Donnerstag, 21. Januar 2016

41 REISESPECIAL: Getrockneter Tintenfisch in Disneyland

Japan.
Als wir vom Flughafen in die Hauptstadt Tokio hineinfuhren, ging die Sonne gerade unter und der Himmel schimmerte rötlich. In den spiegelglatten Wolkenkratzern darunter brannten schon alle Lichter, die Stimmung war irgendwie romantisch, melancholisch – und da wusste ich: hier würde es mir gefallen!


Und so war es dann auch. 
Gut, wahnsinnig umgewöhnen musste ich mich nach Taipeh ja sowieso nicht: wieder eine topmoderne asiatische Grossstadt, einfach noch topmoderner und noch cleaner. Wieder Menschen mit Mundschutz. Wieder Linksverkehr. Wieder blinkt und winkt und piept und bewegt sich alles, einfach eben noch ein bisschen mehr. Tokio, mit mehr als 9 Millionen Einwohnern eine der grössten Städte der Welt, lebt und liebt den Gigantismus. Ich habe hier die grössten Sushi meines Lebens gegessen, so riesig, dass sie gar nicht in meinen Mund passten, etwa fünfzehn Mal zurück in die Sojasauce platschten und das gesamte Restaurant verspritzten. Der arme Kellner brachte mir immer wieder feuchte, warme Lappen – die sind hier eigentlich zur Erfrischung gedacht, bei mir mussten sie allerdings zum Putzen herhalten. 
Apropos Zweckentfremdung: in der Spielwarenabteilung eines Kaufhauses hab ich eine riesige, mutierte Kakerlake aus Plüsch gefunden. 
Geil. 
Ich stell mir das so vor: „Oh, die Aya hat ihr Kind bekommen, was könnte ich wohl in den Spital mitbringen? Ah ja, so eine süsse, kuschlige Mega-Kakerlake von Steiff, die kann sie dem Kleinen in die Wiege legen, und an der hat er sicher bis 15 Freude!“ – ich sag euch, hätte die in meinen Rucksack gepasst und müsste ich das Ding nicht noch zwei Kontinente weiterschleppen, ich hätte so ein Vieh gekauft, echt jetzt!
Wo wir gleich beim Thema „eklige Tiere“ sind: dass man in Asien so auf Tintenfisch steht, das begreif ich ja echt nicht! In Japan auch wieder: Tintenfisch-Bällchen hier, getrockneter und gepresster Tintenfisch da, Chips mit Tintenfisch-Geschmack, Tintenfisch frittiert, Tintenfisch am Spiess, eine Tentakel in der Miso-Suppe – WÜÜÜRRRRRGGGGG!!!! Sonst find ich das Essen ja super (und krieg jetzt grad Lust auf ein Mochi mit Rote-Bohnen-Füllung), aber Tintenfische gehören für mich in Horrorfilme und nicht auf den Teller.
 
Oh, etwas ist nach Taipeh doch anders: das Regime in der U-Bahn scheint in Tokio etwas weniger strikt zu sein, jedenfalls sah ich Leute essen und trinken (jupp, inklusive mir). Und auf der Rolltreppe steht man jetzt links und geht rechts, also genau andersrum wie in Taiwan, aber auch da halten sich nicht alle so genau daran. Trotzdem gab’s nie Chaos, nicht mal zur Rush Hour – stoisch wurde auf den völlig überfüllten Perrons schön hintereinander angestanden, und wenn der Zug dann kam, 
schichtete man sich schön brav und ohne Drängeln in die Wägen. Dort harrte man dann aus, wie Sardinen in der Büchse, mit viiiieeel Körperkontakt, wenn du Niesen musst, kannst du nicht mal die Hand vor den Mund heben, so eng ist es – langsam verstehe ich den Vorteil dieser Schutzmasken! Aber die Japaner ertragen das alles mit Würde, keiner motzt, keiner haut dir den Ellbogen in die Rippen, lieber zocken sie seelenruhig auf dem Smartphone Candy Crush oder Ähnliches. Ich müsste das ja nicht jeden Feierabend haben, DAS nenn ich mal Dichtestress, meine Lieben! 

Mein Kumpel und ich sind denn auch etwas bequemer nach Osaka gefahren: mit dem Shinkanzen, dem Hochgeschwindigkeitszug. Rast mit rund 300 Stundenkilometern durchs Land, kostet allerdings auch ganz schön, mehr, als die gleiche Strecke mit dem Flieger zurückzulegen. Egal, es geht ja ums Erlebnis! Und für uns Europäer ist das schon eins, denn wenn der Shinkanzen in den Bahnhof einfährt, hat man das Gefühl, man sei in Star Wars. Von vorne erinnert er nämlich an den Helm eines Stormtroopers oder an ein fancy Raumschiff. Ja, ist ja schliesslich auch fast so schnell! 
 
