls hat man dann immer das Gefühl, man seit jetzt an einem ganz wichtigen Ort.

Hinterher finde ich fast meinen Fahrer nicht mehr, vor den Toren Angkor Wats hat es eine ganze Flotte von tuk tuks. Mehr dank Glück denn dank Verstand begegnen wir uns dann aber doch noch. Er fährt mich zu weiteren Gräbern und Tempeln, eindrückliche Gemäuer, zum Teil durchwachsen von den Wurzeln riesiger Bäume. Es sieht aus, wie in Tomb Raider – oh, Angelina Jolie hat die Filme ja auch tatsächlich hier gedreht. Die perfekte Kulisse, wenn man ein bisschen Angst machen und zugleich faszinieren will.

So.

So viel zum schönen Teil meiner Kambodscha-Reise. Der endet hier nämlich schon.
Als ich nämlich von der Tempeltour wieder zurückkomme, geht es los mit 40 Grad Fieber, übelsten Gliederschmerzen und einer Kotzerei. Es gelingt mir zwar noch, mich per Bus nach Phnom Penh zu schleppen, und ich habe schon Hoffnung, jetzt komme alles wieder gut – aber in der Hauptstadt geht’s dann grad direkt ins Spital: Dengue Fieber.
ARSCHLOCH-MÜCKEN! Ausrotten, die Viecher, ehrlich!!!

Das wünsch ich meinem schlimmsten Feind nicht.
Ok, doch, eigentlich schon.
Der Arzt will mich im Spital am Tropf behalten, ich lehne dankend ab. Das Spital sieht mehr aus wie ein Lagerhaus, es ist schmutzig und sehr veraltet. Als sie bei mir ein EKG machen, glaube ich zuerst, ich erhalte jetzt Elektroschocks, so wie in „Einer flog übers Kuckucksnest“.
Ich gehe also wieder zurück ins Hotel, ganz viele Pillen in Plastiksäckchen im Gepäck. Nützt aber nix, geht mir immer noch hundeelend. Der Hotelbesitzer schnallt mich schliesslich hinten auf sein Motorrad und bringt mich in ein anderes Spital (wie ich in das vorher kommen konnte, kann er nicht begreifen), und das sieht nun auch tatsächlich seriös aus. Die Diagnose bleibt gleich, aber die Pillen in den Säckchen nehmen sie mir grad wieder weg.

Jetzt geht’s aufwärts. Gott, Allah, Buddha, der Natur sei Dank!!

Immerhin hab ich jetzt was zu erzählen am Stammtisch künftig, und kann was abhaken auf meiner NOT-to do-list: Mal Dengue haben. In Kambodscha. Geil.

Ich bleib im Bett bis zum Tag meiner Abreise. Dort raff ich mich auf und lass mich per tuk tuk noch in die killing fields chauffieren, damit ich auch noch etwas kambodschanische Geschichtsschreibung mitbekomme. Gut, der Genozid unter Pol Pot hebt meine Stimmung jetzt nicht gerade, aber ich finde es wichtig, sich auch mit den dunklen Kapiteln eines Landes auseinanderzusetzen. Wie ein Zombie taumle ich also durch diese killing fields, mein Kreislauf will noch nicht so richtig mitmachen, viel zu heiss ist es auch. Um ein Haar kotze ich in die Stupa mit den aufgetürmten Schädeln von Pol Pots Opfern.
Mein Körper braucht dringend eine Veränderung.
Südafrika wartet.

Donnerstag, 28. Januar 2016

42 REISESPECIAL: Von Nussschalen und Mückenstichen

Thailand.
30 Grad, endlich! Hier braucht's definitiv keine beheizten WC-Ringe. Dafür gehört das WC-Papier nicht in die Schüssel - bei mir fällt's aber bei jedem zweiten Geschäft rein, ganz automatisch, da kann ich es mir noch so vornehmen, dieses Papier-Loslassen ist einfach in mein Gehirn eingebrannt, da kann ich meinen Fingern noch so lange Befehle geben,  geht nicht.

Anyway.

