Donnerstag, 28. Januar 2016

42 REISESPECIAL: Von Nussschalen und Mückenstichen

Thailand.
30 Grad, endlich! Hier braucht's definitiv keine beheizten WC-Ringe. Dafür gehört das WC-Papier nicht in die Schüssel - bei mir fällt's aber bei jedem zweiten Geschäft rein, ganz automatisch, da kann ich es mir noch so vornehmen, dieses Papier-Loslassen ist einfach in mein Gehirn eingebrannt, da kann ich meinen Fingern noch so lange Befehle geben,  geht nicht.

Anyway.

Ich verbringe den ersten Tag in Thailand in Bangkok. Und zwar im 4er-Schlag eines Hostels. Ich will mir beweisen, dass ich das auch mit Ende 30 noch kann, pah, Luxus, ICH doch nicht! Und dem Portemonnaie tut' s auch gut, nämlich. Gut, ich teil mir das Zimmer also mit zwei 20-jährigen Briten, Mädchen und Junge, das vierte Bett bleibt leer. Ausschlafen ist schon mal nicht, denn die beiden wollen Sightseeing machen und ich könne gerne mitkommen, finden sie. Gut, also raus aus dem Bett am frühen Morgen, will ja keine Spielverderberin sein!

Als erstes lassen wir uns mal auf einem Boot durch den Chao Phraya River kutschieren, vorbei an prächtigen Tempeln, ärmlichen Hütten und schwimmenden Händlern. Ich bin sofort im Südostasien-Groove! Es duftet abwechselnd nach Räucherstäbchen, Curry und Abwasserkanal, nach der ganzen Palette des Lebens halt. Dann zum riesigen, goldenen, liegenden Buddha. Ein feines Pad Thai. Und danach etwas Shopping an der Khao San-Road - also, die anderen, ich nicht, hab ja keinen Platz im Rucksack, musste schon meinen Pulli in Japan lassen, weil Pullis werd ich jetzt definitiv nicht mehr brauchen. Und am Abend auf eine sehr geile Rooftop-Bar am Siam Square, mit atemberaubenden Blick auf die Stadt. 

Ich bereue fast, habe ich am Morgen im Affekt einen Flug nach Krabi gebucht für den nächsten Tag, denn ich habe Bangkok nach nur 24 Stunden schon ziemlich ins Herz geschlossen. Aber eigentlich 
bin ich ja nach Thailand gekommen, weil ich ans Meer wollte.
 
Es geht also ohne meine neuen, halb so alten (ich glaub aber, die haben gar nicht gemerkt, dass ich ihre Mutter sein könnte, das kann man jetzt positiv oder negativ werten, haha!) britischen Freunde nach Krabi, im Süden des Landes. Die Stadt bietet nichts, ausser Häfen, von wo die Fähren auf die verschiedenen Inseln ablegen. Ich nehm ziemlich bald eine nach Koh Phi Phi. Und nach einem Tag kommt auch noch die Engländerin aus dem 4er-Schlag in Bangkok dazu, wir sind wieder vereint, judihui! Jetzt hat aber jede von uns ein eigenes Zimmer. Ich bin eben doch zu alt für dorms und bunk beds, ich will mein Zeug ausbreiten können, nackt rumlaufen, wann ich will, nicht anklopfen müssen und eine Dusche nur für mich alleine! Das sind die Privilegien des Alters, ich darf das jetzt, so!
Wir beschliessen, schnorcheln zu gehen in der Maya Bay. Um da hinzukommen, nehmen wir ein sogenanntes Longboat, also, so ein Motorboot aus Holz. Naja, eigentlich eine Nussschale. Und ausgerechnet an diesem Tag ist das Meer aufgewühlt und irgendwie sauer auf die Welt und so, jedenfalls wirft es unsere Nussschale herum wie ein Zirkusakrobat seine Jonglierkegel - manchmal
fühlt es sich an, als befänden wir uns im freien Fall, manchmal wie auf der Achterbahn, und wieder manchmal, als sässen wir in einem Twingo, und der würde grad von einem Lastwagen gerammt. Wir krallen uns verkrampft an allem fest, was es an Bord gibt, und das ist nicht viel. Wir werden herumgeschleudert, wie in einer Waschmaschine, und das tut zum Teil ganz schön weh. Trotzdem muss ich sagen: ich find's ja geil! Wie im Europapark, Silver Star, Adrenalin, YEEEAAAAHHH!!!! Meine einzige Sorge: mein nigelnagelneues iphone 6 ist auch mit an Bord, und wenn die Nussschale kentert, dann kann ich zwar schwimmen, aber mein iphone nicht.
 
