Sonntag, 20. Mai 2018

87 Generation Offen

Neulich sass ich bei meinem Lieblings-Asiaten im Seefeld.
Keine Angst: Es geht nicht wieder ums Essen. 

Nein, mein Khao Soi war hervorragend wie immer, da gibt's nichts weiter dazu zu sagen. Und es wollte auch niemand von meinem Teller probieren (siehe Frau Bitterbös Nr. 86). 
Nein, ich wollte viel mehr von meiner Tischunterhaltung erzählen. Denn direkt neben mir sass eine Gruppe 20-jähriger, zwei Männer, zwei Frauen. 

Frau 1 zu Frau 2: "Sind er etz eigetlich zäme?"
Frau 2: "Aso, nei, mir sind nöd exklusiv."
Frau 1: "Aber ihr gsehnd eu voll vill!"
Frau 2: "Ja, eh, fasch jede Tag. Aber er isch nöd min feschte Fründ."
Mann 1: "Händ er en offeni Beziehig?"
Mann 2: "Ah, das han i au scho gha!"
Frau 2: "Ja, genau. Es isch voll entspannt. Mir chönd beid mache, was mer wännd. Aber mir händ's voll guet!"
Frau 1: "Cool!"
Und sie und die Männer nicken verständnisvoll, und alle nehmen einen Schluck ihres Hugos.


Ha! Wie erwachsen!
Als ich noch in den 20ern war, hätte das in meiner Clique niemand gesagt: "Neeeeeei, das isch nöd min Fründ, dä bumst no mit ganz vill anderne und ich au, aber mängisch bumsed mer au zäme und es isch voll super und entspannt!" Da gab es eigentlich nur so: "Ja, mir sind jetzt zäme, er isch min Fründ, ich bin ja sooooooo verliebt, er isch ja sooooooo härzig, alli Wuchenend verbringed mer immer zäme und under dä Wuche gsehmer eus a vier Öbige, es git überhaupt gar niemert suscht uf dä ganze Wält, wo besser wär als er, und ich bin au sini absolut Traumfrau, wänn er mich würd betrüge, wär für mich sofort verbii!"

Tja, aber irgendwann kam Tinder und dann merkten wir alle bald, dass es auf der Welt sehr wohl auch noch andere gibt als nur die Personen an unserer Seite. Warum sich festlegen, wenn die Auswahl doch fast unendlich ist und ich mit ein paar Klicks ein Date für den Abend ausmachen kann? Jeden Abend?

Nun, wenn ich ehrlich bin, gerade, was die Monogamie betrifft, habe ich auch so meine Zweifel. Ich denke, das ist einfach gegen die Natur, die hat uns nicht so gebaut, dass wir nur genau EINE Person auf der Welt interessant und sexuell attraktiv finden. Es mag Leute geben, die ihre Triebe ein Leben lang unterdrücken oder eben nur auf einen Partner konzentrieren können. Aber ich glaube nicht, dass das viele so komplett mühelos schaffen. Die supermonogame Beziehung ist ein künstliches, aufgezwungenes Konstrukt. "Ich gelobe, dir treu zu sein, bis dass der Tod uns scheidet" - mal ehrlich: Wer kann sowas schon mit gutem Gewissen versprechen? Wer weiss schon, was die Zukunft bringt? Und vor allem: Ist dieses Versprechen denn überhaupt nötig? Ist sexuelle Treue wirklich das, was eine gute Beziehung ausmacht?
Für mich sind das eher die Ehrlichkeit und Verlässlichkeit. Es ist mir lieber, man gesteht dem Partner etwas ein, anstatt dass man es heimlich macht oder mühevoll unterdrückt und dann todunglücklich ist.  Wir sind alle nur Menschen mit Trieben. Das Geheimnis einer guten Beziehung ist vielleicht, einen gemeinsamen Weg zu finden, um mit den Trieben umzugehen, ohne den anderen zu verletzen. Und die Basis der Beziehung sollte eh nicht der Sex sein, sondern der Wille, füreinander da zu sein, egal, wie scheisse das Leben gerade ist. 

Jetzt sind die vier 20-jährigen beim Asiaten ja quasi mit Tinder und Co. aufgewachsen. Sie haben also wahrscheinlich einen anderen Bezug zu Sex und Beziehung als meine Generation in ihrem Alter.    Für sie ist es selbstverständlich, mit Menschen auf der ganzen Welt in Kontakt zu treten, sofort und ganz easy, über Facebook oder Snapchat. Und wenn die Person nicht mehr passt, entfriended man sie einfach oder swiped nach links. Und gerade, weil man diese Möglichkeiten hat, ist die erzwungene Monogamie völlig fehl am Platz. Drum also lieber von Anfang an eine offene Beziehung, weil man sich sonst ja eh unglücklich macht, gegenseitig. 