Ich verbringe den ersten Tag in Thailand in Bangkok. Und zwar im 4er-Schlag eines Hostels. Ich will mir beweisen, dass ich das auch mit Ende 30 noch kann, pah, Luxus, ICH doch nicht! Und dem Portemonnaie tut' s auch gut, nämlich. Gut, ich teil mir das Zimmer also mit zwei 20-jährigen Briten, Mädchen und Junge, das vierte Bett bleibt leer. Ausschlafen ist schon mal nicht, denn die beiden wollen Sightseeing machen und ich könne gerne mitkommen, finden sie. Gut, also raus aus dem Bett am frühen Morgen, will ja keine Spielverderberin sein!

Als erstes lassen wir uns mal auf einem Boot durch den Chao Phraya River kutschieren, vorbei an prächtigen Tempeln, ärmlichen Hütten und schwimmenden Händlern. Ich bin sofort im Südostasien-Groove! Es duftet abwechselnd nach Räucherstäbchen, Curry und Abwasserkanal, nach der ganzen Palette des Lebens halt. Dann zum riesigen, goldenen, liegenden Buddha. Ein feines Pad Thai. Und danach etwas Shopping an der Khao San-Road - also, die anderen, ich nicht, hab ja keinen Platz im Rucksack, musste schon meinen Pulli in Japan lassen, weil Pullis werd ich jetzt definitiv nicht mehr brauchen. Und am Abend auf eine sehr geile Rooftop-Bar am Siam Square, mit atemberaubenden Blick auf die Stadt. 

Ich bereue fast, habe ich am Morgen im Affekt einen Flug nach Krabi gebucht für den nächsten Tag, denn ich habe Bangkok nach nur 24 Stunden schon ziemlich ins Herz geschlossen. Aber eigentlich 
bin ich ja nach Thailand gekommen, weil ich ans Meer wollte.
 
Es geht also ohne meine neuen, halb so alten (ich glaub aber, die haben gar nicht gemerkt, dass ich ihre Mutter sein könnte, das kann man jetzt positiv oder negativ werten, haha!) britischen Freunde nach Krabi, im Süden des Landes. Die Stadt bietet nichts, ausser Häfen, von wo die Fähren auf die verschiedenen Inseln ablegen. Ich nehm ziemlich bald eine nach Koh Phi Phi. Und nach einem Tag kommt auch noch die Engländerin aus dem 4er-Schlag in Bangkok dazu, wir sind wieder vereint, judihui! Jetzt hat aber jede von uns ein eigenes Zimmer. Ich bin eben doch zu alt für dorms und bunk beds, ich will mein Zeug ausbreiten können, nackt rumlaufen, wann ich will, nicht anklopfen müssen und eine Dusche nur für mich alleine! Das sind die Privilegien des Alters, ich darf das jetzt, so!
Wir beschliessen, schnorcheln zu gehen in der Maya Bay. Um da hinzukommen, nehmen wir ein sogenanntes Longboat, also, so ein Motorboot aus Holz. Naja, eigentlich eine Nussschale. Und ausgerechnet an diesem Tag ist das Meer aufgewühlt und irgendwie sauer auf die Welt und so, jedenfalls wirft es unsere Nussschale herum wie ein Zirkusakrobat seine Jonglierkegel - manchmal
fühlt es sich an, als befänden wir uns im freien Fall, manchmal wie auf der Achterbahn, und wieder manchmal, als sässen wir in einem Twingo, und der würde grad von einem Lastwagen gerammt. Wir krallen uns verkrampft an allem fest, was es an Bord gibt, und das ist nicht viel. Wir werden herumgeschleudert, wie in einer Waschmaschine, und das tut zum Teil ganz schön weh. Trotzdem muss ich sagen: ich find's ja geil! Wie im Europapark, Silver Star, Adrenalin, YEEEAAAAHHH!!!! Meine einzige Sorge: mein nigelnagelneues iphone 6 ist auch mit an Bord, und wenn die Nussschale kentert, dann kann ich zwar schwimmen, aber mein iphone nicht.
 