Anders die Engländerin: sie hat die totale Panik, und ihr iphone ist ihr da herzlich egal. Ich versuch sie regelmässig zu beruhigen: "Don't worry, it's getting better, it's calmer now..." - und prompt kommt dann die nächste Riesenwelle, und die Engländerin schreit mich an, ich solle gefälligst "shut the fuck up!", ich verärgere die Meeresgötter ja nur noch mehr.
Kein Wort kommt von unserem Steuermann. Keine Tipps, wie wir am besten NICHT über Bord fallen und ertrinken und wo auf dem Kahn die Ueberlebenchancen am grössten wären. Nö, stoisch
schweigend stemmt er sich gegen die Wellen, lenkt das Boot zielgerichtet durch das Minenfeld und überlässt uns ganz unserem Schicksal.
Aber die Strapazen lohnen sich, wir haben die türkisblaue, glasklare Maya Bay fast für uns alleine und die Fische dort auch.

Nach der Schnorcheltour zieht die Engländerin um. Sie gönnt sich nämlich für eine Nacht ein poshes Hotel, so mit Bambus-Baumhäuschen, Infinitz-Pool und Meeressicht (sie ist nicht so die Sparfüchsin wie ich, offensichtlich). Wir müssen ihren ganzen Kram zu Fuss einmal quer über die gesamte Insel schleppen, denn auf Phi Phi ist autofrei, keine Taxis, keine Tuktuks, nix. Und das bei sengender Mittagshitze! Da haben wir uns die Sex on the Beaches am Pool ihrer neuen Bleibe aber mehr als verdient! Trotzdem wollen wir uns noch einmal überanstrengen und mieten uns ein Kanu, mit dem wir vom Hotelstrand rüber zum Monkey Beach paddeln. Paddeln my ass! Und  zum Affen machen wir uns auch selber! Nett aber auch, haben uns die Kanu-Leute nicht vor der Ebbe gewarnt, denn dann verwandelt sich die Bucht nämlich in ein Felsgebirge. Die Hinfahrt schaffen wir grad noch so, aber zurück müssen wir das verdammte Kanu ziehen, im Schneckentempo über die messerscharfen Korallen kletternd, mit blutigen Füssen im Slalom zwischen all den Seeigeln hindurch. Ich bin ganz schön sauer! Vielleicht auch ein bisschen, weil ich mir beim Schnorcheln einen Sonnenbrand geholt habe, und Sonnenbrand macht mich jeweils ein bisschen aggressiv. Mein Rücken ist pink. Ich kombiniere: die Erkältung aus Japan ist praktisch überstanden, dafür krieg ich jetzt Hautkrebs. Und die geilen Thai-Massagen kann ich auch erstmal eine Weile vergessen. AUA!
Und wo wir schon bei den Nachteilen des tropischen Klimas sind: Arschloch-Mücken! In Hülle und Fülle! Schon an meinem ersten Tag in Thailand fallen sie über mich her und lassen mich aussehen wie Quasimodo, einfach mit mehreren Buckeln. Danke auch! Ich kann mich und die Hotelzimmer noch so mit Insektenspray einnebeln, die einzige, die sich dabei vergiftet, bin ich! Ich hör die Mücken
richtig lachen, die sind doch schon längst immun gegen das Zeug und warten jeweils nur darauf, dass ich mich im Nebel sicher fühle und seelenruhig ins Bett gehe, und dann greifen diese Arschlöcher aus dem Hinterhalt an, und am Morgen hab ich jeweils wieder fünf Beulen mehr, die ich mir den gesamten Tag lang blutig kratzen muss!

Die Engländerin, deren Mutter so alt ist wie ich (ok, ich übertreibe, aber fast!), bleibt auf Phi Phi, ich nehm die Fähre nach Phuket. Mein Zeitplan ist eng, und ich will noch was anderes sehen. Phuket ist aber nicht ganz so meins: überfüllte Strände, auf der Schnorcheltour seh ich nur tote Korallen und das Boot ist diesmal gross und aus Metall, und ich muss es mit 20 anderen  teilen, darunter einer Familie aus China, deren zwei seekranke Kinder die gesamte Fahrt über kotzen.
Allerdings verfügt Phuket über einen Flughafen, und den brauch ich, wenn ich an mein nächstes Ziel kommen will: Kambodscha.

