Mittwoch, 15. Juli 2015

28 Nicht ohne mein Velo

So als gute Zürcherin habe ich selbstverständlich ein Velo.
Also, drei sogar.
Ok, nein, seit ein paar Wochen sind es nur noch zwei, denn eins wurde mir geklaut. Mein hässlichstes, ältestes, mein "Bahnhofsvelo", wie ich es liebevoll nannte, denn es diente tatsächlich nur dazu, mich jeden Tag an den Bahnhof und wieder zurück zu bringen. Es war schon in so desolatem Zustand, dass es mir nichts ausmachte, es vor den Gleisen irgendwo in eine winzige Lücke im gesamtzürcherischen Veloschwarm zu quetschen, bevor ich auf den Zug ging und es dann dort jeweils wieder mit aller Gewalt herauszubuxieren, wenn ich zurückkam, wobei es jedes Mal noch ein bisschen zerkratzter und kaputter war als vorher.

Aber die Velodiebe in Zürich schrecken auch vor einem uralten Haufen Schrott nicht zurück, so verzweifelt sind sie! Jedenfalls wollte ich eines Tages auf mein Bahnhofsvelo hinter dem Haus steigen - da war es nicht mehr da.
Es war nicht das erste Mal, dass mir ein Velo abhanden kam (Velodieb ist in der Stadt Zürich offenbar ein beliebter Beruf). Und es war auch nicht das erste Mal, dass es mir abhanden kam, nachdem ich es gerade vom Velomech für teures Geld noch einmal hatte fahrtauglich machen lassen. Diese scheiss Velodiebe haben zwar keine intakten Gehirnzellen, dafür den sechsten Sinn oder so!!
Jedenfalls hatte ich an meinem Bahnhofsvelo nur wenige Stunden zuvor noch das Bremskabel austauschen lassen. Mein Lieblingsmech im Kreis 4 riet mir dringend dazu - wenn ich die nächste Fahrt bergab noch überleben wollte. Für den gesamten Rest meiner Mühle hatte er aber nur Hohn und Spott übrig. Das Gestänge? Breche bald durch. Die Felgen? Die Zahl Acht sei ein Dreck dagegen. Das nervige Geräusch beim Pedalen? Das höre erst auf, wenn ich das Ding in den Müll schmeisse.
Aber wie das so ist: man macht das dann ja doch nicht. Man hängt ja daran. Man gibt sein Kind ja auch nicht weg, nur weil es potthässlich ist. Man hat ja ein Herz.

Aber ja, jetzt IST es weg.
Und der dreiste Dieb wird sich auf meinem Rosthaufen wahrscheinlich den Hals brechen. Ich stelle mir vor, wie er damit die Kornhausbrücke runterrast und das Vorderrad plötzlich schneller ist als er. Oder wie er plötzlich den Lenker in den Händen hält, aber ohne Velo dran.
Ich müsste lügen, würde ich sagen, diese Gedanken würden mein blutendes Herz kein bisschen erfreuen.
Ok, ich wünsche dem Velodieb jetzt nicht gerade den Tod, um Gottes Willen.
Aber auf die Fresse soll er fliegen!! So richtig böse!!! Und WEH soll es tun!!!! WEH!!!!!
HAVE FUN WITH MY BIKE, YOU BITCH!!!!!!!!!!!!!!!!

Jetzt hab ich also noch zwei Velos. Eines bringt mich wieder jeden Tag an den Bahnhof und zurück, schreckliche Geräusche inklusive.
Und das andere steht schon seit Jahren eingeschlossen in meinem Keller.
Es ist so unglaublich schön, jungfräulich, glänzend, sauber und intakt, dass ich es noch nie gefahren bin. Ich habe es mir damals gekauft, weil ich mich im Veloladen verliebt hatte in seine Schönheit, und jetzt ist es MEIN SCHATTTTZZZZZZZZZZ!!! Ich ergötze mich regelmässig an seinem Anblick, aber das Licht des Tages erblickt es nie. Denn kein Arschloch-Dieb dieser Welt soll sich an ihm vergehen können, kein anderes Velo es mit seinen dreckigen Pedalen zerkratzen und keine fremden, fettigen Hände seinen lupenreinen Sattel besudeln!

