DIE WELT IST SCHLECHT, ODER EINE ZÜRI-TUSSI MITTE 40 GEHT MIT DEM LEBEN UM. Ein satirischer Blick auf den alltäglichen Wahnsinn und die Luxusprobleme eines Lebens in der coolsten Stadt der Schweiz, geworfen von einer Frau, die mehr oder weniger fest mitten im Leben steht. Was Frau Bitterbös beschreibt, hat sie wirklich erlebt. Nicht nur in Zürich, sie blickt regelmässig über den eigenen Tellerrand hinaus. Und hat eine Katze namens Godzilla.
Sonntag, 4. September 2022
150 Sommerpause als Goldfisch
Mittwoch, 8. Juni 2022
149 Adieu, Goodbye, Auf Wiedersehen
Das schwarze Elend kam nicht mehr nach Hause.
Nicht, dass ich nicht noch genug Elend zu Hause hätte, nein.
Ich meine Godzilla.
Die erste Nacht ohne sie
Die ist ja jetzt neu Freigängerin. Allerdings hält sie sich immer nur recht kurz draussen auf und kommt regelmässig in die Wohnung zurück. Aber letzte Woche kam ich des Nachts nach Hause – und keine Katze weit und breit. Das ist erst mal nichts Ungewöhnliches. Ich stelle mich dann auf die Terrasse und rufe sie leise (um die Nachbarn nicht zu wecken und nicht als kompletter Creep abgestempelt zu werden, der zu später Stunde im Dunkeln nach einem asiatischen Riesenmonster schreit). Wenn Godzi mich hört oder hören will, dann kommt sie sofort und begrüsst mich. Vielleicht zieht sie danach weiter, aber wenigstens weiss ich dann, dass sie noch am Leben ist. Eine Art soziale Kontrolle. Als könnte sie zwischen zwei Kontrollen nicht sterben, aber egal. Manchmal kommt sie auch erst irgendwann nach meinem Rufen angelaufen, wenn ich längst wieder drinnen bin.
Aber in jener Nacht kam sie gar nicht.
Ich hasse das. Ich kann erst schlafen, wenn ich das haarige Biest noch einmal gesehen habe vor dem ins Bett Gehen. Und bis dahin war das noch immer der Fall gewesen, deshalb wurde ich wirklich unruhig. So unruhig, dass ich um Mitternacht noch durchs Quartier schlich und nach Godzi suchte.
Vergeblich.
Das mit der Klappe klappte nicht sofort
Ich machte kein Auge zu, lag im Bett und lauschte in die Nacht hinein. Ich hoffte, bald die Klappe des neuen Katzentürchens zu hören. Es macht immer einen ziemlichen Krach, wenn meine Katze da durchgeht. Das hat damit zu tun, dass sie das Türchen glaub ich nicht so mag. Sie stösst immer erst mehrmals dagegen, klettert halb hinein, dann wieder hinaus, bis sie sich endlich doch bequemt und ziemlich dramaqueen-mässig hindurchzwängt. Es kostete mich satte zwei Wochen, ihr beizubringen, dass ihr der Ein- oder Ausgang nicht versperrt sind, auch wenn die Klappe zu ist. Sie muss sie doch einfach nur aufstossen! Das kapierte das kleine Arschloch aber lange nicht, weshalb ich die Klappe tagelang mit Klebeband offen halten musste. Fiel sie trotzdem mal zu, dann fühlte die Katze sich entweder ein- oder ausgeschlossen, je nach dem, wo sie gerade war. Dann blieb sie bei schönstem Wetter halt in der Wohnung oder schlief draussen unter einem Gebüsch, weil sie das Gefühl hatte, der Zugang zum weichen Bettchen sei ihr verwehrt.
