Donnerstag, 25. September 2014

12 Geduld ist was für andere

Ich experimentiere gerade mit mir selber. Nein, ihr Ferkel, nicht was ihr wieder denkt! Ich übe mich in GEDULD.
Schliesslich hat man mir einmal mehr unverblümt mitgeteilt, ich sei zu fordernd, zu überstürzt, ich wolle immer alles sofort, überfahre damit alles und jeden und sei - eben - zu ungeduldig. Gut Ding will Weile haben oder so, sagen sie immer. Das ist aber nicht gerade meine Stärke. Hey, ich bin eine Züri-Tussi!! Ich passe mich schliesslich nur an an meine Stadt! Was bitte geht hier denn nicht schnell, ausser eine Autofahrt durch den Gubrist zur Stosszeit?!
 
Aber gut, Kritik angekommen, ich gebe mein Bestes. Ich will also geduldig sein.
Ich versuche, dieses Training in meinen Alltag zu integrieren, so dass ich gar nicht merke, dass es mega mühsam ist und mich eigentlich gottlos anscheisst (das kenne ich ja vom Sport: ich HASSE Fitnessstudios, also nehme ich jeweils die Treppe anstatt den Lift, easy, so ganz nebenbei ein paar Kalorien verbrennen und die Muskeln formen, da fällt es gar nicht auf, dass es sich eigentlich um scheissdoofen, langweiligen Sport handelt, klar, haha!).
 
Gut. Ich stehe also am Fussgängerstreifen. Es wird und wird nicht grün. Ich warte. Warte. Und warte. COMOONN!! Ich trete nervös von einem Bein auf das andere. Hey, es ist rot, dabei fährt kein einziges Auto vorbei!! Ruhig, Bitterbös, ruhig, Geduld, gleich wechselt das Lichtsignal, gleich - nee, ich halte es nicht aus, ich marschiere im Stechschritt über die Strasse, das rote Männchen prangt immer noch über mir. Fail.
Ich will Schokolade. Ich hatte sicher schon drei Tafeln, aber ich WILL jetzt Schokolade, verdammt nochmal!!! Im Migros laufe ich sicher zehnmal am Regal mit den Guetsli und Tafelschokoladen vorbei. Nein, nein, jetzt wartest du gefälligst, bis du zu Hause bist, dort hast du noch feines, süsses Magerjoghurt im Kühlschrank. Und einen saftigen Apfel auf dem Küchentisch. Ist viiieeeel gesünder und doch auch totaaal fein! Aber nur schon, wenn ich an das Wort S.C.H.O.K.O.L.A.D.E. denke, läuft mir das Wasser im Mund zusammen und mein Magen verkrampft sich fordernd, so dass es schon richtig wehtut.
Ach, leckt mich doch!! Ich will ungesunden Mist und das JETZT!!! Und SPÄTER auch!!! Ich greife beherzt nach Schoggi und Guetsli und fülle damit meinen Warenkorb. Fail.

Der Chef sagt: also, wenn du dir ganz viel Mühe gibst und dann mal mehr Erfahrung hast, dann wirst du vielleicht mal befördert. So irgendwann in der Zukunft vielleicht. Dann wird diese Stelle vielleicht mal frei, dann kannst vielleicht DU sie haben. Nur Geduld.
Ich krampf mich also ab, ich verbessere mich, ich  bin saukritisch mit mir selber, ich nehme alle Feedbacks ernst, ich setze um, was von mir verlangt wird. Aber da tut sich nichts.
Nein, wirklich jetzt, Bitterbös, das kommt schon, du musst nur Geduld haben, dann kommt das gut. Du machst sicher mal die ganz grosse Karriere, ich weiss es. Aber geb jetzt einfach dein Bestes und wart mal schön ab.
Ich kündige. Fail.