 

Donnerstag, 21. Januar 2016

41 REISESPECIAL: Getrockneter Tintenfisch in Disneyland

Japan.
Als wir vom Flughafen in die Hauptstadt Tokio hineinfuhren, ging die Sonne gerade unter und der Himmel schimmerte rötlich. In den spiegelglatten Wolkenkratzern darunter brannten schon alle Lichter, die Stimmung war irgendwie romantisch, melancholisch – und da wusste ich: hier würde es mir gefallen!


Und so war es dann auch. 
Gut, wahnsinnig umgewöhnen musste ich mich nach Taipeh ja sowieso nicht: wieder eine topmoderne asiatische Grossstadt, einfach noch topmoderner und noch cleaner. Wieder Menschen mit Mundschutz. Wieder Linksverkehr. Wieder blinkt und winkt und piept und bewegt sich alles, einfach eben noch ein bisschen mehr. Tokio, mit mehr als 9 Millionen Einwohnern eine der grössten Städte der Welt, lebt und liebt den Gigantismus. Ich habe hier die grössten Sushi meines Lebens gegessen, so riesig, dass sie gar nicht in meinen Mund passten, etwa fünfzehn Mal zurück in die Sojasauce platschten und das gesamte Restaurant verspritzten. Der arme Kellner brachte mir immer wieder feuchte, warme Lappen – die sind hier eigentlich zur Erfrischung gedacht, bei mir mussten sie allerdings zum Putzen herhalten. 
Apropos Zweckentfremdung: in der Spielwarenabteilung eines Kaufhauses hab ich eine riesige, mutierte Kakerlake aus Plüsch gefunden. 
Geil. 
Ich stell mir das so vor: „Oh, die Aya hat ihr Kind bekommen, was könnte ich wohl in den Spital mitbringen? Ah ja, so eine süsse, kuschlige Mega-Kakerlake von Steiff, die kann sie dem Kleinen in die Wiege legen, und an der hat er sicher bis 15 Freude!“ – ich sag euch, hätte die in meinen Rucksack gepasst und müsste ich das Ding nicht noch zwei Kontinente weiterschleppen, ich hätte so ein Vieh gekauft, echt jetzt!
Wo wir gleich beim Thema „eklige Tiere“ sind: dass man in Asien so auf Tintenfisch steht, das begreif ich ja echt nicht! In Japan auch wieder: Tintenfisch-Bällchen hier, getrockneter und gepresster Tintenfisch da, Chips mit Tintenfisch-Geschmack, Tintenfisch frittiert, Tintenfisch am Spiess, eine Tentakel in der Miso-Suppe – WÜÜÜRRRRRGGGGG!!!! Sonst find ich das Essen ja super (und krieg jetzt grad Lust auf ein Mochi mit Rote-Bohnen-Füllung), aber Tintenfische gehören für mich in Horrorfilme und nicht auf den Teller.
 
Oh, etwas ist nach Taipeh doch anders: das Regime in der U-Bahn scheint in Tokio etwas weniger strikt zu sein, jedenfalls sah ich Leute essen und trinken (jupp, inklusive mir). Und auf der Rolltreppe steht man jetzt links und geht rechts, also genau andersrum wie in Taiwan, aber auch da halten sich nicht alle so genau daran. Trotzdem gab’s nie Chaos, nicht mal zur Rush Hour – stoisch wurde auf den völlig überfüllten Perrons schön hintereinander angestanden, und wenn der Zug dann kam, 
schichtete man sich schön brav und ohne Drängeln in die Wägen. Dort harrte man dann aus, wie Sardinen in der Büchse, mit viiiieeel Körperkontakt, wenn du Niesen musst, kannst du nicht mal die Hand vor den Mund heben, so eng ist es – langsam verstehe ich den Vorteil dieser Schutzmasken! Aber die Japaner ertragen das alles mit Würde, keiner motzt, keiner haut dir den Ellbogen in die Rippen, lieber zocken sie seelenruhig auf dem Smartphone Candy Crush oder Ähnliches. Ich müsste das ja nicht jeden Feierabend haben, DAS nenn ich mal Dichtestress, meine Lieben! 

