Donnerstag, 3. Januar 2019

99 Ein besserer Mensch werden

HAPPY NEW YEAR!!!

Ich wünsche euch allen ein tolles, gesundes, erfolgreiches, lustiges und reiches 2019 - aber findet ihr diese Zahl eigentlich auch so hässlich wie ich? 2018 war hübscher, irgendwie...

Anyway, ich nehme mir ja nie was vor an Sylvester. Ich finde das blöd. Sport mach ich ja dann doch wieder nicht. Nichtraucherin bin ich schon. Alkohol sagt mir nicht viel. Und überhaupt versuche ich, Dinge, die mich stören, grad ad hoc zu ändern, und nicht erst den Jahreswechsel abzuwarten.

Aber dann war 2019 (igitt!!) noch keine zwei Tage alt und ich wühlte im Ausverkauf in den Auslagen, auf der Suche nach Schnäppchen, da durchfuhr es mich plötzlich wie ein Blitz und ich hörte eine göttliche Stimme, die mahnte:

Wieso um alles in der Welt kaufst du dir jetzt schon wieder neue Kleider?? Hast du wirklich nicht schon genug im Schrank? Respektive: in deinen SCHRÄNKEN!!!

Und ein Blick auf meine Budget-App auf dem Handy (jaaaaaa, ich dokumentiere meine Ausgaben ganz pingelig!) bestätigte mir dann auch: Letztes Jahr hätte ich mit dem Geld, das ich für Klamotten ausgegeben hatte, eine schöne Fernreise machen können. Oder ein afrikanisches Dorf mit einer Wasserleitung versorgen. 
Stattdessen habe ich es eingekleidet. 
Ha! Das schlechte Gewissen packte mich urplötzlich, und nun ist tatsächlich der Moment gekommen, an welchem auch ICH meine Jungfräulichkeit verliere und mir etwas vornehme für das neue Jahr:

Keine. Klamotten. Kaufen!
Kein. Einziges. Teil!
Bis am 31. Dezember 2019 (uääksss!!)! 

Nein, auch keine Socken oder Unterhosen! Denn auch von denen hab ich mehr als genug! 
Gut, höööööööööchstens, sollte ich irgendwo im Ausland meinen Koffer verlieren oder ähnlich. Aber erst, wenn ich mindestens drei Tage abgewartet habe. Na gut, vier.
Fertig jetzt, Bitterbös, du alte Fashionista! Jetzt werd mal endlich ein besserer Mensch und steck dein Geld lieber in die Vorsorge oder in eine Stiftung oder in funktionierende Velowege oder sonst irgendwas Sinnvolles!

Irgendwas sagt mir, ich werde kläglich scheitern. 
Drückt mir die Daumen!

Montag, 17. Dezember 2018

98 Massierte Minderwertigkeitskomplexe

Neulich wollten sich eine Freundin und ich etwas Gutes tun, und wir entschieden uns für eine Massage. Und zwar für eine Partnermassage - klingt versaut, ist es aber nicht. Es ging einfach nur da drum, dass wir beide zur selben Zeit massiert werden wollten, ob im selben Raum oder nicht. Damit die eine nicht auf die andere warten musste.

Wir entschieden uns also für einen fancy Yoga Place (was mich an Blogpost Nummer 89 erinnert - meine Yogakarriere ist übrigens schon wieder vorbei!), wo schon beim ersten Betreten alles nach Gesundheit und Veganismus und Entspannung und SeineMitteFinden schrie. Die besten Voraussetzungen also, um ein neuer Mensch zu werden!
Als wir am Empfang den Termin für den nächsten Tag machten, witzelten wir schon, was die uns wohl für Masseurinnen oder Masseure zuteilen würden. Sicher so zwei männliche Topmodels, damit die Situation ja noch akwarder würde, als sie sonst schon ist. Ich meine, an einer medizinischen Ganzkörpermassage OHNE HAPPY END ist ja nichts dabei, aber immerhin liegt man halbnackt dort und der andere knetet überall an einem rum, man kann also nicht abstreiten, dass das eigentlich schon was ziemlich Intimes ist und man so einiges von sich preisgibt, ob man will oder nicht. Da ist es einem lieber, wenn einem die Masseurin oder der Masseur wirklich gar nicht gefällt, denn sonst bekommt das Ganze irgendwie einen noch peinlicheren Touch.

