Dienstag, 16. Juni 2020

123 Spamulin

Mohrenkopf.

Ich weiss natürlich, was mit Mohren gemeint ist. Aber ehrlich gesagt, musste ich den Begriff erst mal googlen: „Mohr“ kommt offenbar vom lateinischen „maurus“, was „Bewohner Mauretaniens“ bedeutet und was wiederum auf das altgriechische „mauros“ zurückzuführen sei, was „braun, schwarz“ bedeutet. Und ja, die Bewohner Mauretaniens waren eben schwarz. Oder darf man das jetzt heute auch nicht mehr sagen? Was ist denn richtig? Farbig? Menschen mit dunkler Hautfarbe? Naja, Schwarze sind ja eigentlich so wenig schwarz wie wir Weisse richtig weiss sind. Also sind wir streng genommen alle farbig, denn mein Zeichenlehrer in der Schule hat mir damals beigebracht: Schwarz uns weiss sind keine Farben.

Kommt ihr alle noch mit? Komplizierte Sache.

Aber zurück zum Mohrenkopf.
Ja, seien wir ehrlich: Diese Bezeichnung ist echt nicht mehr zeitgemäss, denn „Mohr“ ist einfach ein negativ konnotiertes Wort (uuiii, „konnotiert!“ Ich bin so klug, ich kann so fancy Ausdrücke, ich hab studiert!). Wenn die Süssigkeit jetzt einfach Schwarzenkopf heissen würde, wäre der Namensstreit wahrscheinlich gar nie ausgebrochen, denn Fakt ist: Das Ding hat mit viel Fantasie die Form eines Kopfes und ist mit dunkler Schokolade überzogen. Wäre es immer weisse Schokolade, hätte man sie vielleicht Weissenkopf genannt. Und niemand würde sich darüber aufregen, weil „Du Schwarzer!“ oder „Du Weisse!“ keine Schimpfwörter sind. Sie beschreiben streng genommen einfach eine äussere Erscheinung, und daran ist nichts verwerflich, auch wenn ich weiss, dass einige vielleicht weiss besser finden als schwarz oder gelb besser als rot. Aber seien wir ehrlich: Farben kennen echt keine Ranglisten, sorry! Wer so denkt, dem ist sowieso nicht mehr zu helfen.  

Und ehrlich gesagt: Ich habe nie an einen Afrikaner gedacht, wenn ich in einen Mohrenkopf biss. Genau so wenig wie an einen Berliner, wenn ich einen solchen biss (und ich meine jetzt das Gebäck, ihr Ferkel!). Ich habe auch nie an einen Afrikaner gedacht, wenn ich als Kind „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ spielte. Da stellte ich mir mehr so eine unheimliche, unmenschliche Schattengestalt vor, ein Monster. Aber das hatte keine Ethnie.
Als Kind hatte ich übrigens auch ein Buch mit dem Titel „Zehn kleine Negerlein“. Eines nach dem anderem starb oder verschwand. Aber ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, warum das ausgerechnet dunkelhäutige Kinder waren in dieser Geschichte. Für mich war das reiner Zufall. Das Buch hätte gerade so gut „Zehn kleine Schweizerlein“ heissen können, das hätte für mich keinen Unterschied gemacht.
Und im umstrittenen Erziehungs-Bestseller „Struwwelpeter“ von Heinrich Hoffmann las ich die Story mit diesem riesigen Tintenfass. Ein Typ steckt da einfach nervige Buben rein, und dann sind sie schwarz, „schwärzer als das Mohrenkind.“ Und das ist sehr blöd für sie.
Aber auch da dachte ich damals nicht: „Oh, jetzt sehen die ja so aus wie die Menschen in Afrika oder in der Karibik!“ Ich dachte: „Oh, scheisse, diese Tinte überall geht doch nie mehr weg!!“


Wieso ich das alles erzähle?

Um zu zeigen, dass mir sehr wohl bewusst ist, auf was diese Texte und Darstellungen abzielen und dass sie einen unverzeihlich rassistischen Hintergrund haben. Aber auch, dass der Konsum von diesen Büchern und Süssigkeiten mich selber nicht rassistisch gemacht hat. Und es auch nie machen wird.

Aber nein, das heisst nicht, dass wir all diese Bezeichnungen und Geschichten einfach weiterhin akzeptieren sollen. Im Gegenteil: Ich verstehe nicht, wie man an so veralteten Dingen ums Verrecken festhalten will!
Also, wieso musste die Migros jetzt unbedingt diese wirklich unglaublich schmackhaften Dickmacher aus den Regalen schmeissen, anstatt dass Dubler einfach diesen Namen rausgeschmissen hätte? Tradition hin oder her – nicht alles, was von früher stammt, ist auch besser. Und die Welt ändert sich nunmal. In ein paar Aspekten werden wir Menschen sogar klüger. Erstaunlich, aber wahr.
Also, weg mit dem Mohr und her vielleicht mit:
Schaumkopf?
Schaumgupf?
Schoggibomber?
Schleckerli?
Schlabberli?
Leipziger? (ja, ich hab auch das gegooglet: da kommt die Süssigkeit ursprünglich her!)
Oder einfach mit einem Fantasienamen: Krukidaua? Spamulin?

Haha, ich kann nicht mehr! :-) Spamulin, hmmmm, lecker! :-) Sämtliche Werbeagenturen sind gerade auf mich aufmerksam geworden, ich weiss, ich habe Talent!

Scheisse, jetzt hab ich Hunger.
Im Coop heissen sie Choco-Köpfli. Auch ein mega ausgeklügelter Name, so pseudo-franzdeutsch! Aber die kann ich wenigstens noch kaufen, bis Dubler seinen Kassenschlager endlich rebrandet.

Und dann können wir uns auch endlich wieder den richtigen Problemen auf dieser Welt widmen. Nämlich, dass es einfach zu viele Arschlöcher gibt, ganz unabhängig von ihrer Farbe.

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