Montag, 12. Oktober 2015

33 Rollig

Manchmal hätte ich einfach gerne Sex. Nur das, nichts weiter.

Jupp, ich bin sicher, nach diesem einen Satz haben jetzt grad 10'000 mehr als sonst diesen Blog hier angeklickt - IHR GRÜSEL! Typisch!
Aber menschlich. Und ja, ist so: auch ICH bin nur ein Mensch, kaum zu glauben. Auch ich habe so meine primitiven Bedürfnisse.

Jaja, ich weiss, Sex zu haben in der Stadt Zürich ist nun wirklich nicht schwierig, auch ohne feste Beziehung (wahrscheinlich ist es dann sogar noch einfacher). Tinder, Facebook, Sportvereine, Vernissagen, die eigene Kontaktliste im iphone oder eine Bar nachts um 3 - man wird auf jeden Fall fündig, wenn man ein paarungswilliges Männchen oder Weibchen sucht. Und meistens muss man nicht einmal suchen, denn irgendwie hat man in seinem Umfeld ja doch immer irgend so ein Gschleick, dem man nur kurz einen Funk geben muss.

Ist bei mir auch nicht anders.
Ausser genau jetzt.

Und ich bin rollig. (Grossartiger Ausdruck, übrigens!)

Aber alle möglichen Geschlechtspartner sind irgendwie grad so saumässig beschäftigt, keiner hat Zeit und Musse. Sagen sie jedenfalls. Vielleicht servieren sie mich aber auch einfach gerade ab, wer weiss.
Und die bereits Abservierten kann ich auch nicht mehr aktivieren. Aus unterschiedlichen Gründen. Aber meistens ist es meine Würde. "Sorry, wir haben 234230 Monate nichts mehr voneinander gehört, weil du einfach ein riesiges Arschloch bist, aber jetzt bin ich gerade notgeil und dachte, vielleicht bis du ja in der Nähe..." - ¨ääähm, nope. Sex ja, aber ich will mich nachher noch im Spiegel anschauen können, ohne dass mir gleich das Kotzen kommt.
Mit dem Sex haben ist es ein bisschen wie mit dem Schuhe kaufen: wenn man grad ganz dringend ein Paar braucht, dann findet man natürlich keine passenden. Und Schuhe kaufen kann auch so verdammt anstrengend sein: man sucht und sucht die Regale im Laden ab, probiert Paar um Paar, und dasjenige, das einem am besten gefällt, hat's grad nicht in der passenden Grösse... Gut, ich könnte auch einfach rein in den Laden, das erste Paar Schuhe packen, egal, ob eine Nummer zu klein, geht ja schon irgendwie, zieh sie ja eh nicht so oft an, zahlen, raus. Aber dann nerv ich mich ja doch nur wieder, weil sie drücken oder zu teuer waren oder null zum neuen Kleid passen!

Nein, echt, man muss wirklich gerade in der perfekten Stimmung sein, um sich diesen furchtbar mühsamen Gang von Vögele zu Pasito zu Ochsner antun zu können, ohne dass man nicht ernsthaften psychischen Schaden davon trägt. Und Amok läuft.

Und zur Zeit habe ich halt einfach keinen Bock auf Schuhkauf. Auf Schuhe schon, aber nicht das Ganze drum herum. Tinder, Bars und Co. können mir grad gestohlen bleiben. Wenn ich noch EINE Velo-Uniform sehen, ein "Hey, wie gestaltest du dein Leben?" lesen, einen biergeschwängerten Atem in meinem Gesicht spüren oder die berühmte Katze im Sack zu Hause wieder enttäuscht in den Sack zurückpacken muss, falle ich in Ohnmacht! Und zwar aus Langeweile.

Übrigens auch, wenn ich's mir selber machen muss - also behaltet eure gut gemeinten Ratschläge grad mal schön für euch selber, falls ihr auch mal rollig (einfach zuuuuu geil, dieses Wort, echt! :-)) seid.
Booooring.

Ja, manchmal MAG man halt einfach nicht. Auch wenn's um die grundlegendsten, menschlichen Bedürfnisse geht. Kennt ihr das? Das ist, wie wenn man saumässig Hunger hat, aber zu faul zum Einkaufen ist und stattdessen zu Hause an der abgelaufenen Packung mit trockenen Guetzli knabbert. Schmeckt scheisse und nachher hat man noch mehr Hunger.

Jupp, so sieht's aus.
Ich hab Hunger, aber der Kühlschrank ist leer.
Ich hätte gern ein Paar schicke neue Sneakers, aber meine Grösse haben sie ja eh nie.

Ich will Sex, aber ohne trockene Guetzli und endlos nervige Shopping-Trips, ohne Katze im Sack.

Damn it. Rollig sein ist manchmal scheisse.

(Haha! "rollig"! Love it!!)







Mittwoch, 30. September 2015

32 KRACH! BUMM!! BÄMM!!!

Heute Morgen war ich im Krieg.

Links und rechts schlugen die Granaten ein. Ich konnte sie nicht sehen, aber deutlich hören und spüren, wie die Erde zitterte. 

BUMM!! BUMM!! BUMM!!

Regelmässig wie Hammerschläge.
Dann ächzten die hohen Gebäude über mir, sie neigten sich immer mehr zur Erde. Mit einem Krach brachen die Gemäuer ein, die Brocken stürzten geradewegs auf mich herab. Ich versuchte zu laufen, kam aber keinen Schritt vorwärts, war wie eingefroren. Schützend hielt ich die Hände über meinen Kopf und kniff die Augen zusammen.
Oh Gott, wenn ich jetzt sterben muss, dann bitte, lass es schnell und schmerzlos geschehen! 

