Dienstag, 17. Januar 2017

64 Fake Snow

Kürzlich war ich in den Bergen - wohlgemerkt noch vor dem grossen Wintereinbruch. Es war auch schon Winter, aber noch in der laschen Variante, erinnert ihr euch?
Ich liess also meine Skiausrüstung wohlweislich zu Hause und zog nur die Moonboots an. Ich meine, sorry, wer geht denn schon Skifahren, wenn kein Schnee liegt?

Och, ganz viele.

Oben auf dem Berg sah ich, wie sich ein paar schmale weisse Bänder den Hang hinaufzogen, teils exakt unter den Bügelliften. Und darauf tummelten sich frischfröhlich zahlreiche Wintersportler. Völlig unbekümmert wedelten sie Richtung Après-Ski, als wäre alles ganz normal. Aber es war nicht normal, denn rund um die paar weissen Streifen war es überall braun. Der Berg war eine riesige, braune, plattgewalzte Fläche, richtig traurig sah das aus, tot. Aber da waren sogar ganze Familien angereist, teils aus dem Ausland. Sie hatten tatsächlich den langen Weg auf sich genommen, um auf ein paar Flecken Kunstschnee Ferien zu verbringen - Skiferien, wohlgemerkt. 

Wie kann man bloss, dachte ich mir. Was für eine Scheinheiligkeit!
Hey, wenn es nicht schneit, dann schneit es halt nicht! Das ist Natur! Oder Klimaerwärmung, je nach dem! 
Wieso können wir das nicht einfach akzeptieren?
Jetzt beschweren wir uns dauernd über diese Fake News, aber Fake Snow ist dann voll ok oder was?
Was erzählen diese Eltern ihren Kindern? "Wenn Gott es nicht schneien lässt, dann machen das halt die Kanonen. Wir spielen Winter, das ist doch cool!"
Ja, meeega cool!! Spielen wir doch auch gleich noch Sommer! Stellen wir ein paar scheiss Heizpilze an den Strand und wärmen das Meer mit Tauchsiedern auf, wenn der Juli mal wieder auf Oktober macht!
Oder wenn der Frost dann erst richtig im Frühling kommt, können wir ja auch einfach ein paar bunte Plastikblumen spriessen lassen auf den Wiesen, damit es auch jaaaa hübscher aussieht! 


Es ist mir schon klar, dass der Wintersport wichtig ist für die Schweizer Wirtschaft. Aber künstlich an der Vergangenheit festzuhalten, macht für mich keinen Sinn. Wir verdrängen so die Tatsachen. Ich konnte in meiner Kindheit auch den Hügel hinter unserem Haus runterschlitteln - ich glaube, das ist schon seit Jahrzehnten nicht mehr möglich. Diese Erinnerung schmerzt, aber sie täte mir nicht weniger weh, wenn man den Hügel nun künstlich beschneien würde. Ich würde ihn trotzdem nicht mehr runterschlitteln. Denn ich will nicht überall nur Fake, mir etwas vormachen, das befriedigt mich einfach nicht. Ich meine, ich muss mich ja schon dauernd schminken, um am Morgen die Leute auf der Strasse nicht zu erschrecken, auf Facebook muss ich mir tagtäglich die perfekten Leben der anderen anschauen, ich muss diese gruusigen Chia-Samen essen, damit ich auch wirklich 115 Jahre alt werde - das reicht wirklich! Für den Rest will ich das Echte, die Wahrheit, nichts als die WAHRHEIT!
Auch wenn sie weh tut.

Wer also Winter will, soll halt auf ihn warten - oder irgendwo hingehen, wo er sich gerade befindet.

Und darum steige ich jetzt in ein Flugzeug Richtung Sommer.
Ökologisch genau so bireweich wie Kunstschnee. 
Aber der Sommer dort ist wenigstens echt. 

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