Ob das jetzt besser oder schlechter ist als zu meinen Zeiten, wo man sich NUR face to face kennenlernen und nicht gegenseitig löschen konnte, und deshalb auch auf absolute Treue bestand, will ich hier gar nicht beurteilen. 
Aber ich finde es heute komplizierter, das ganze Dating- und Beziehungszeugs. Die schier unendliche Auswahl überfordert und die schwindende Verbindlichkeit frustriert. Ich meine nicht die sexuelle Verbindlichkeit, sondern überhaupt die Bereitschaft, mit jemandem gemeinsam durchs Leben zu gehen. Das kann man nämlich auch, wenn man mal mit anderen Sex hat. 

Aber die jungen Leute von heute haben da glaub's ganz andere Probleme:

Frau 2: "Mini Muetter wett en immer kännelerne! Aber ich mein, sorry, ich cha doch dä nöd heibringe, er isch nöd min Fründ!"
Mann 2: "Dini Eltere wännd eifach wüsse, mit wem du immer abhängsch!"
Frau 1: "Ja, aber sie cha ja würklich nöd säge, hey, das isch dä Fabian, mir händ en offeni Beziehig!"

Denn wahrscheinlich sind Frau 2s Eltern noch älter als ich. 



Dienstag, 1. Mai 2018

86 Futterneid

Neulich war ich mit einer Freundin im Restaurant. Mach ich eigentlich total gerne, auswärts essen. Wenn mich dabei nicht immer die selbe, grässlich Angst plagen würde. Nämlich die, dass mein Gegenüber diese eine teuflische Frage stellt:

"Nimmsch du das und ich das, und dänn chömmer teile?"

AAAAAAAAHHHHHHHHHHHHH!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Ich hasse das!!
Ich kann diese Phobie und Abneigung nicht erklären, aber es ist einfach eine Tatsache, dass ich beim Essen nicht gerne teile. Du kannst alles haben: Mein Velo, meine Kleider, meinen Badge im Büro, meinen Staubsager - aber nicht meinen Food! Mich macht das einfach wahnsinnig nervös. Wahrscheinlich meldet sich bei mir bei dieser Frage jeweils sofort dieser Ur-Überlebensdrang, der in uns allen schlummert, und mein Hirn gibt mir das Signal: Du könntest verhungern, wenn dir die anderen etwas wegfressen, nur der Stärkste überlebt, es hat hier keine Platz für Nächstenliebe! 

Das mit dieser Teilerei ist ja eh so eine Sache. Ich meine, kriegt man da sicher immer haargenau gleich viel Essen wie der andere? 
I doubt it.
Vor allem nicht beim System: "Aso, mir essed doch eifach mal d Hälfti und dänn tuusched mer dä Täller, oder?" - ähääää! Ganz sicher frisst du nur die Hälfte!! Logisch kommt da noch ein Schnäfel mehr Pizza weg oder drei Spaghetti zu viel! DAS GEHT NICHT!! Körper schreit: ALAAAARRRMMMM!!!!
Futterneid sagt man dem, oder? Muss genetisch sein, damit kommt man zur Welt. Also, bei mir jedenfalls ist das so, scheint sogar ein seeeeehhr ausgesprägtes Allel zu sein (ich bin sehr stolz, dass mir dieser Begriff aus dem Biologieunterricht im Gymi im Gedächtnis geblieben ist - und ja, tatsächlich, ich habe eine Matura, da staunt ihr, was?).


Noch viel beschissener allerdings finde ich, wenn man mir im Restaurant eröffnet: "Also, ich mag im Fall eh nöd e ganzi Portion, bstelled mer eifach einen Teller für eus beidi?"
Ähm, nein? Weil ICH mag eine ganze Portion, ehrlich gesagt, mögte ich deine gleich noch mit!
Wenig essen - sorry, aber so etwas gibt es nicht in meiner Welt. Wie gesagt, es könnten ja mal ganz harte Zeiten kommen, wir könnten eingeschneit werden, die Russen könnten vor der Grenze stehen, Trump uns mit immensen Zöllen belegen - und was mach ich dann ohne Fettreserven? Will ich als erste sterben? NEIN! 

Und NEIN, ich geb dir auch nicht von meinem Food zu probieren! 
"Dörf i en Biss?" - oh Gott, da wird mir jeweils ganz anders! Der Biss ist eh immer der eines Pottwals! Und eine fremde Zunge an meinem Glacé finde ich auch nicht so prickelnd.

Ja, so bin ich dann. 
Sälber ässe macht feiss. 

Aber zurück zum Restaurantbesuch, mit dem dieser Text hier eigentlich begann.
Meine Freundin wollte zum Glück nicht teilen und mochte auch eine ganze Portion alleine essen.
Nur einmal fragte sie so nebenbei: "Isch diis guet?"
Und da wurde ich für einen kurzen Moment nervös.

Sonntag, 15. April 2018

85 Weiblich, ledig, "jung" sucht...

Es gibt zwei sehr, sehr beschissene Sachen im Leben, bei denen aber so ziemlich alle mal durchmüssen:

Job suchen und Wohnung suchen. 

