Dienstag, 25. Juli 2017

73 Nicht ohne mein Velo

Wie ihr ja, glaub ich, unterdessen mitbekommen habt, bin ich so eine richtig urchige Zürcherin.
Ich fahre nämlich überall mit dem Velo hin.
Zum Beispiel jeden Morgen an den Bahnhof.
Und ich stelle mein Velo wie eine richtige Eingeborene auch überall ab. In Zürich heisst das: Überall, wo ein Velo noch irgendwie ganz knapp Platz findet. Ich meine, in einen Veloständer für 6 Velos passen ja easy auch 20 rein.  Und wieso den markierten Veloparkplatz im Notfall nicht eigenmächtig erweitern, das merkt doch niemand, so 3 Kilometer über die gelbe Linie hinaus. 
In Tsüri geht das.
Kein Problem.

Das Problem kommt erst, wenn man sein Velo dann wieder abholen will. 
Bei mir fängt das jeweils an, wenn ich aus dem Zug steige. 
"Ööhm, Moment. Hab ich das Velo jetzt an der Europaallee, vor dem Coop oder an irgend einem x-beliebigen Laternenmast mit dem Schild 'VELOS ABSTELLEN VERBOTEN!' angekettet? Oder war es doch die andere Seite, dort beim Sihlquai?"
Ziellos irre ich dann in den unterirdischen Hallen des HBs umher, gehe eine Treppe rauf, dann wieder runter, weil ich mich zu irren glaube, eine andere wieder rauf. Ich versuche, mich krampfhaft an den Morgen zu erinnern, die gespeicherten Bilder in meinem Kopf abzurufen, aber alles nach dem Zähneputzen ist irgendwie schon längst verblasst.
Irgendwann beschliesse ich dann, dass meine Phantasie nicht ausreicht. Das einzige, was hilft, ist, aktiv werden. 
Und das ist dann der Startschuss für das allabendliche Ablatschen der unendlichen Weiten der Zürcher Velo-Ozeane, die sich rund um den Bahnhof ergiessen. 

Ich frage mich manchmal, ob der eine oder andere nicht schon einen Velodieb in mir vermutet hat, wie ich da so geduckt Reihe um Reihe der Zweiräder entlangschleiche und neugierig in die Menge spähe, offensichtlich auf der Suche nach einem SCHAAATTTTZZZZZZ.
Aber nein, ich will tatsächlich keinen guten Fang machen, ich will ja nur mein eigenes schrottreifes, rostiges, hässliches Citybike finden, von mir liebevoll "Bahnhofsvelo" genannt, denn für mehr als zum Pendeln zwischen Wohnung und HB taugt es wirklich nicht. Und ich hüte mich, mein wunderschönes, nostalgisches Retrobike mit den hellen Reifen und der riesigen, glänzenden Glocke für diese Strecke zu benützen! Es steht seit 5 Jahren eingesperrt in meinem dunklen Keller,  dort ist es sicher, abgeschottet von der Aussenwelt, in Quarantäne, damit kein anderes Velo, keine andere Hand, keine bösen Blicke ihm auch nur ein einziges Leid zufügen können, HA!! 
Was man liebt, muss man eben schützen!!

Ich bin es noch nie gefahren.


Wenn ich dann jeweils Glück habe abends, dann erspähe ich mein Bahnhofsvelo tatsächlich irgendwo in der Masse. 
Aber damit ist es dann noch längst nicht ausgestanden. Denn die nächste Herausforderung steht an: Wie bringe ich mein Velo jetzt aus diesem endlosen Gewirr aus Lenkern, Satteln und Reifen heraus?

Mit Gewalt, das ist hier wirklich die einzige Lösung. Und sie hat Folgen: Jeden Tag geht es meinem Bahnhofsvelo schlechter. Dort wieder ein Kratzer mehr, die Speichen noch mehr verbogen, das Licht kaputt, ein Schutzblech abgerissen.
Ich muss mit meinem treuen Weggefährten regelmässig zum Doktor. Wobei ich zugeben muss, dass ich immer nur das nötigste wieder zusammenflicken lasse. Aber jedes Mal warnt mich der Velomech, dass dieses und jenes also auch mal GAAAANNZ DRINGEND angeschaut werden müsste, und er wirft mir dann jeweils diesen ganz besonderen, strengen Blick zu, der wohl bedeutet: "Du bewegst dich auf ganz dünnem Eis, Mädchen! Wenn du dir mit diesem Lenker nicht ein Karpaltunnelsyndrom holst, oder Hämorrhoiden auf diesem Sattel, dann wohl bald den Tod, angesichts dieser Bremsen...!"
Aber ich wiegle dann immer ab. Sorry,  jede Investition in diesen Göppel ist rausgeschmissenes Geld, da spätestens am nächsten Tag ja eh schon wieder kaputt!

Ich gebe zu: Manchmal habe ich auch keine Lust auf das bahnhofsche Velochaos. Dann lasse ich mein Bike einfach stehen und fahre mit dem Bus nach Hause. 
Und am nächsten Tag stürme ich dann wie immer total zu spät dran und gehetzt aus dem Haus und weiss, ich habe jetzt noch genau 7 Minuten, bis der Zug fährt (10 ist die absolute Deadline!!), will auf mein Velo springen - und merke dann: Scheisse, im Gegensatz zu mir ist DAS ja schon am Bahnhof.

Tschüss, Zug!

Und übrigens steht ein Velo, dass sich bereits seit einem Tag am HB befindet, dann ganz in der Mitte des blechernen Ozeans, GAAAANZZ IN DER MIIITTTEEEE!!!!!!