Tja, Pech gehabt.
Natürlich standen am nächsten Tag tatsächlich die beiden männlichen Topmodels im fancy Yoga Place, um uns in Empfang zu nehmen. Be careful what you wish for, sag ich da nur!

Auf dem Weg in den Massageraum mussten sich meine Freundin und ich das Lachen verkneifen, und als uns die beiden durchtrainierten Adonisse dann kurz zum Umziehen (oder besser gesagt Ausziehen) allein liessen, konnten wir uns nicht mehr zurückhalten: "Oh Gott, das erinnert mich jetzt  irgendwie an Sex and the City!" - "Verarscht uns hier jemand? Haben die uns hier gesehen und gedacht: 'Na, die haben's nötig, denen schicken wir gleich das grosse Geschütz!' oder was?" - "Ui, zum Glück habe ich heute nicht die ganz hässliche Unterhose an!" - "Ich nur einen Tanga! Das ist mir jetzt aber mega unangenehm!" - "Was meinst du, wer massiert wen? Willst du lieber den dunklen oder den blonden?" - "Wie war das nochmal in Sex and the City?" - "Samantha flog aus dem Spa, weil sie sich an den heissen Masseur ranmachte." - "Ah, ja?"


Ist das jetzt übrigens so ein Fall für #metoo? Liebe Männer, falls ihr euch gedemütigt fühlt: Das war alles nur "Lockerroom talk", wir machten uns einfach nur lustig über die Situation. Und versuchten so, unsere Nervosität etwas zu dimmen. Denn ehrlich gesagt, war es für mich mit der Tiefenentspannung erstmal vorbei. Und das hat nichts mit den Masseuren zu tun, die natürlich so gut aussehen dürfen wie sie wollen, sondern mit mir und meinen Minderwertigkeitskomplexen.
Ja, jetzt liegt man also eben so halbnackt auf diesem Schragen und hat das Gefühl, kein Fettpölsterchen, kein Fältchen, keine Delle bleibt dem anderen verborgen. Gott, nicht so fest rütteln am Gesäss, das schwabbelt doch so! Wieso kann der so easy unter mein Schulterblatt greifen? Hab ich dort so viel Fett?!
Und man hat auch das Gefühl, man könnte für diese vermeintlichen Unzulänglichkeiten verurteilt werden: "Oh mein Gott, frisst die Gute denn nur Fast Food oder was? Und was sind das denn für komische Verspannungen hier? Wie kriegt man denn sowas? Schon mal was von Sport gehört??"
Solche und ähnliche Gedanken liessen mich während der ganzen Massage nicht los - obwohl sie wirklich top war! Wie ein junges Geisslein sprang ich hinterher vom Tisch, mit total lockeren Muskeln, dafür etwas angespanntem Kopf.

Meine Freundin, ich und die beiden Masseure unterhielten sich hinterher noch ein wenig. Ihrer (der dunkle) machte ihr ein Kompliment: Er habe schon gemerkt, dass sie sehr athletisch sei, diese Beinmuskeln seien beeindruckend und es freue ihn, dass sie ihrem Körper Sorge trage.
Meine Freundin zählte daraufhin ihre sportlichen Aktivitäten auf, und ich lachte nur nervös und meinte: "Tja, ich mache gar nichts davon!"
Insgeheim hoffte ich, mein Masseur (der blonde) würde nun etwas erwidern, so im Stil: "Och, das merkt man aber gar nicht" oder so.

Aber leider schwieg er beharrlich.