Anders die Engländerin: sie hat die totale Panik, und ihr iphone ist ihr da herzlich egal. Ich versuch sie regelmässig zu beruhigen: "Don't worry, it's getting better, it's calmer now..." - und prompt kommt dann die nächste Riesenwelle, und die Engländerin schreit mich an, ich solle gefälligst "shut the fuck up!", ich verärgere die Meeresgötter ja nur noch mehr.
Kein Wort kommt von unserem Steuermann. Keine Tipps, wie wir am besten NICHT über Bord fallen und ertrinken und wo auf dem Kahn die Ueberlebenchancen am grössten wären. Nö, stoisch
schweigend stemmt er sich gegen die Wellen, lenkt das Boot zielgerichtet durch das Minenfeld und überlässt uns ganz unserem Schicksal.
Aber die Strapazen lohnen sich, wir haben die türkisblaue, glasklare Maya Bay fast für uns alleine und die Fische dort auch.

Nach der Schnorcheltour zieht die Engländerin um. Sie gönnt sich nämlich für eine Nacht ein poshes Hotel, so mit Bambus-Baumhäuschen, Infinitz-Pool und Meeressicht (sie ist nicht so die Sparfüchsin wie ich, offensichtlich). Wir müssen ihren ganzen Kram zu Fuss einmal quer über die gesamte Insel schleppen, denn auf Phi Phi ist autofrei, keine Taxis, keine Tuktuks, nix. Und das bei sengender Mittagshitze! Da haben wir uns die Sex on the Beaches am Pool ihrer neuen Bleibe aber mehr als verdient! Trotzdem wollen wir uns noch einmal überanstrengen und mieten uns ein Kanu, mit dem wir vom Hotelstrand rüber zum Monkey Beach paddeln. Paddeln my ass! Und  zum Affen machen wir uns auch selber! Nett aber auch, haben uns die Kanu-Leute nicht vor der Ebbe gewarnt, denn dann verwandelt sich die Bucht nämlich in ein Felsgebirge. Die Hinfahrt schaffen wir grad noch so, aber zurück müssen wir das verdammte Kanu ziehen, im Schneckentempo über die messerscharfen Korallen kletternd, mit blutigen Füssen im Slalom zwischen all den Seeigeln hindurch. Ich bin ganz schön sauer! Vielleicht auch ein bisschen, weil ich mir beim Schnorcheln einen Sonnenbrand geholt habe, und Sonnenbrand macht mich jeweils ein bisschen aggressiv. Mein Rücken ist pink. Ich kombiniere: die Erkältung aus Japan ist praktisch überstanden, dafür krieg ich jetzt Hautkrebs. Und die geilen Thai-Massagen kann ich auch erstmal eine Weile vergessen. AUA!
Und wo wir schon bei den Nachteilen des tropischen Klimas sind: Arschloch-Mücken! In Hülle und Fülle! Schon an meinem ersten Tag in Thailand fallen sie über mich her und lassen mich aussehen wie Quasimodo, einfach mit mehreren Buckeln. Danke auch! Ich kann mich und die Hotelzimmer noch so mit Insektenspray einnebeln, die einzige, die sich dabei vergiftet, bin ich! Ich hör die Mücken
richtig lachen, die sind doch schon längst immun gegen das Zeug und warten jeweils nur darauf, dass ich mich im Nebel sicher fühle und seelenruhig ins Bett gehe, und dann greifen diese Arschlöcher aus dem Hinterhalt an, und am Morgen hab ich jeweils wieder fünf Beulen mehr, die ich mir den gesamten Tag lang blutig kratzen muss!

Die Engländerin, deren Mutter so alt ist wie ich (ok, ich übertreibe, aber fast!), bleibt auf Phi Phi, ich nehm die Fähre nach Phuket. Mein Zeitplan ist eng, und ich will noch was anderes sehen. Phuket ist aber nicht ganz so meins: überfüllte Strände, auf der Schnorcheltour seh ich nur tote Korallen und das Boot ist diesmal gross und aus Metall, und ich muss es mit 20 anderen  teilen, darunter einer Familie aus China, deren zwei seekranke Kinder die gesamte Fahrt über kotzen.
Allerdings verfügt Phuket über einen Flughafen, und den brauch ich, wenn ich an mein nächstes Ziel kommen will: Kambodscha.