Dienstag, 10. Mai 2016

49 Ich kann auch Garten

Die Zürcher Balkone blühen wieder in allen Farben und Formen - es ist Frühling, langsam nicht mehr nur im Kalender, sondern auch beim Wetter, die Blumentöpfe werden also fleissig wieder aus dem Keller geholt und ausgestellt.

Nun, ich habe leider keinen Balkon. Aber ich habe ein breites Fenstersims. Und das ist mir schon seit langem ein Dorn im Auge. Es macht einfach nichts her, dieses leere Betonding. Das wird mir wieder mal klar, wenn ich all die herausgeputzten Balkone rundherum sehe. NEID! 
Ausserdem wird das Sims manchmal als Aschenbecher und Biertisch missbraucht, da ich im Hochparterre wohne und man es drum gut erreichen kann, wenn man sich auf die Zehenspitzen stellt. Andere schaffen es sogar, ganz raufzuklettern, das wurde mir schlagartig klar, als mal so ein Grüsel in meinem offenen Fenster hing, gerade, als ich nackt aus der Dusche kam. Er war zum Glück auch sofort wieder weg, freiwillig. Ich hoffe immer noch, das lag an meinem spitzen Schrei und nicht an meinem Anblick.

Das Sims ist also nicht nur hässlich, sondern auch noch gefährlich. Dem nächsten Perversling und den nächsten besoffenen Rauchern will ich es deshalb etwas schwerer machen.
Es müssen also Blumen her. Aber ich habe nicht nur keinen Balkon, ich habe vor allem auch keinen grünen Daumen. In meiner Wohnung gibt es nur Kakteen, die brauchen kaum Zuneigung und noch viel weniger Wasser. Alles andere stirbt mir sofort ab. Okeeeee, die Kakteen zwar auch ab und zu. Ich bin mir aber sicher, das liegt nicht an mir, sondern an der zuständigen Gärtnerei, die die armen Sukkulenten natürlich völlig überzüchtet und somit anfällig für Krankheiten macht. Jaja!


Ich kann einfach nicht so mit Pflanzen. Ich erinnere mich noch an den Zwischenfall mit den frischen Sonnenblumen während meiner Innendekorations-Feng-Shui-Phase in meiner ersten Wohnung in Zürich. Ich hatte die voller Stolz in einer riesigen Vase mitten in der Stube drapiert. Nur dumm, dass ich danach drei Wochen in die Ferien fuhr und die armen Blümchen dabei völlig vergass.
Abgestorbene Sonnenblumen in abgestandenem Sonnenblumenwasser - es gibt fast keinen ekligeren Gestank! So werden wohl biologische Waffen hergestellt!! Ich bin mir ziemlich sicher, ein paar Tage länger und meine Nachbarn hätten die Polizei alarmiert, weil sie in meiner Wohnung eine modernde Leiche vermuteten. 

Anyway. Was war, das war. Man muss ja schliesslich in die Zukunft schauen, nicht wahr?
Ich schleppe also drei Töpfe Blumen vom Migros nach Hause - ja, schleppe, denn ich hab ja kein Auto. Fragt mich nicht, was für welche. So verschiedene bunte und einen grossen Busch weisse, halt. Dazu noch Mini-Peperonis. Dann ess ich vielleicht auch endlich mal Gemüse, wenn das schon vor meinem Fenster wächst, denke ich. Ausserdem waren sie Aktion.
Schon an der Kasse im Laden treffen mich die mitleidigen Blicke der anderen Kunden. 'Oh Gott, wie bringt die Tussi das riesige Gestrüpp bloss nach Hause?', lese ich ihre Gedanken. Ja, weiss ich auch nicht. Grosse Tüten haben Sie an der Kasse jedenfalls nicht, ich muss sie noch extra teuer dazukaufen.  Ausserdem ist die Kassiererin not amused, weil ich mit den frisch gewässerten Pflanzen alles volltropfe - ja, sorry, hab auch nichts dafür, wenn sie hier zwar Topfpflanzen verkaufen aber keine Töpfe dazu! Ganz toll überlegt, bravo, Duttweiler würde sich im Grab umdrehen, echt!!
Einpacken hilft mir die Kassiererin grad auch nicht. Es ist aber noch schwierig, mit nur zwei Händen so einen  Riesenbusch hochzuheben und gleichzeitig noch die Tüte aufzuhalten. 
Interessiert keinen.

Naja, irgendwie bring ich das ganze Grünzeug dann doch noch nach Hause, hallelujah. Zum Glück hab ich irgendwo im Schrank auch noch eine Auswahl an Übertöpfen von meinen vergangenen (und  allesamt missglückten) Gummibaum- und Orchideen-Versuchen. Sie passen, wenn ich ein bisschen würge. Ich stelle mein Werk schön symmetrisch geordnet auf mein verhasstes Fensterbrett - und bin sogar zufrieden. Sieht hübsch aus!
Ich schiesse ein Foto und whatsappe es meiner Mutter. Sie beginnt fast zu weinen, denn sie hat fast 40 Jahre lang dafür gekämpft, dass ihre Tochter endlich mal Blumen vor ihre Fenster stellt, wie sich das für einen richtigen Schweizer Haushalt schliesslich auch gehört! 
Ich bin ein bisschen stolz. Vielleicht gibt es wirklich noch Hoffnung für mich? Nach den Blumen kommt vielleicht endlich auch noch das mit dem Kochen ("Mami, ich lüüte zrugg, ich bin am Znacht ässe" - "Ou, was git's Feins?" - "Es Pack Guetzli."), mit dem Früchte essen (zu Besuch bei meinen Eltern, Mami: "Lueg, ich han ganz vill Öpfel/Bire/Orange/Kiwis/Pfirsich/Aprikose kauft, das isch mega gsund! Wottsch chli? - "Nei, wäh!" - "Die sind mega guet! Vitamine! Bisch sicher?" - "Ja. Kei Hunger." - "Im Tüüfchüehler hät's no Gla..." - "Vanille, gern!") und mit dem Kleider-nach-dem-Waschen-richtig-aufhängen-dann-zerknittern-sie-nicht ("Bitterbös, die Hose gsehnd uus, als hett sie e Chueh i dä Schnorre gha! Wie häsch sie dänn ufghänkt?" - "Wieso ufghänkt...?").

Jedenfalls, ich hab jetzt mein Fenstersims schön. Das kann easy mithalten mit all diesen Frühlings-Balkonen in meiner Nachbarschaft, ätsch! Ich bin weit und breit das einzige geschmückte Hochparterre - and proud of it!
Und ich freu mich an meinem kleinen urban garden, solange ich kann. Denn ich weiss schon, dass mindestens die Peperonis mindestens einmal geklaut werden - Kreis 4 halt. Sorry, wenn mir hier schon zwei schrottreife Velos (ich hoffe, die Bremsen haben bei der Talfahrt versagt, du Arschloch-Dieb!) und meine bestellten Druckerpatronen aus dem Briefkasten abhanden kamen (und das nächste Mal kannst du die Verpackung im Fall im Abfall entsorgen und nicht auf dem Trottoir - und ich hoffe, du hast zu Hause gemerkt, dass du Canon hast und nicht HP!), warum sollten dann leckere, reife Mini-Peperonis verschont bleiben? Die Menschen haben keine Würde mehr.

Ich hoffe, dass dem Dieb dann wenigstens noch mein Riesenbusch weisse Blümchen samt Übertopf auf den Kopf knallt. 
Mami hätte auch Freude. 




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