Zürich ist eine Velostadt. Aber nicht für alle Velos.





Freitag, 26. Juni 2015

27 Kacke

Es ist irgendwie schon fies, wenn dich der Hausarzt in die Sprechstunde der Gastroenterologie oder wie das heisst schickt. Weil da darfst du dann so peinlich genau Auskunft geben über deine Stuhlgewohnheiten - oh mann, so ein dämliches Wort, über deine KACKE halt. Sorry, aber ist doch wahr! 

Ja, da musste ich aber durch, und ich sass also da so in diesem Gastro-Dingsbums-Zimmer und wartete, bis dieser Gedärme-Spezialist kam und überlegte mir die ganze Zeit voll angestrengt, wie ich es denn schaffen könnte, dass dieses Interview über meine Kacke nicht ganz so peinlich ausfallen würde und was ich wohl am besten für Ausdrücke wählen sollte, damit das Ganze auch bitte nur voll sachlich rüberkäme und nicht so - äähm - intim halt. Und innerlich musste ich plötzlich mega lachen über diese ganze Situation, und ich stellte mir so vor: "Leck, so richtig, RICHTIG peinlich wäre es aber, wenn der Gastro-Dingsbums auch noch so ein richtig scharfer Typ wäre, so ein McDreamy (ich habe zwar keine einzige Folge von "Grey's Anatomy" gesehen), ein Adonis in Weiss, so ein Chippendale-Stripper im Arzt-Kostüm, das wär wirklich der Oberhammer, hahahahaaaaa!!"

Ja, und dann ging die Tür auf, und genau so einer kam rein und stellte sich mir mit seinem schönsten Lächeln vor und gab mir seine Adonis-Hand. Und er stellte mir so ziemlich genau all diese schlimmen Fragen über Kacke, die ich im Vorfeld schon richtig befürchtet hatte, so wann, wie, wieso, warum, wie oft, Form, Farbe, Geruch etc. Und als ich schon dachte, ich hätte es überstanden, kündigte er mir auch noch an, dass er da halt mal noch "reingucken " müsste (von oben oder unten hab ich verdrängt), und ich nickte die ganze Zeit nur und starrte in seine  unglaublich blauen Augen und versuchte, nicht rot zu werden. 

Und jetzt hoff ich einfach, dass Adonis-Gastro-Dingsbums bei meinen Untersuchungen dann krank oder verhindert ist, und seinen sehr unattraktiven Stellvertreter schickt. 

Kacke, im wahrsten Sinne des Wortes. 

Mittwoch, 3. Juni 2015

26 Ich bin dann mal weg

Wer in Züri lebt, nagt ja meistens nicht grad am Hungertuch. Vor allem, wenn er nicht noch eine Familie durchfüttern muss, so wie ich und die meisten in meinem Umfeld, zum Beispiel. Und wir wissen unser Geld auch sonst ganz gut auszugeben (also, ich meine das, was nach der horrenden Miete, dem Abo fürs Fitnessstudio und dem Eintritt in die Zukki noch übrigbleibt, haha!). Die meisten Kinderlosen, die ich kenne, sind nämlich exzessive Reisende. Das Wochenende in Barcelona, die Feiertage in Paris, das Konzert der Lieblingsband in Berlin, Shopping in New York und die langen Ferien dann noch in der Karibik. 

Jepp, genau so bin ich auch - nur schlimmer. 