Ich zeigte ihr zig Mal mit einem Plüschtier vor, wie der Mechanismus funktioniert. Ich schmierte ihren heissgeliebten Liquid Snack an die Klappe. Ich raschelte mit Trockenfutter auf der anderen Seite, ich leuchtete mit dem Laserpointer hindurch – war Godzilla alles scheissegal. Als ich die Geduld verlor und sie einfach mit Gewalt hindurchstopfte, stellte sie sich an, als würde ich sie lebendig häuten! Ihre Krallen hinterliessen tiefe Spuren auf meiner Haut…
Schliesslich hatte ich keinen Bock mehr – weg mit den Plüschtieren, den Klebstreifen und Leckereien.
Und das war der Moment, indem sie es checkte.
Seither: Freedom, here I go again!!
Aber immer mit regelmässigem Einkehren im sicheren Hafen. Und damit wären wir zurück beim Thema: Auch am nächsten Morgen liess sich der plüschige Hausdrache (ich finde ja ohnehin, Godzi sieht aus wie dieser Trickfilm-Drache Toothless da, kennt ihr den? Allerdings hat sie Zähne, und die tun echt weh!) leider nicht blicken.
Jetzt kriegte ich Panik.
Ich alarmierte alle meine Freunde. Die Rückmeldungen reichten von «Das ist nicht schlimm, ich kenne Katzen, die sind den ganzen Sommer draussen und kommen erst im Herbst wieder heim» bis «Was? Schon eine Stunde weg? Ruf mal die Gemeinde an, sie wurde sicher überfahren!».
Ich fackelte gar nicht erst lange: Ich meldete Godzi online als vermisst auf so einem Tierportal und lief das Quartier und vor allem alle anliegenden Strassen 432401 mal ab, schaute unter jedes Gebüsch, wo sie hätte liegen können, auf jeden Baum, auf den sie hätte klettern können, zählte sämtliche Kellertüren und Garagentore, wo sie potenziell hätte eingeschlossen werden können.
Abschied nach 24 Stunden
Ein guter Freund erbarmte sich und druckte mir meine Vermisstmeldung als Plakate aus, die hängten wir dann in der Gegend rund ums Haus an Fassaden, Laternenpfähle und Toi Tois von Bauarbeitern.
Ich heulte die ganze Zeit wie ein Schlosshund (obwohl ich nicht mal weiss, was ein Schlosshund ist und auch bezweifle, dass Hunde literweise Tränen vergiessen können, so wie ich), ich war überzeugt, dass ich meine Godzilla nie mehr wiedersehen würde. Sie war noch keine 24 Stunden verschwunden, aber innerlich hatte ich schon Abschied genommen von ihr. «Adieu, Goodbye, Auf Wiedersehn» singen Rammstein (ganz geiles Konzert, übrigens!), und das kam mir dauernd in den Sinn. «Ein letztes Lied, ein letzter Kuss, kein Wunder wird geschehn». Wenn sie kein Auto erwischt hatte, dann vielleicht ein Fuchs im Wald oder der Riesengreifvogel, den ich vorhin noch über unserem Haus hatte kreisen sehen. Vielleicht war sie verletzt und hatte sich irgendwo verkrochen, ganz schlimm leidend. Vielleicht war sie aber auch nur weggelaufen, weil sie mich einfach scheisse fand, weil ich nur selten Homeoffice mache, weil ich oft unterwegs bin, weil mein viel jüngerer Lover sie traumatisiert hatte (die Schlafzimmertür war halt offen).
Das Leben ist ein cabrón!
Jetzt lebte sie bei anderen Leuten, die sich besser um sie kümmerten, die immer zu Hause waren, gutbürgerlich verheiratet, ohne Eskapaden und ohne Reiselust. Und dabei war ich doch extra aufs Land in eine Parterrewohnung gezogen für SIE, damit SIE auf Feld und Wiesen herumtollen und das beste Katzenleben überhaupt haben kann – ginge es nur um mich, wäre ich in einen Neubau im 5. Stock in einem Hipsterviertel gezogen, mit Bars und Shops um die Ecke.
Und in der nächsten Nacht stand Godzilla einfach plötzlich in meinem Schlafzimmer.