Allerdings merkt man das gar nicht, wenn man dann drinsitzt, es drückt einen also nicht grad in den Sessel oder so.Eigentlich
schade. Wenn man allerdings aufsteht, um aufs WC zu gehen, dann spürt man schon irgendwie, dass es rasanter vorwärts geht als bei der SBB. Man muss sich gut festhalten, weil’s einen richtig durchschüttelt und ein bisschen flau im Magen wird, mir jedenfalls. Der Shinkanzen hat 
übrigens die edelsten Toiletten, die ich jemals in einem Zug gesehen habe! Riesige Kabinen, alles supersauber und – Achtung! – beheizte WC-Ringe! Scheisse, ich könnte mich so an diesen ökologischen Unsinn  gewöhnen, vor allem jetzt im Winter! Der erste WC-Gang in Japan kann allerdings auch anstrengend werden, denn erstmal findet man die Spülung nicht. Es hat zwar unzählige Knöpfe an der Schüssel, aber entweder kommt ein Wasserstrahl, Musik oder nur ein Spülgeräusch (sehr süss, für Schüchterne, die sich für ihre Bisi- und Gaggigeräusche schämen) – aber das verrichtete Geschäft bleibt „liegen“. Nun, ich habe schnell gelernt, der Knopf für die Spülung befindet sich meistens eben nicht am WC selber, sondern irgendwo an der Wand oder hinter der Schlüssel. Logisch, oder?

Osaka ist übrigens Disneyland. Wer Tokio in punkto Werbeflächen und Geblinke schon verrückt fand, wird Osaka für wahnsinnig erklären. Da hängen riesige, bewegliche Krabben über Restaurants, Drachen kommen aus Hausfassaden, Mega-Sushis baumeln über der Strasse, die jungen Japanerinnen und Japaner tragen noch krassere Emo-Frisuren in noch krasseren Farben, noch kürzere Röckchen (hab ich schon erwähnt, dass WINTER ist??) und noch blauere Kontaktlinsen. Mir war die Stadt trotzdem sympathisch. Ich mag crazy.
Und übrigens will ich damit nicht sagen, dass Japaner irgendwie weird sind oder so. Ok, über gewisse Modegeschmäcker lässt sich streiten, aber das dachten die bei mir und meiner Wollmütze wohl auch. Nein, ich habe die Japaner als sehr korrekt, offen und höflich erlebt. Auch wenn hier die Englischkenntnisse wieder nicht überall vorhanden sind, sind sie doch stets bemüht, einem weiterzuhelfen und zufriedenzustellen. Wenn man was kauft, wird es einem stets mit beiden Händen überreicht, und die Verkäufer an der Kasse lassen beim Bezahlvorgang jeweils einen ganzen Sermon
ab, den ich zwar nicht verstehe, aber mit „Sie haben sich für das Produkt XX entschieden, dafür danken wir Ihnen ganz herzlich, das macht dann 2500 Yen, bitte sehr, Sie können gerne mit Karte oder in Bar bezahlen. Sie geben mir 3000 Yen, herzlichen Dank, zu gütig von Ihnen, das bedeutet, 500 Yen zurück, hier sehen Sie, 300, 400, 500 Yen in Münzen. Ich danke Ihnen herzlich für Ihren Einkauf, beehren Sie uns bald wieder und haben Sie einen wundervollen Tag!“ Dazu immer eine kleine Verbeugung oder zwei oder drei, ich kenne die Höflichkeitsregeln nicht, aber wahrscheinlich habe ich sämtliche gebrochen.

Zurück zum Winter, zu dieser fucking Jahreszeit, die meiner Meinung nach ruhig einen anderen Planeten heimsuchen dürfte als meinen oder von mir aus irgendwo am Nordpol versauern soll, zusammen mit dem getrocknetem Tintenfisch, wenn sie mich dann nur beide nicht mehr belästigen, dammi nomal – also eben, zu diesem Winter, der sich auch in Japan breit macht, ausgerechnet dann,
wenn ich dort bin: ja, es war arschkalt!! Und obwohl ich keine kurzen Röckchen ohne Strumpfhosen trug, fing ich mir natürlich eine üble Erkältung ein. Kennt ihr Kabuki, das traditionelle japanische Theater, in dem sich die Schauspieler die Gesichter ganz weiss schminken und die Augen so rot umranden? Ja, genau so seh ich zur Zeit aus. 
Es wird Zeit für anständiges Wetter. 
Off to Thailand.


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