Sie nervt mich. Die Person sitzt direkt vor mir und lächelt mir überfreundlich ins Gesicht, aber sie nervt mich. Was sie sagt, wie sie sich bewegt, ihre Art zu denken oder eben nicht zu denken. Gut, die Menschen sind ja schliesslich alle unterschiedlich, gell. Da muss man schon tolerant sein und Verständnis zeigen und so, sich gegenseitig akzeptieren halt. Ja, jeder hat eben sein eigenes Päckli zu tragen, seine eigene Meinung, das ist doch gerade das schöne dieser Welt, dass sie so vielfältig ist, ähä.
So NERVIG, ja!! Es juckt mich echt in den Händen, ich würde sie gerne würgen, diese Person vor mir und diese ganz bösen Worte, die liegen mir schon zuvorderst auf der Zunge, direkt hinter den Zähnen, die ich mit gaaaaaaaaaaaanz viel scheiss GEDULD krampfhaft aufeinanderpresse!! Neeeeeeein, nein, das kannst du nicht bringen, halt dich gefälligst zurück, knutsch den Menschen doch vielleicht stattdessen, so praktizierte Nächstenliebe wie in der Bibel, weisst du, aber ganz sicher keine Gewalt, Gewalt ist schlecht und bringt nichts, wart jetzt einfach mal ab und seh's locker und...!!!!
DU VERDAMMTES AAAAAAARSCHLOCH!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!, schreit es schliesslich aus mir heraus. Fail.

Ok. Ich habe es wirklich versucht. Aber ich habe kläglich versagt. Ja, ich gebe es zu: ich habe einfach keine Geduld mit der Geduld. Geduld ist für andere, nicht für mich.
Vielleicht lohnt es sich manchmal zu warten, sicher. Für die wirklich wichtigen, wichtigen Dinge im Leben. Aber sorry, für vieles andere ist geduldig sein gleichzusetzen mit Zeit verschwenden. Für was immer Warten? Man will etwas oder will es halt nicht, so einfach ist das. Das weiss man doch, das ist ein Fakt, da kann ich auch noch so geduldig sein, es ändert nichts daran. Ich will es jetzt und später, nach dem züchtigen Warten, will ich es immer noch. So what??

Also, gebt es mir einfach und Ruhe ist.

 


Samstag, 13. September 2014

11 Ice Bucket my ass!

Ich muss es jetzt einfach mal sagen: diese doofe Ice Bucket Challenge geht mir vielleicht sowas von auf den Sack!! Man kann ja keines seiner sozialen Netzwerke mehr aufschalten, keine Zeitung mehr öffnen, ohne dass einem dort gleich als erstes irgendwer entgegenstarrt, der sich gerade einen Kübel Wasser über den Grind leert!

Jaja, ich höre es schon: "Die Bitterbös ist ja so eine dumme Kuh, denkt nur an sich und nicht an andere! Das ist ja schliesslich alles für einen guten Zweck!" Klar weiss ich, dass die Ice Bucket Challenge dazu dient, Geld für die ALS-Forschung einzutreiben. Amyotrophe Lateralsklerose, eine Erkrankung des Nervensystems, unheilbar, führt zu Lähmung und Tod. Ja, ich musste das zuerst googlen, weil ich keine Ahnung hatte. Aber ich denke, die Mehrheit da draussen, die sich todesmutig unter die Eiswasser-Dusche begibt, eben auch nicht. Weil es ihnen scheissegal ist. Denn das ist doch genau das Problem: es stellt doch wohl keiner total selbstlos ein Video von sich ins Internet, weil er dabei nur an die armen ALS-Betroffenen denkt. Es geht doch mal wieder in erster Linie nur um die reine Selbstdarstellung, wie immer, wenn man sein Gesicht irgendwo ins Netz stellt. 
Oh, ob ihr's glaubt oder nicht, ich gebe gerne Geld für den guten Zweck. Und ich zweifle auch nicht daran, dass die Leute, die an dieser "Challenge" (sorry, so eine riesen Herausforderung ist das ja jetzt auch wieder nicht, es wird ja nicht gerade verlangt, einen Bungee Jump von der Staumauer zu machen oder mit Weissen Haien zu schwimmen) mitmachen, ihre 10 Franken oder wieviel an die ALS-Forschung spenden. Die zahlen sicher ein. 
Ich find's nur komisch, dass man das Geld nicht einfach geben kann, OHNE sich in einem Filmchen der gesamten Welt zu zeigen. Und selbst, wenn man sich eben KEINEN Kübel Eiswasser über den Kopf kippt und dann sogar 100 FRANKEN einbezahlt, muss man das noch in einer ellenlangen Aufnahme rechtfertigen. 
"Tue Gutes und sprich darüber" - ja, ich kenne das Sprichwort. Allerdings glaube ich, viele haben das ein bisschen falsch verstanden. Es geht hier mal nicht um seine eigene Person, Himmel nochmal! Man soll nicht wohltätig sein und sich dann vor allen anderen aufplustern, um zu  zeigen, wie toll und selbstlos man ist. Man soll wohltätig sein und die anderen dazu animieren, es ihnen gleich zu tun.
Das geht heute natürlich viel einfacher als früher, alle haben Internet, Facebook, whatsapp und Co. Aber ich finde es tieftraurig, dass man sein Portemonnaie offenbar erst dann öffnet, wenn man selber auch noch was davon hat, sprich, sich auch noch in Szene setzen kann. Hätte die ALS-Stiftung einfach einen Hilferuf vermailt, so im Stil: "Hallo, wir brauchen dringend Geld, um den Kranken zu helfen", dann hätte natürlich keine Sau gespendet.
Immer dieser scheiss Hedonismus überall! ALS ist verdammt nochmal eine Krankheit, die für die Betroffenen und ihre Angehörigen viel Leid bedeutet! Ich weiss also nicht, warum man da noch Spass haben soll, wenn man ein bisschen dazu beiträgt, dass vielleicht mal eine Heilung gefunden werden kann. "Haha, mir friert das Gesicht ein bei diesem Eiswasser, haha, ich seh aus wie ein begossener Pudel so pitschnass, haha." BITTE!!
Starten wir doch gleich auch noch eine Spendenaktion für die Opfer der Terrormiliz IS im Irak und Syrien und zahlen 10 Franken ein, wenn wir einmal nackt durch ein Altersheim rennen! 100 Franken, wenn wir die Kleider anbehalten! Wow, Spenden ist so cool, yeah, ich tu was gegen das Gemetzel in der Welt und bin dabei noch total funny, super!!
Ok, klar, der nerdige Bill Gates entlockt auch mir ein Schmunzeln, wenn er am Strick seiner sperrigen Eiswasserkübel-Maschine zieht. Aber das Ganze wäre noch viiiiieeeeelll lustiger, wäre er einfach SO mal auf die Idee gekommen, einfach, um die Internet-Community mal ein bisschen zu amüsieren, und nicht, weil er es tun MUSSTE, weil er dazu nominiert wurde und es ums Spenden geht. 