Seither ist mein Leben wieder super, und ich habe mir geschworen, mich nie mehr über etwas zu beschweren – ok, vielleicht nicht für immer, aber für eine Zeit lang. Alles ist gut, am Ende zählen nur ich und sie, nothing else matters.
Deshalb wünsche ich euch jetzt eine friedvolle Zeit und bis zum nächsten Mal!
Oh, es klingelt. Der Lover kommt. Sorry, Godzi, geh doch ein bisschen raus, spielen.
Sonntag, 8. Mai 2022
148 Der Marder, der Igel, Godzilla und ich
Neulich kam ich in der Nacht nach Hause, auf dem Velo und schaute vor der Garageneinfahrt in den Garten meines Nachbarhauses. Ein vierbeiniges Viech bewegte sich ziemlich flink über die Wiese, grau und pummelig - ein riesiger Igel. "Welcome to the countryside!", dachte ich. Weil da lebe ich jetzt, am äussersten Zipfel von Zürich, sozusagen im Grünen.
And I like it!
Obwohl: So anders ist es eigentlich gar nicht. Auch "im Chrachen usse" gibt es eine Menge schräger Leute. Letzte Woche sass ich im Bus (dem einzigen Bus, der zu mir fährt, übrigens), und neben mir war eine ältere Frau, die lauthals sang. Ich und alle anderen Passagiere versuchten, sie so gut es geht zu ignorieren, weil ein Augenkontakt in solchen Situationen ja ziemlich peinlich sein kann. Als die Dame ihr Medley beendet hatte, schaute sie in die Runde und meinte enttäuscht: "Es klatscht ja gar niemand für mich."
Ja, so geht es mir auch öfters, wenn ich was vermeintlich ganz Tolles mache und das keine Sau interessiert. Ich denke da an die elf Rollos, die ich neulich eigenhändig an meinen Fenstern montiert habe, damit mich die Nachbarschaft nicht so schnell beim Blütteln erwischt. Kein Beifall dafür, gar nix.
Und nicht, dass ich jetzt hier einen völlig falschen Eindruck erwecke: Godzilla und ich sind sonst also ein Herz und eine Seele! Unser Frauen-Haushalt läuft ausgezeichnet. Wir teilen uns sogar das Bad: Ich habe zum Glück zwei Lavabos, und das eine ist jetzt ihr Bett. Ja, jeder hat halt so seine Vorlieben, nicht?
Ok, bevor dieser Blog hier zu einem reinen Cat Content ausartet: Mir geht es besser, danke der Nachfrage! Nicht, dass ich die Trennung und die zwei Umzüge innert drei Monaten jetzt schon komplett verdaut hätte. Nicht, dass ich nie mehr unter der Dusche heulen würde. Nicht, dass ich fände, ich könnte das Geld für meine Therapeutin langsam sparen. Aber es geht definitiv bergauf. Spätestens, nachdem ich am ganzen Körper einen sehr hässlichen Ausschlag bekam, wegen dem ich eines schönen Wochenendes in einer Notfallpraxis landete, der sich dann zum Glück als harmlos, aber sehr langlebig herausstellte und deren Ursache ein Virus oder meine verkorkste Psyche sein könnte, war mir klar: Jetzt ist fertig rumdeprimieren, jetzt muss es wieder bergauf gehen! Und das ging es dann auch.
Das hat unter anderem auch mit meinem viel jüngeren Liebhaber zu tun.
Scherz.
Nein, eigentlich nicht.
Ach, ich lass euch selber entscheiden 😋
Und übrigens, falls ihr euch fragt, wo denn mein Podcast geblieben ist: Keine Angst, er kommt bald wieder! Er wird nur grad einer Generalüberholung unterzogen, genau so wie mein Leben. Danach sind wir in alter Frische zurück. Ah, nein, eben nicht: in neuer!
Der Marder, der Igel und ich sagen danke und bis bald! Grüsse vom Land!