Sonntag, 25. November 2018

97 Wie teuer ist Leben?

Meine Mutter ist über 70, aber eigentlich wirkt sie wie gerade mal Mitte 50. Sie ist fit, schlank und rank, färbt sich die Haare, zieht sich gut an, nimmt aktiv am Leben teil. 
Aber sie ist krank. Sie hat Krebs, unheilbar.
Nun ist es so, dass ihr eine Immuntherapie helfen könnte. Nicht heilen, aber helfen. Allerdings: Niemand will ihr diese Therapie bezahlen. Die Versicherung fühlt sich nicht zuständig: Ob der seltene Krebs, den meine Mutter hat, auf das Medikament anspreche, sei nicht erforscht. Und da will man natürlich kein Geld verschwenden. "Ein paar hübsche Sportwagen" könnte man mit dem Wert der Therapie kaufen, sagen die Ärzte lakonisch. Und irgendwas sagt mir, dass die Versicherer auch genau das lieber tun würden, als Spitalrechnungen zu begleichen. 

Gaaaaannnzzz böse, jaja, shame on me! Aber ich frage hier einfach mal in die Runde: Wie teuer darf Überleben denn sein?
Ja, ich weiss, 100'000 Franken, hat das Bundesgericht vor einigen Jahren festgelegt. Was für ein Witz! Wer kann ein Leben denn schon mit Geld bewerten? Wenn jemand also keine 100'000 Franken hat, dann soll er halt einfach sterben oder was? Und was ist denn teurer? Muskelschwund, Krebs oder Cystische Fibrose? Oder anders gefragt, was ist schlimmer: Langsam zu ersticken oder an Organversagen zu sterben? Wer legt das fest? 


Mir ist schon klar, dass Spitzenmedizin nicht gratis ist. Die Forschung kann ohne Ressourcen nicht arbeiten, Medikamente lassen sich nicht ohne Geld herstellen, Chirurgen operieren nicht umsonst. Und ich motze auch jedes Jahr, wenn die Krankenkassenprämien wieder steigen. Aber Preise für Medizin allein dem Markt zu überlassen, finde ich völlig absurd. 
Mit der Gesundheit ist es doch wie mit dem Wasser: Wir ALLE brauchen es, um anständig zu leben. Und wir  haben ALLE das gleiche Recht darauf, ob arm, ob reich, ob grün, ob rot - also, nein, wir haben es eben nicht, aber wir sollten es haben, verdammt nochmal! Gesundheit und Wasser sind  Menschenrechte. Wir haben doch grad heute darüber abgestimmt, dass es höhere Rechte gibt als das rein Schweizerische, oder? Also, das Menschenrecht ist so eins. Das mal so als Einschub. Und mit Menschenrechten Geschäfte zu treiben, ist einfach nur arschlochig. Jemandem dreckiges Wasser vorzusetzen, weil er sich das saubere nicht leisten kann, geht einfach nicht. Es geht schon nicht, dass Wasser überhaupt was kostet. Und niemand schreibt mir vor, wann ich zu sterben habe, schon gar nicht mein Bankkonto!

Wer also legt fest, wieviel das Leben wert ist?
Offenbar die Pharmaindustrie.
Beispiel: Novartis hat vor einigen Wochen angekündigt, eine neue Gentherapie gegen eine besonders schwere Form von Muskelschwund auf den Markt zu bringen. Kostenpunkt: 4 Millionen Franken für eine einzige Infusion! 
4 MILLIONEN!!!!! 
Was ist jetzt mit den Eltern von Kindern, die mit dieser Krankheit auf die Welt kommen? Die wissen, dass ihr Sohn, ihre Tochter ohne Behandlung keine 2 Jahre alt wird? Werden ihre Namen in einen Topf geworfen und die Versicherungen ziehen dann einen glücklichen Gewinner? Weil: Allen Betroffenen können sie unmöglich eine solch teure Therapie bezahlen. 
4 Millionen. Noch ein paar Sportwagen mehr. 

Wir fassen also zusammen: Wer eine schwere, und vor allem seltene Krankheit hat, ist völlig unserem Gesundheitssystem ausgeliefert. Und dieses entscheidet, ob es in sein Leben investiert oder nicht. Wer zu teuer ist - selber berappen oder halt Pech gehabt. 

Meine Mutter und ich können uns beide keine Sportwagen leisten.