Ich habe mir überlegt, jetzt einfach auch 100 Franken an die ALS-Forschung zu spenden, ohne Eisdusche und ohne Video im Internet. Aber dann habe ich mich umentschieden: nein, die ALS-Forschung bekommt vorerst kein Geld von mir. Nicht, weil ich es nicht für nötig halte. Mehr, weil mir diese Ice Bucket Challenge die Lust verdorben hat. Ich spende jetzt lieber an andere Bedürftige, andere Hilfsorganisationen (es gibt tatsächlich noch andere schlimme Sachen auf dieser Welt als nur ALS, im Fall, auch wenn das Internet uns gerade was anderes glauben macht!). Und den Kübel Eiswasser giesse ich nicht mir über die Birne, sondern all denen, die mir zur Zeit ganz mächtig auf den Sack gehen. Damit ihnen das Gehirn noch ganz einfriert.

Sonntag, 31. August 2014

10 Im Zug mit dem gemeinen Taschen-Nazi

Es ist ja nunmal so: Zürich ist nicht die Welt. Und ab und zu muss man auch mal raus aus dieser Stadt. Ich zum Beispiel in schöner Regelmässigkeit. Will heissen, ich bin Pendlerin. 

Das ist nicht immer einfach. Wer pendelt, braucht einen Zacken mehr Geduld, Nerven und Toleranz als jemand, der nur in seinem Auto oder auf dem Velo unterwegs ist. Denn ein Pendler kommt selten allein. Und so muss man sich in Zug und Bus wohl oder übel miteinander abfinden, auch wenn man grad soooo keinen Bock auf andere Menschen hat.
Die Liste, mit was man sich gegenseitig im ÖV auf die Palme bringen kann, ist unendlich lang. Stinkige Kebabs essen, ins Handy schreien, dem ganzen Waggon seinen Musikgeschmack aufzwingen, unbedingt seine Jacke am Haken über dem Fenster aufhängen wollen - nein, ich fange gar nicht erst an, alles schon gehört!!
Aber es gibt EINE Spezies von Pendlern, die in den Pendler-Dissereien immer wieder untergeht, obwohl sie eigentlich weit verbreitet ist, und der ich mich deshalb hier einmal persönlich widmen möchte:

Dem gemeinen Taschen-Nazi.