Dienstag, 4. Juli 2017

72 Einhorn-Kotze

Ich würde jetzt wirklich gerne mal wissen, was das eigentlich ist mit diesen Einhörnern.
Ich meine, warum trifft man die auf Schritt und Tritt an, warum muss alles ein Horn haben und in Regenbogenfarben sein zur Zeit? Süssigkeiten, Kleider, Luftmatratzen, Schminke, Handyhüllen - Einhörner sind der letzte Schrei. 

Woher kommt dieser Boom?

Wissensdurstig wie ich bin, hab ich mich mal seriös schlau gemacht: 
Das Einhorn wurde schon in der Antike erwähnt. Eine Art Pferd oder Ziege mit eben einem Horn in der Mitte der Stirn. Diesem sprach man heilende Kräfte zu. 
Naja, irgendwie musste man sich damals ja die Welt erklären, warum also nicht mit Fabeltieren. Und fake news konnte man ja noch nicht wirklich überprüfen, gab keine Handykameras, kein Internet und keinen Trump
In der Bibel ist das Einhorn dann auch zu finden. Aber offenbar mehr durch einen Übersetzungsfehler. Gemeint war wohl der Auerochse, und der hatte mit Sicherheit ZWEI Hörner auf dem Kopf. Weil er auf Gemälden aber eindimensional und von der Seite dargestellt wurde, sah es so aus, als hätte er eben nur eins. Deshalb der Irrtum.
Also, irgendwie so hab ich das verstanden. 
Egal, das Einhorn blieb Fabeltier, auch im Mittelalter und in der Neuzeit. Es galt als Symbol des Guten, ein weisses Pferd mit Horn ("schneckenartig gedreht" und bis zu einem halben Meter lang, ganz wichtig!), und unter diesem vermutete man jetzt gar einen roten Edelstein mit Superkräften. 
Kann ja alles sein. Vielleicht waren damals auch wirklich mal Pferde unterwegs mit einem genetischen Defekt, oder eine Kuh, der nur ein Horn wuchs oder was weiss ich. Lässt sich ja irgendwie alles noch rational erklären.


Ich frage mich einfach nur, wann das mit dem Pink und den Regenbogenfarben dazukam.
Warum genau sollten Einhörner Mähnen und Schweife in allen Farben haben und rosarot kotzen (und ich diese Kotze dann auch noch trinken, in Form eines völlig überteuerten pinken "Einhorn-Frappuccino" im Starbucks)?
Können sie sich so bunt im Wald besonders gut verstecken? Oder wo leben die eigentlich, im Himmel oder in einer psychedelischen Parallelwelt, wo sie in dieser Aufmache garantiert nicht auffallen?

Also, MEINE allererste Begegnung mit einem Einhorn war ja als Kind, im superschönen Zeichentrickfilm "The last Unicorn" - was hab ich geheult über das krasse Schicksal dieses anmutigen Tieres mit diesen grossen, tieftraurigen Augen! 
Und es war  im Fall strahlend weiss und kotzte keine Regenbögen!

Oh Gott, jetzt musste ich grad den Titelsong dieses Filmes auf Youtube nachschauen, wie herzzerreissend! "I'm aliivvee, I'M ALIIIIIIIIIIIVVVVEEEEEE, when the last moon and blablabla...!!!" - DAS war noch Kunst!
Wie auch immer.
Jedenfalls waren für mich nach diesem Film die Einhörner auch wieder verschwunden. Sie begleiteten mich nicht wirklich durch meine Kindheit, mehr so Pink Panther, die Schlümpfe und Biene Maja. Aber dann so, plötzlich, 30 Jahre später: TADAAAAA!!!
Wer um Himmels Willen hat das Viech wieder ausgegraben?? Und siehe da, es ist auferstanden und hat sich transformiert, ist jetzt ganz farbig und glitzrig! Und man darf es jetzt auch cool finden, wenn man längst volljährig ist, nein, man muss sich nicht mal für seine Einhorn-Pumps und Einhorn-Clutches schämen!

Ok, ich möchte hier aber klarstellen, dass ich über KEINE Einhornartikel verfüge. Allerdings gebe ich freimütig zu, vor nicht allzulanger Zeit einen Einhorn-Kuchen gebacken zu haben. Nicht für einen Kindergeburtstag, für einen 35. Und man gratulierte mir tatsächlich zu diesem feinen Schoggi-HUND!
Ja, ich muss es leider sagen, eine Schönheit war meine Einhorn-Kreation nicht...

Ich verstehe diesen ganzen Einhorn-Boom nicht wirklich. Ich meine, das Fabelwesen steht zwar für etwas Positives, Mystisches, Schönes. Könnte schlimmere Rollenbilder geben. Aber ich würde trotzdem kein solches Viech im Garten haben wollen. Ich stelle mir so ein riesiges, spitzes Horn ziemlich - ähm - unpraktisch vor. Du willst das Ding streicheln, dann  eine falsche Bewegung, und es spiesst dich unabsichtlich auf. Müsste ich jetzt auch nicht meine Kinder drauf setzen oder ähnlich, Pferd hin oder her.

Und farbige "Einhorn-Guetzli" könnte man auch einfach als "Regenbogenguetzli" verkaufen. Und "Einhorn-Kotze" als "Pinkes Kaffee-Kaltgetränk". 

Aber jetzt muss ich gleich diesen Film nochmals kucken. Sweet memories! Hach....