Mein Kumpel und ich sind denn auch etwas bequemer nach Osaka gefahren: mit dem Shinkanzen, dem Hochgeschwindigkeitszug. Rast mit rund 300 Stundenkilometern durchs Land, kostet allerdings auch ganz schön, mehr, als die gleiche Strecke mit dem Flieger zurückzulegen. Egal, es geht ja ums Erlebnis! Und für uns Europäer ist das schon eins, denn wenn der Shinkanzen in den Bahnhof einfährt, hat man das Gefühl, man sei in Star Wars. Von vorne erinnert er nämlich an den Helm eines Stormtroopers oder an ein fancy Raumschiff. Ja, ist ja schliesslich auch fast so schnell! 
 
Allerdings merkt man das gar nicht, wenn man dann drinsitzt, es drückt einen also nicht grad in den Sessel oder so.Eigentlich
schade. Wenn man allerdings aufsteht, um aufs WC zu gehen, dann spürt man schon irgendwie, dass es rasanter vorwärts geht als bei der SBB. Man muss sich gut festhalten, weil’s einen richtig durchschüttelt und ein bisschen flau im Magen wird, mir jedenfalls. Der Shinkanzen hat 
übrigens die edelsten Toiletten, die ich jemals in einem Zug gesehen habe! Riesige Kabinen, alles supersauber und – Achtung! – beheizte WC-Ringe! Scheisse, ich könnte mich so an diesen ökologischen Unsinn  gewöhnen, vor allem jetzt im Winter! Der erste WC-Gang in Japan kann allerdings auch anstrengend werden, denn erstmal findet man die Spülung nicht. Es hat zwar unzählige Knöpfe an der Schüssel, aber entweder kommt ein Wasserstrahl, Musik oder nur ein Spülgeräusch (sehr süss, für Schüchterne, die sich für ihre Bisi- und Gaggigeräusche schämen) – aber das verrichtete Geschäft bleibt „liegen“. Nun, ich habe schnell gelernt, der Knopf für die Spülung befindet sich meistens eben nicht am WC selber, sondern irgendwo an der Wand oder hinter der Schlüssel. Logisch, oder?

Osaka ist übrigens Disneyland. Wer Tokio in punkto Werbeflächen und Geblinke schon verrückt fand, wird Osaka für wahnsinnig erklären. Da hängen riesige, bewegliche Krabben über Restaurants, Drachen kommen aus Hausfassaden, Mega-Sushis baumeln über der Strasse, die jungen Japanerinnen und Japaner tragen noch krassere Emo-Frisuren in noch krasseren Farben, noch kürzere Röckchen (hab ich schon erwähnt, dass WINTER ist??) und noch blauere Kontaktlinsen. Mir war die Stadt trotzdem sympathisch. Ich mag crazy.
Und übrigens will ich damit nicht sagen, dass Japaner irgendwie weird sind oder so. Ok, über gewisse Modegeschmäcker lässt sich streiten, aber das dachten die bei mir und meiner Wollmütze wohl auch. Nein, ich habe die Japaner als sehr korrekt, offen und höflich erlebt. Auch wenn hier die Englischkenntnisse wieder nicht überall vorhanden sind, sind sie doch stets bemüht, einem weiterzuhelfen und zufriedenzustellen. Wenn man was kauft, wird es einem stets mit beiden Händen überreicht, und die Verkäufer an der Kasse lassen beim Bezahlvorgang jeweils einen ganzen Sermon
ab, den ich zwar nicht verstehe, aber mit „Sie haben sich für das Produkt XX entschieden, dafür danken wir Ihnen ganz herzlich, das macht dann 2500 Yen, bitte sehr, Sie können gerne mit Karte oder in Bar bezahlen. Sie geben mir 3000 Yen, herzlichen Dank, zu gütig von Ihnen, das bedeutet, 500 Yen zurück, hier sehen Sie, 300, 400, 500 Yen in Münzen. Ich danke Ihnen herzlich für Ihren Einkauf, beehren Sie uns bald wieder und haben Sie einen wundervollen Tag!“ Dazu immer eine kleine Verbeugung oder zwei oder drei, ich kenne die Höflichkeitsregeln nicht, aber wahrscheinlich habe ich sämtliche gebrochen.