PÄNG!!! WAMM!!! ZIUUUMMM!!!!
Ich hatte Glück: keines der Trümmer, das um mich herum in den Boden einschlug, traf mich. 

Dichter Staub wirbelte auf, ich hatte Mühe zu atmen, es würgte mich, die Sicht war getrübt.
Wo um Gottes Willen rannte ich hin? Rannte ich überhaupt?

IIIIIIIIIIIHHHHHHHHKKKKRRRRRRRRRRKKKKKKKK!!!!!!!!

Ein scharfes Geräusch von quietschendem Metall durchschnitt die Luft, es schmerzte in den Ohren. Ich sah durch die Wand aus Staub, wie irgendwo weit entfernt die Funken sprühten. 
Dann war da plötzlich irgendwas vor meinen Füssen, ein Stück Mauer oder so, ich stolperte, stürzte. Der Boden unter mir war in Bewegung, es rumorte wie bei einem Erdbeben. Irgendetwas bewegte sich auf mich zu, irgendetwas Grosses, Monströses. Es rollte unerbittlich heran und machte alles platt, was sich in seinem Weg befand. Ich hörte, wie es unter seiner gewaltigen Walze krachte und splitterte. Dazu pfiffen erneut Granaten durch die Luft und schlugen tiefe Krater in die Strasse, IIIIUUUUUUUUUHHHH BUUUMM!!!!!

Ich versuchte, auf allen vieren davon zu kriechen, mich irgendwo in Sicherheit zu bringen. Es kam immer näher, dieses Ding, der Krach wurde immer lauter, der Staub um mich herum irgendwie immer heisser, irgendwo brannte es. Ich krallte mich in die Trümmer am Boden, zog mich verzweifelt vorwärts, aber ich war nicht schnell genug... 

BÄÄÄÄÄÄMMMMMM!!!!!


Dann schreckte ich schweissgebadet im Bett auf und merkte: die Handwerker auf der Baustelle vor meinem Haus hatten wieder besonders früh mit der Arbeit begonnen. 

Mittwoch, 9. September 2015

31 An die Gutmenschen

Ha!
Es ist wieder mal so weit: eine neue Solidaritätswelle rollt über uns drüber.
Nach der Ice Bucket Challenge und Je suis Charlie sind jetzt die Flüchtlinge dran. Kaum geht man mal auf Facebook oder Twitter, schon starrt einem das tote Kind am türkischen Strand entgegen. Die Medien berichten pausenlos vom Chaos an der ungarisch-serbischen Grenze und auf den Inseln im Mittelmeer, aber die Friends wissen scheinbar nicht, dass man zu Hause auch Fernsehen, Internet und Radio hat, und deshalb posten sie sicherheitshalber mal eifrig die Links der Berichterstattung in den social media, es könnte sie ja sonst jemand verpassen. Man erhält reihenweise elektronische Einladungen und Aufrufe zu Demos und Spendenaktionen, dazu jede Menge Gefühlsausbrüche, manchmal auch rassistische, aber die werden nie unkommentiert stehengelassen und ihre Urheber unliked und unfriended.

Denn alle sind so schrecklich betroffen. Alle.

Schön. 
Es ist so einfach, sich als Gutmensch zu fühlen, nicht wahr? 
Ein kurzer Post auf Facebook. Ein Like unter eine Einladung zum Kleidersammeln - auch wenn man ja eh nicht hingeht. Unter ein Bild mit "Refugees welcome" - auch wenn man eigentlich froh wäre, gäbe es ein bisschen weniger Asylsuchende hier. Öffentlich seine Empörung äussern gegen die Chefs der EU - auch wenn man sonst nicht mal abstimmen geht und von Politik keine Ahnung hat. 
Aber alle anderen machen es ja schliesslich auch, und man muss doch zeigen, dass man sich total gut auskennt in dem, was da so geschieht auf der Welt, schliesslich sieht man das doch jetzt täglich im Fernsehen, diese Flüchtlingsströme, und was ihm Fernsehen stattfindet, ist richtig und wichtig und da muss man allen anderen doch klar machen, dass man voll mit dabei ist und das einfach nicht fair findet, was diese Flüchtlinge alles durchmachen müssen und dass einem das nicht egal ist, denn egal ist es doch nur der SVP und die SVP gut finden, das ist völlig uncool und gibt auch nicht so viele Likes auf Facebook.

Helft den Flüchtlingen, bitte. Ja, helft ihnen. Aber haltet die Klappe! Es geht hier nicht um euch, es geht um die, die unsere Hilfe dringend benötigen. Es interessiert keine Sau, was ihr hier für Gutmenschen seid, und in den Himmel kommt ihr auch nicht, nur weil andere fleissig eure Posts liken und retweeten und ein "Ich find's auch mega schrecklich! Mörgeli ist ein Arschloch!" darunter schreiben, beziehungsweise, ihr seid's ja schon, ihr lebt ja in der Schweiz. 
Helft ihnen. Und bitte auch, nachdem die Solidaritätswelle wieder verebbt ist. Denn ihr werdet es nicht glauben: Flüchtlinge gab es schon immer. Und sie gibt es auch, wenn die Medien nicht darüber 
berichten und eure Friends keine Links posten. 
Und jetzt kommt's noch ganz dick, sorry, dass ich euch eure eigenen heilen kleinen Welten vielleicht nun zerstöre, aber: eigentlich geht es überhaupt einem Grossteil der Menschen auf diesem Planeten so richtig scheisse. Sie haben nicht nur kein Facebook, sondern auch nichts zu Essen, keine Sicherheit, kein Dach über dem Kopf, keine medizinische Versorgung, keine Zukunft.

Und ja, tatsächlich, sie bräuchten IMMER unsere Hilfe.