Bei mir steht gerade letzteres an.
Nicht, weil ich unbedingt müsste. Der Vermieter hat mich nicht vor die Tür gesetzt und ich werde auch nicht gentrifiziert oder so. 
Aber irgendwann weiss man einfach, dass es Zeit ist weiterzuziehen. Hat vielleicht auch mit dem runden Geburtstag zu tun, der sich mit grossen Schritten nähert im Sommer. Und jetzt muss eine neue Wohnung her, ganz einfach. Nicht unbedingt seniorentauglich und rollstuhlgängig, aber sicher grösser, schöner, grüner.
Basta.




Jetzt durchforste ich also wieder tagtäglich alle einschlägigen Portale mit Wohnungsinseraten - heisst, ich muss eigentlich rund um die Uhr im Netz sein, denn sonst verpasse ich eine Gelegenheit, und die Gelegenheiten in dieser Stadt sind furchtbar schnell weg! Oh mann, das ist purer Stress, es gibt wirklich geilere Hobbys, echt. Eine Wohnung suchen in Zürich, wenn man nicht über das Budget eines Novartis-CEOs verfügt, aber trotzdem nicht wie eine Kellerassel hausen will - gaaaaaanz schlecht für die Laune!
Und jetzt, lange nach meiner Studenten- und Ausprobierzeit hab ich doch tatsächlich auch noch ein paar Ansprüche, die die Sache noch schwieriger machen: Mindestens 3 Zimmer (der Held muss schliesslich auch reinpassen - siehe Blogpost Nummer 59. Und meine Schuhe). So ein Terrässchen wär schön. Ein Gärtchen. Mindestens ein sehr grosser Balkon. Zentral, logo. Okeeeee, bitz ausserhalb geht auch. Natur drum herum ist ja auch schön. Aber nicht in Seebach oder Schwamendingen. Witikon steht auch nicht zuoberst auf meiner Liste. Leimbach ok, wenn nicht grad in der hintersten Ecke. Oerlikon - jo, vielleicht im neuen Teil? Glaskeramik und Geschirrspüler, bitte. Parkett auch. 

Jedenfalls ist es jetzt nicht so, dass ich mich vor Besichtigungsterminen kaum retten könnte oder so. Ehrlich gesagt, greif ich nach dem Lesen eines Inserats selten zum Hörer. 
Oftmals sind nur schon die Titel verdächtig:

"Charmant" ist immer gefährlich - was so umschrieben werden muss, um an den Mann oder die Frau gebracht zu werden, hat irgendeinen Haken, der schöngeredet wird. Charmant kann nämlich alles sein. Der Schimmel an der Wand, zum Beispiel. Der Herd aus dem Zweiten Weltkrieg. Der grässliche, verschlierggte Laminatboden, der aussieht, wie aus einer Turnhalle.

"Interessant geschnitten" finde ich auch immer sehr schön. Heisst, die Zimmer sind 4m2 gross. Und die Badewanne in der Küche. 

"Wohnen im historischen Blablabla für 1000 CHF pro Monat" ist so ein anderer Fall. Dahinter steckt keine besonders menschenfreundliche Genossenschaft. Es bedeutet schlicht, dass man das neue Zuhause wohl höchstens ein halbes Jahr geniessen kann, weil es dann abgerissen wird. Oder gentrifiziert. 

"Keine Haustiere erlaubt" ist mir per se schon unsympathisch, ob ich jetzt ein Viech habe oder nicht. Ich weiss nicht, aber das impliziert so: Hey, in dieser Wohnung wird im Fall nichts, aber auch gar nichts dreckig gemacht, und wenn es irgendwo an irgendeiner Wand mal irgendeinen Kratzer geben sollte in 10 Jahren, dann fliegst du!

"Herzig" = winzig klein.

"Zentral" = am Arsch der Welt.

"Provisionsfrei" = "ist eh nichts wert".

Keine Fotos = Vergiss es!!

Und dann findest du vielleicht tatsächlich mal eine Perle unter den Säuen und rufst sofort an - aber der Vermieter geht gar nicht mehr ans Telefon, weil nämlich schon 345930 vor dir die selbe Idee hatten.
Oder du stehst am Besichtigungstermin mit 939402 anderen in der Schlange und versuchst, dich beim Vermieter einzuschleimen ("Mega schöne Wohnung, wow, genau das hab ich gesucht!! Noch nie so was Tolles gesehen! Und dann noch um die Ecke von meinem Arbeitgeber, wie praktisch! Ich hab nämlich einen gaaaaanz wichtigen Beruf, jaja, unentbehrlich und wahnsinnig gut bezahlt! Perfekter Leumund, und uhuere nett und sauber und mucksmäuschenstill bin ich auch, rufen Sie mal meinen Chef an, der bestätigt ihnen das!"). 

Und am Schluss kriegt sie dann doch ein anderer. 

Also, meine lieben Zürcher Leserinnen und Leser: Ich bin offen für jegliche Tipps. 
Sonst zieh ich nämlich einfach aufs Land. Und dann müsste ich diesen Blog hier umbenennen.
Das wollen wir nicht, oder?

Danke!