Zurück zum Winter, zu dieser fucking Jahreszeit, die meiner Meinung nach ruhig einen anderen Planeten heimsuchen dürfte als meinen oder von mir aus irgendwo am Nordpol versauern soll, zusammen mit dem getrocknetem Tintenfisch, wenn sie mich dann nur beide nicht mehr belästigen, dammi nomal – also eben, zu diesem Winter, der sich auch in Japan breit macht, ausgerechnet dann,
wenn ich dort bin: ja, es war arschkalt!! Und obwohl ich keine kurzen Röckchen ohne Strumpfhosen trug, fing ich mir natürlich eine üble Erkältung ein. Kennt ihr Kabuki, das traditionelle japanische Theater, in dem sich die Schauspieler die Gesichter ganz weiss schminken und die Augen so rot umranden? Ja, genau so seh ich zur Zeit aus. 
Es wird Zeit für anständiges Wetter. 
Off to Thailand.


Mittwoch, 13. Januar 2016

40 REISESPECIAL: Wo Regeln die Regel sind

Taiwan.
Jetzt nicht grad soooo das übliche Ferienland. "Komm, wir machen im Sommer mal Strandferien in Taiwan" - eher weniger. Obwohl, es wäre ja eigentlich schon eine Insel mit Meer drum herum. Aber verdammt weit weg und zu dieser Jahreszeit wohl grad nicht so badetauglich. Allerdings weiss ich das alles nicht so genau, ich hab's auch nur ein paar Tage in die Hauptstadt geschafft, nach Taipeh. Ich habe dort einen Freund besucht, der sich grad länger in Taiwan aufhält. Ohne ihn wäre ich wohl nicht unbedingt auf diese Destination gekommen. Aber es hat mich gereizt, so fernöstlich war ich noch nie. Und nirgends, wo man Chinesisch spricht.
Also, Herausforderung angenommen!

Taipeh ist eine blitzsaubere, asiatische High-Tech-Millionen-Metropole. Eine topmoderne U-Bahn, beheizte WC-Ringe (love it!), ein verglaster Aussichtsturm als Touristenmagnet im Zentrum (mit dem offenbar schnellsten Lift der Welt, merkt man aber leider nicht viel davon, wenn man drin ist, leider gibt's nämlich kein Fenster, und ich hatte mindestens auf ein bisschen Schwerelosigkeit gehofft oder so, aber alles, was ich hatte, war Ohrendruck), niemand muss irgendwo Türen selber aufmachen, das geht per Batch oder durch irgendwo Draufdrücken (am ersten Tag las ich nur "Push" und stemmte mich mit dem ganzen Körper gegen die Glastür vom Café, und zwar so lange und verzweifelt, bis sich eine Passantin erbarmte und wortlos mit dem Finger einen Knopf an der Tür "pushte", wonach diese problemlos aufglitt), in den Taxis werden einem auf einem Bildschirm Werbespots vorgespielt, fast überall gibt's Wifi, alles leuchtet und glänzt und piepst und bewegt sich - und die Taiwanesen sind das wohl anständigste Volk der Welt.
 

Nein, echt jetzt! Ich habe noch selten Menschen gesehen, die sich so streng an Regeln halten wie die Taiwanesen. Und Regeln gibt's in diesem Land echt viele.
Zum Beispiel in der U-Bahn. Auf Tafeln, per Lautsprecher-Durchsagen und in Filmchen wird einem
dort auf Schritt und Tritt klar gemacht, wie man sich zu verhalten hat: Anstehen zum Einsteigen nur
innerhalb der am Boden aufgezeichneten Linien, auf der Rolltreppe rechts stehen, links gehen, keine Gummischuhe, keine langen Röcke tragen, weil es die zwischen den Stufen einklemmen könnte, kein
Essen, kein Trinken, kein KAUGUMMI KAUEN! (konnt ich mich bis zuletzt nicht dran gewöhnen, immer wieder ertappte ich mich dabei, wie ich auf dem Perron Blasen platzen liess - hat mich aber nie jemand erwischt. Vielleicht war's aber auch der Ausländer-Bonus...), Zeitungen falten, und falls man Husten hat, bitte Mundschutz tragen (bleibt für mich ein gewöhnungsbedürftiger Anblick, ich erschrecke immer noch, wenn jemand so vermummt daherkommt, ich hab dann immer so eine Sekunde lang das Gefühl, die Vogelgrippe sei ausgebrochen oder es habe einen Angriff mit Biowaffen gegeben - da nützt es auch nichts, dass vor allem junge Mädchen Mundschutze in Pink
oder mit "Hello, Kitty" drauf tragen, der erste Reflex ist einfach: "Run, Forest, RUN!!"...) - und ich
hätte also  keinen einzigen Regelverstoss bemerkt! In Zürich versperrt dir doch immer mal wieder ein Depp auf der Rolltreppe den Weg, wenn du's grad voll eilig hast und links raufrennen willst, und im Zug isst jeder zweite einen stinkigen Kebab - aber nicht so in Taipeh! Niemand stört seine Mitmenschen, alle sind so angepasst. Find ich wirklich erstaunlich... und fast ein bisschen langweilig.


