Mittwoch, 30. September 2015

32 KRACH! BUMM!! BÄMM!!!

Heute Morgen war ich im Krieg.

Links und rechts schlugen die Granaten ein. Ich konnte sie nicht sehen, aber deutlich hören und spüren, wie die Erde zitterte. 

BUMM!! BUMM!! BUMM!!

Regelmässig wie Hammerschläge.
Dann ächzten die hohen Gebäude über mir, sie neigten sich immer mehr zur Erde. Mit einem Krach brachen die Gemäuer ein, die Brocken stürzten geradewegs auf mich herab. Ich versuchte zu laufen, kam aber keinen Schritt vorwärts, war wie eingefroren. Schützend hielt ich die Hände über meinen Kopf und kniff die Augen zusammen.
Oh Gott, wenn ich jetzt sterben muss, dann bitte, lass es schnell und schmerzlos geschehen! 

PÄNG!!! WAMM!!! ZIUUUMMM!!!!
Ich hatte Glück: keines der Trümmer, das um mich herum in den Boden einschlug, traf mich. 

Dichter Staub wirbelte auf, ich hatte Mühe zu atmen, es würgte mich, die Sicht war getrübt.
Wo um Gottes Willen rannte ich hin? Rannte ich überhaupt?

IIIIIIIIIIIHHHHHHHHKKKKRRRRRRRRRRKKKKKKKK!!!!!!!!

Ein scharfes Geräusch von quietschendem Metall durchschnitt die Luft, es schmerzte in den Ohren. Ich sah durch die Wand aus Staub, wie irgendwo weit entfernt die Funken sprühten. 
Dann war da plötzlich irgendwas vor meinen Füssen, ein Stück Mauer oder so, ich stolperte, stürzte. Der Boden unter mir war in Bewegung, es rumorte wie bei einem Erdbeben. Irgendetwas bewegte sich auf mich zu, irgendetwas Grosses, Monströses. Es rollte unerbittlich heran und machte alles platt, was sich in seinem Weg befand. Ich hörte, wie es unter seiner gewaltigen Walze krachte und splitterte. Dazu pfiffen erneut Granaten durch die Luft und schlugen tiefe Krater in die Strasse, IIIIUUUUUUUUUHHHH BUUUMM!!!!!

Ich versuchte, auf allen vieren davon zu kriechen, mich irgendwo in Sicherheit zu bringen. Es kam immer näher, dieses Ding, der Krach wurde immer lauter, der Staub um mich herum irgendwie immer heisser, irgendwo brannte es. Ich krallte mich in die Trümmer am Boden, zog mich verzweifelt vorwärts, aber ich war nicht schnell genug... 

BÄÄÄÄÄÄMMMMMM!!!!!


Dann schreckte ich schweissgebadet im Bett auf und merkte: die Handwerker auf der Baustelle vor meinem Haus hatten wieder besonders früh mit der Arbeit begonnen. 

Mittwoch, 9. September 2015

31 An die Gutmenschen

Ha!
Es ist wieder mal so weit: eine neue Solidaritätswelle rollt über uns drüber.
Nach der Ice Bucket Challenge und Je suis Charlie sind jetzt die Flüchtlinge dran. Kaum geht man mal auf Facebook oder Twitter, schon starrt einem das tote Kind am türkischen Strand entgegen. Die Medien berichten pausenlos vom Chaos an der ungarisch-serbischen Grenze und auf den Inseln im Mittelmeer, aber die Friends wissen scheinbar nicht, dass man zu Hause auch Fernsehen, Internet und Radio hat, und deshalb posten sie sicherheitshalber mal eifrig die Links der Berichterstattung in den social media, es könnte sie ja sonst jemand verpassen. Man erhält reihenweise elektronische Einladungen und Aufrufe zu Demos und Spendenaktionen, dazu jede Menge Gefühlsausbrüche, manchmal auch rassistische, aber die werden nie unkommentiert stehengelassen und ihre Urheber unliked und unfriended.

Denn alle sind so schrecklich betroffen. Alle.

Schön. 
Es ist so einfach, sich als Gutmensch zu fühlen, nicht wahr? 
Ein kurzer Post auf Facebook. Ein Like unter eine Einladung zum Kleidersammeln - auch wenn man ja eh nicht hingeht. Unter ein Bild mit "Refugees welcome" - auch wenn man eigentlich froh wäre, gäbe es ein bisschen weniger Asylsuchende hier. Öffentlich seine Empörung äussern gegen die Chefs der EU - auch wenn man sonst nicht mal abstimmen geht und von Politik keine Ahnung hat. 
Aber alle anderen machen es ja schliesslich auch, und man muss doch zeigen, dass man sich total gut auskennt in dem, was da so geschieht auf der Welt, schliesslich sieht man das doch jetzt täglich im Fernsehen, diese Flüchtlingsströme, und was ihm Fernsehen stattfindet, ist richtig und wichtig und da muss man allen anderen doch klar machen, dass man voll mit dabei ist und das einfach nicht fair findet, was diese Flüchtlinge alles durchmachen müssen und dass einem das nicht egal ist, denn egal ist es doch nur der SVP und die SVP gut finden, das ist völlig uncool und gibt auch nicht so viele Likes auf Facebook.

Helft den Flüchtlingen, bitte. Ja, helft ihnen. Aber haltet die Klappe! Es geht hier nicht um euch, es geht um die, die unsere Hilfe dringend benötigen. Es interessiert keine Sau, was ihr hier für Gutmenschen seid, und in den Himmel kommt ihr auch nicht, nur weil andere fleissig eure Posts liken und retweeten und ein "Ich find's auch mega schrecklich! Mörgeli ist ein Arschloch!" darunter schreiben, beziehungsweise, ihr seid's ja schon, ihr lebt ja in der Schweiz. 
Helft ihnen. Und bitte auch, nachdem die Solidaritätswelle wieder verebbt ist. Denn ihr werdet es nicht glauben: Flüchtlinge gab es schon immer. Und sie gibt es auch, wenn die Medien nicht darüber 
berichten und eure Friends keine Links posten. 
Und jetzt kommt's noch ganz dick, sorry, dass ich euch eure eigenen heilen kleinen Welten vielleicht nun zerstöre, aber: eigentlich geht es überhaupt einem Grossteil der Menschen auf diesem Planeten so richtig scheisse. Sie haben nicht nur kein Facebook, sondern auch nichts zu Essen, keine Sicherheit, kein Dach über dem Kopf, keine medizinische Versorgung, keine Zukunft.

Und ja, tatsächlich, sie bräuchten IMMER unsere Hilfe.