Ich habe es tatsächlich geschafft, das letzte Jahr ganze 14mal in ein Flugzeug zu steigen, und das immer zu reinen Vergnügungszwecken. Das schlechte Gewissen meldete sich prompt: Was bin ich nur für eine verwöhnte Jetset-Bitch!! Mal schnell hübsch an den Stränden von Ländern faulenzen, deren Einwohner mit ihrem Lohn kaum den Bus von der Arbeit nach Hause berappen können oder eh schon ganz auf der Strasse leben oder Angst vor ihrer eigenen Regierung haben müssen - und dann wieder schnell zurück nach Züri, in meine heile Welt, bevor's brenzlig wird, weil man zu sehr über diese Umstände nachdenkt. Und ja, alles, was ich hinterlasse, ist ein riiieeeessseeenngrooossseeerr ökologischer Fussabdruck, hallelujah!
Ich nahm mir also echt vor, dieses Jahr etwas zurückzuschrauben - was dazu führte, dass ich meinen Flugrekord bis Sylvester sogar noch böse übertreffen werde (all die Reisen per Zug oder Auto nicht mit einberechnet, ups)!

Jupp, die Welt ist schlecht, ich sag's ja. Scheisse ungerecht ist sie, und dieser Fakt holt mich immer wieder ein, wenn ich unterwegs bin. 
Also, eben, eigentlich dauernd. 
Was dazu führt, dass mich so tolle Hotels, superteure Arrangements und perfekt organisierte Reisegruppen im klimatisierten Büssli richtiggehend abschrecken. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das zuletzt gemacht habe. Im Ausland lebe ich persönlich am liebsten bei und mit Einheimischen, falls möglich. Da hilft mir AirBnB oder mein Freundeskreis, der (auch bitzli typisch Züri) zum Glück ziemlich international ist. Oder ich komme bei Freunden direkt unter, denn die bleiben auch regelmässig mal irgendwo in der Ferne hängen. Tja, und dann ist mir auch ziemlich egal, wo sich diese Herberge befindet, ob Favela, schickes Haus mit Pool oder Zelt, da war schon alles dabei. 
Und nein, man stirbt im Fall nicht, wenn man mal keine Dusche hat und Sachen isst, die nicht 50mal geschält, abgekocht und desinfiziert wurden.

Also, meistens nicht, jedenfalls. 
Bisschen Ekzeme und Kotzereien gehören dazu, mein Gott, be a (wo)man!!
Ich bin auf Reisen also immer gerne da, wo es wehtut, wo das richtige Leben stattfindet - und das ist nunmal nicht im Luxusressort oder Familienhotel mit Zaun drum herum. 
Nun, Geschmäcker und Meinungen mögen ja verschieden sein, aber ich gebe zu, Ich hatte schon gewaltigen Streit mit Leuten, die mir so nonchalant darlegten: "Ich will das Schlechte gar nicht sehen auf der Welt, ich will nur das Schöne", und die Nachrichten schalten sie auch immer gleich ab, wenn es um Hunger oder Krieg geht. sorry, aber diese willkürliche Ignoranz von uns verwöhnten Westlern macht mich sowas von fuchsteufelswild! Dann kuck halt nicht hin, aber zelebrier deine Scheissegal-Haltung nicht auch noch so offensichtlich!

Dabei, klar, auch ich bin kein Gutmensch (wer ist das eigentlich und wann darf sich jemand so nennen? Böh). Auch ich komme nach Reisen immer wieder gerne nach Hause, in mein geliebtes Züri. Auch ich danke innerlich diesem riesigen Zufall, dass ich in die Schweiz, und nicht in einen Krieg oder Slum geboren wurde. Und ja, auch ich lebe in einer heilen Welt, das zeigt sich spätestens auf dem Rückflug, wenn ich sehe, dass mein Sitznachbar ein viiiieeeeelll grösseres und natürlich viiiieel schöneres Stück Kuchen auf seinem Tablett hat und ich für einen Moment ernsthaft überlege, ob ich es wohl unbemerkt austauschen könnte, wenn er grad mal nicht hinkuckt...

Probleme einer superverwöhnten Züritussi, ja. Schlimm.

Aber vielleicht zieht's mich ja grad deshalb immer wieder weg. Weil ich dieser heilen Welt entfliehen möchte. Weil ich auch ein bisschen Hunger leide. Hunger nach mehr. Mehr Leben, mehr Erfahrung - mehr anderem halt, auch wenn's weh tut.

Ich bin dann mal wieder weg. Tschüss!