Oh, apropos U-Bahn: dort klingt es wie in einem niemals endenden Videospiel: hält man sein Ticket an den Sensor beim Eingangs-Drehkreuz, macht es PING!, wenn man eine einzelne Fahrt gekauft hat 
und PRRRINGPINGPING!, wenn man ein Abo hat. Wenn der Zug einfährt, erklingt eine Melodie. Und dann wieder das Gepinge, wenn man die Station durch das Drehkreuz verlässt. Die Geräusche haben mich jeweils den ganzen Tag verfolgt, ich sang sie noch abends unter der Dusche ...

Und nochmal was zum Thema Höflichkeit und Anstand der Taiwanesen: einmal zahlte ich nach dem Mittagessen die Rechnung und liess 50 Taiwan-Dollar als Trinkgeld zurück. Wir verliessen das Restaurant, und da rannte uns der Kellner hinterher und hatte die Münze in der Hand. Er bedeutete uns, dass wir die vergessen hätten (in Taiwan sprechen viele kein Englisch, wenn man also kein Chinesisch kann, sollte man sich nicht scheuen, Zeichensprache zu benützen). Ich hingegen bedeutete ihm, dass die für ihn sei - da schüttelte er ganz entschieden seinen Kopf und drückte mir die 50 Taiwan-Dollar (umgerechnet rund 1 Franken 50) in die Finger. Offenbar haben es Taiwanesen nicht so gern, wenn man sein Wohlwollen mit Geld ausdrückt. Dafür lieber richtig laut schmatzen und schlürfen beim Essen, DAS ist ein Kompliment!

Wo wir grad beim Essen sind: das kann man wirklich super in Taipeh! Nudelsuppen in allen Varianten gibt es an jeder Ecke, sie sind frisch und lecker und günstig. Mein Favorit ist aber Hot Pot,
eine Art Fondue Chinoise - ja, à la chinoise halt, haha! In der Mitte des Tisches wird ein Topf auf ein Feuer gestellt, darin sieden getrennt verschiedene Flüssigkeiten, zum Beispiel scharf und nicht scharf. In die Brühen knallt man dann alles, was einem schmeckt: Fleisch, Gemüse, Tofu, Meeresgetier, Früchte, Glasnudeln, Vanillepudding - je nach Gusto halt. Man lässt es garen, fischt es mit Stäbchen wieder raus, tunkt es in Sauce und gut ist. Ok, taiwanesische Küche ist für Vegetarier wie mich etwas schwierig, wahrscheinlich hab ich sogar Fleisch gegessen, ohne es zu merken, aber naja, wie gesagt, ich kann kein Chinesisch...

Taipeh gilt übrigens auch als Ausgangs-Mekka. Nun, ich kann da nicht ganz mitreden, denn ich hab, meinem Freund sei Dank, nur Schwulenbars und -discos kennengelernt. Was aber sehr, sehr lustig war! Wer auch mal zu schlechter chinesischer Popmusik in Choreographien tanzen will: Schwulenclub in Taipeh, ich kann's empfehlen... aber vorher viel trinken!

Zur Entspannung musste ich dann in die Fussmassage - bad idea! Läck, tat das weh! Der Masseur konnte kein Englisch, deshalb versuchte er die ganze Zeit, meine Mimik zu lesen. Wenn ich jeweils das Gesicht vor Schmerz verzog, also dauernd, packte er aber nicht etwa etwas sanfter zu. Nein, im Gegenteil, er lachte mich aus, der fand mich wohl voll die Memme, olle Westlerin, die nicht mal ein bisschen Fingernägel  in der Fusssohle aushält! Ok, so war's wohl nicht, hat sich aber so angefühlt!  Entspannung geht anders. Doch ich bin sicher, meine Füsse und sämtliche damit verbundenen Organe sind jetzt so gesund wie noch nie.
Ich bin fit für Japan.

Xie xie, Taiwan!