Ja, das ist DIE Person (männlich oder weiblich, beide Geschlechter sind ungefähr gleichermassen vertreten), die in Zug und Bus ihr Gepäck immer auf einem eigenen Sitz abstellt. Wohlgemerkt zu Stosszeiten.
Die das Gefühl hat, dass die anderen Pendler, die am Feierabend genau so wie sie totmüde und genervt von der Arbeit kommen, gerne irgendwo vor der Zugstoilette oder halb auf dem Trittbrett stehenbleiben, damit der Rucksack, der Aktenkoffer und die Handtasche schön bequem am Fenster sitzen können.
Ja, für den gemeinen Taschen-Nazi ist das geliebte Gepäckstück nämlich total VIP und so wichtig, dass es auch ohne SBB-Ticket das unanfechtbare Recht auf einen Sitzplatz hat.

Der gemeine Taschen-Nazi (ja, der Name ist hart, aber es fällt mir kein passenderer ein) sagt das alles natürlich nicht wortwörtlich, sondern lässt es seine Mit-Pendler mit einem kurzen, aber mordsmässig affektierten Blick wissen, wenn diese ihren Anspruch auf den vom Gepäck besetzten Sessel geltend machen. Es ist so ein Blick, der besagt: "Du bist doch so ein riesen Birewichser, meine Tasche ist im Fall viel geiler als du und hat den weniger breiten Arsch!! Und das, was da drin ist, hat mehr wert als dein gesamtes Leben!!"
Natürlich stellt der Taschen-Nazi sein gutes Stück auch immer gezielt auf den Fensterplatz, damit der nachfolgende Pendler auch ja total umständlich über seine Knie steigen muss (die der Nazi selbstverständlich kein bisschen einzieht, geschweige denn, dass er kurz aufsteht oder selbst ans Fenster rutscht, um es allen Beteiligten leichter zu machen) und sich so bei sämtlichen Sitznachbarn grad mal mächtig unbeliebt macht.

Wieso macht der gemeine Taschen-Nazi all das?

Nun, meine eingängige, jahrelange Analyse hat ergeben, dass er einfach ein höchst asoziales Individuum ist und mit dem Placieren seines Gepäcks auf dem Sitz neben sich signalisieren möchte: ich habe keinen Bock auf Nachbarschaft! Kommt mir ja nicht zu nahe!
Ausserdem leidet er unter einem akuten Objekt-Fetischismus, denn die Gesellschaft eines dreckigen Rucksacks, einer Migros-Papiertüte oder eines Rollköfferchens ist ihm tatsächlich angenehmer als die eines Menschen aus Fleisch und Blut.

Nun, diese Abscheu ist selbstverständlich gegenseitig, denn auch keiner der anderen Pendler hat Bock auf einen Taschen-Nazi in seiner Nähe. So geht man dieser unappetitlichen Spezies liebend gerne aus dem Weg und dann ist auch alles gut -  doch leider ist das mit dem Ausweichen in einem vollgepackten Zug oder Bus etwas schwierig. Und deshalb muss in dieser Situation halt auch mal der hinterletzte Homophobiker und Arschloch-Egoist ein bisschen über seinen Schatten springen und akzeptieren, dass die ÖV nicht nur für ihn fahren und er nicht mehr für das Billett bezahlt hat als alle anderen auch.

Der gemeine Taschen-Nazi. Wie begegnet man ihm am besten?

Auf keinen Fall mit Groll oder einer lauten Stimme. Denn das könnte seinen Frust noch mehr verstärken und man verschwendet nur seine Energie. Am besten nähert man sich ihm mit einem entwaffnenden, freundlichen Lächeln, zeigt auf seine Tasche auf dem Fensterplatz und fragt in seinem höflichsten Tonfall: "Ist da noch frei?" Das nimmt dem Taschen-Nazi in den meisten Fällen den Wind aus den Segeln, denn Anstand kennt er von sich selber ja nicht so gut, deshalb ist er ganz überrascht von so viel menschlicher Zuneigung und kann sich gar nicht wehren. Nach meiner Erfahrung überlässt er den Pendlern dann in 99 Prozent der Fälle seinen Taschen-Platz.

Von dem her ist der gemeine Taschen-Nazi für den tagtäglichen Pendler zwar ein unglaublich nerviges, aber eigentlich nicht das schlimmste Übel (auch wenn man der einen oder anderen Ausgabe der Spezies auch einfach mal gerne ihr scheiss Gepäck um die Ohren hauen würde). Denn ein Kebab schmatzender Assi wird seine Leckerei kaum wieder einpacken, wenn man ihn ganz höflich auf den üblen Geruch und die widerlichen Geräusche aus seinem Mund hinweist.