Alle Jahre wieder.
Ich geh zu meiner Frauenärztin zur Kontrolle, und dann am Schluss, kurz bevor ich aufstehen und gehen will, kommt dieser ernste Blick über den Brillenrand und die Frage:
"Frau Bitterbös, wie gseht's dänn jetzt uus mit Chind bi Ihne?"
Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Sie hat mit dieser alljährlichen Frage begonnen, als ich so knapp über 30 war. Und seither wird sie jedes Jahr drängender. Also, die Frage, mein ich. Gut, die Frauenärztin eigentlich auch.
Sie weist mich sanft aber bestimmt darauf hin, dass meine biologische Uhr langsam abläuft.
Nun, glücklich die Frauen, die auf diese Frage ohne zu Zögern mit "Ui, Chind? Neeeeiiii, danke, ganz sicher nöd ich!!" beantworten können, denn sie müssen keinen weiteren müden Gedanken mehr daran verschwenden.
Glücklich auch diejenigen, die voll überzeugt "Ja, klar, unbedingt!" sagen können, denn sie haben wohl eh schon ein paar Kids zu Hause und nehmen jetzt vielleicht noch ihre letzte Chance wahr.
Unglücklich aber die Frauen, zu denen auch ich mich zähle. Denn sie antworten auf diese Frage mit: "Jeeiiiiinnn, aso, villicht, aso, ich weiss nöd... glaub scho. Aber nöd unbedingt. Glaub's."
So bis 30 war Mutter werden für mich ein absolutes No-Go. So ein Klotz am Bein, gaht's no?? Ich will frei sein!
Ich arbeite viel und zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten des Tages. Ich tingle jedes Jahr durch die Weltgeschichte, flieg mal hier hin, mal da hin, mal kurz, mal lang. Ich habe aufwändige Hobbies, ich investiere mein Geld gerne in neue Kleider und Schuhe und Möbel, ich geh aus, wenn ich grad Lust hab, ich probiere dauernd irgendwas Neues aus, ein Sprachkurs hier, ein Tanzkurs da, und wenn ich frei hab, lieg ich auch einfach mal den ganzen Tag nur im Bett - kurz: ich führe ein egoistisches Leben ohne grosse Rücksicht auf andere und mache meistens, was mir grad passt. Das aufzugeben oder zumindest für eine gewisse Zeit hintenan zu stellen, fiele mir wohl nicht ganz so leicht.
Aber heute, wo ich unweigerlich auf diese magische Grenze von 40 zugehe, wo mir in Punkto Kinderkriegen das Wasser schon bis zum Hals steht, ist mir klar: das ist alles vergänglich. Und proportional zu meinem Alter wächst auch das Verlangen nach etwas, das bleibt. Nach einem Abenteuer, das etwas länger anhält als gewohnt. Nach dem Weitergeben. Es muss nicht mehr alles ständig neu und ungewohnt und unverbindlich sein. Mit Mitte 30 und ein bisschen mehr schwindet bei mir langsam diese Panik vor der Biederkeit, der Langeweile und dem Stillstand. Ich hab Freude an meinem Gottemeitli, ich wüsste einen Namen für meine Tochter. Ok, Haus auf dem Land, Familienhotel und Aneinanderkleben gehen wirklich immer noch nicht, aber ich bin überzeugt, dass man Kinder auch anders grossziehen und sich einen Teil seiner Freiheit und Unabhängigkeit bewahren kann. Ja, vielleicht wär ich also bereit. Glaub's.
Kommen wir also zum eigentlichen Problem in dieser ganzen Sache und damit zum alljährlichen Standard-Anschlusssatz meiner Frauenärztin, der jeweils gleich auf die obige Frage folgt: "Wänn Sie jetzt dä richtig Partner händ, Frau Bitterbös, dänn warted Sie nöd länger!"
Tja, der "richtige" Partner war in all den Jahren der Hinweise auf meine schwindende Fruchtbarkeit halt eben noch nicht dabei.
Ansonsten gab es aber schon sämtliche Variationen: Männer, die Kinder wollten, aber nicht mit mir. Männer, die Kinder wollten, aber ich nicht mit ihnen. Männer, die keine Kinder wollten, aber mich auch nicht. Männer, die keine Kinder wollten, aber ich sie auch nicht. Und das häufigste Exemplar: Männer, die eigentlich schon vielleicht ganz gerne Beziehung und Kinder wollten glaub's, aber halt irgendwann mal und bloss nicht jetzt und bloss nicht so und überhaupt am liebsten gar nichts dafür ändern wollen im Leben und irgendwann kommt eh noch was Besseres.
Das heisst, diese Exemplare befinden sich immer noch in diesem Zustand wie ich damals mit 30, sind aber gut und gerne schon 10 Jahre drüber.
In dieser verfahrenen Situation steh ich nun also zwei möglichen Lösungsansätzen gegenüber:
Lösungsansatz 1: Ich entscheide mich ALLEIN für ein Kind und lass den Mann nach der Zeugung einfach weg.
Ja, bestimmt, so stell ich mir das Muttersein auch vor: alleinerziehend von Beginn weg! Die ganze Arbeit lastet auf mir! Ausserdem finde ich, ich bin meinem Kind einen anständigen, anwesenden Vater schuldig. Oder was soll ich dem Youngster dann später mal sagen? "Sorry, Schatz, häsch du kein richtige Papi. Aber er hät dich halt gar nie welle."
Ähä.
Lösungsansatz 1 fällt weg.
Lösungsansatz 2: Ich entscheide mich halt definitiv GEGEN ein Kind.
Fällt auch weg. Wenn ich das könnte, hätte ich es ja schon längst getan.
Scheisse.
Mann, die biologische Uhr ist aber auch so ein UNFAIRES ARSCHLOCH, echt!!!!!!!
Ich will verdammt nochmal auch so sein wie diese "Ich will ja schon aber nicht jetzt wääähhh Verantwortung"-Männer! Mich nicht entscheiden müssen!! Mir schön Zeit lassen mit dem Reifen, mit dem Hörner abstossen und so, denn ich kann mir ja dann mit 55 noch eine 25-jährige schnappen und mit der Kinder zeugen! Easy peasy, bloss keine Eile!!!
Das ist einfach voll fies!! Männer müssen sich nicht jedes Jahr beim Urologen wieder diese nervige Frage nach der Familienplanung anhören, ihnen wird nicht dauernd der Rückgang ihrer Fruchtbarkeit statistisch vorgerechnet! Und sie gehen dann auch nicht nach Hause und zerbrechen sich den Kopf darüber, was man im Leben wohl mal mehr bereut: Ein Kind zu kriegen oder kein Kind zu kriegen?
Fuck you, biologische Uhr, FUCK YOU VERY MUCH!!!!!!
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