Meine Mutter ist über 70, aber eigentlich wirkt sie wie gerade mal Mitte 50. Sie ist fit, schlank und rank, färbt sich die Haare, zieht sich gut an, nimmt aktiv am Leben teil.
Aber sie ist krank. Sie hat Krebs, unheilbar.
Nun ist es so, dass ihr eine Immuntherapie helfen könnte. Nicht heilen, aber helfen. Allerdings: Niemand will ihr diese Therapie bezahlen. Die Versicherung fühlt sich nicht zuständig: Ob der seltene Krebs, den meine Mutter hat, auf das Medikament anspreche, sei nicht erforscht. Und da will man natürlich kein Geld verschwenden. "Ein paar hübsche Sportwagen" könnte man mit dem Wert der Therapie kaufen, sagen die Ärzte lakonisch. Und irgendwas sagt mir, dass die Versicherer auch genau das lieber tun würden, als Spitalrechnungen zu begleichen.
Gaaaaannnzzz böse, jaja, shame on me! Aber ich frage hier einfach mal in die Runde: Wie teuer darf Überleben denn sein?
Ja, ich weiss, 100'000 Franken, hat das Bundesgericht vor einigen Jahren festgelegt. Was für ein Witz! Wer kann ein Leben denn schon mit Geld bewerten? Wenn jemand also keine 100'000 Franken hat, dann soll er halt einfach sterben oder was? Und was ist denn teurer? Muskelschwund, Krebs oder Cystische Fibrose? Oder anders gefragt, was ist schlimmer: Langsam zu ersticken oder an Organversagen zu sterben? Wer legt das fest?
Mir ist schon klar, dass Spitzenmedizin nicht gratis ist. Die Forschung kann ohne Ressourcen nicht arbeiten, Medikamente lassen sich nicht ohne Geld herstellen, Chirurgen operieren nicht umsonst. Und ich motze auch jedes Jahr, wenn die Krankenkassenprämien wieder steigen. Aber Preise für Medizin allein dem Markt zu überlassen, finde ich völlig absurd.
Mit der Gesundheit ist es doch wie mit dem Wasser: Wir ALLE brauchen es, um anständig zu leben. Und wir haben ALLE das gleiche Recht darauf, ob arm, ob reich, ob grün, ob rot - also, nein, wir haben es eben nicht, aber wir sollten es haben, verdammt nochmal! Gesundheit und Wasser sind Menschenrechte. Wir haben doch grad heute darüber abgestimmt, dass es höhere Rechte gibt als das rein Schweizerische, oder? Also, das Menschenrecht ist so eins. Das mal so als Einschub. Und mit Menschenrechten Geschäfte zu treiben, ist einfach nur arschlochig. Jemandem dreckiges Wasser vorzusetzen, weil er sich das saubere nicht leisten kann, geht einfach nicht. Es geht schon nicht, dass Wasser überhaupt was kostet. Und niemand schreibt mir vor, wann ich zu sterben habe, schon gar nicht mein Bankkonto!
Wer also legt fest, wieviel das Leben wert ist?
Offenbar die Pharmaindustrie.
Beispiel: Novartis hat vor einigen Wochen angekündigt, eine neue Gentherapie gegen eine besonders schwere Form von Muskelschwund auf den Markt zu bringen. Kostenpunkt: 4 Millionen Franken für eine einzige Infusion!
4 MILLIONEN!!!!!
Was ist jetzt mit den Eltern von Kindern, die mit dieser Krankheit auf die Welt kommen? Die wissen, dass ihr Sohn, ihre Tochter ohne Behandlung keine 2 Jahre alt wird? Werden ihre Namen in einen Topf geworfen und die Versicherungen ziehen dann einen glücklichen Gewinner? Weil: Allen Betroffenen können sie unmöglich eine solch teure Therapie bezahlen.
4 Millionen. Noch ein paar Sportwagen mehr.
Wir fassen also zusammen: Wer eine schwere, und vor allem seltene Krankheit hat, ist völlig unserem Gesundheitssystem ausgeliefert. Und dieses entscheidet, ob es in sein Leben investiert oder nicht. Wer zu teuer ist - selber berappen oder halt Pech gehabt.
Meine Mutter und ich können uns beide keine Sportwagen leisten.