Mittwoch, 13. Januar 2016

40 REISESPECIAL: Wo Regeln die Regel sind

Taiwan.
Jetzt nicht grad soooo das übliche Ferienland. "Komm, wir machen im Sommer mal Strandferien in Taiwan" - eher weniger. Obwohl, es wäre ja eigentlich schon eine Insel mit Meer drum herum. Aber verdammt weit weg und zu dieser Jahreszeit wohl grad nicht so badetauglich. Allerdings weiss ich das alles nicht so genau, ich hab's auch nur ein paar Tage in die Hauptstadt geschafft, nach Taipeh. Ich habe dort einen Freund besucht, der sich grad länger in Taiwan aufhält. Ohne ihn wäre ich wohl nicht unbedingt auf diese Destination gekommen. Aber es hat mich gereizt, so fernöstlich war ich noch nie. Und nirgends, wo man Chinesisch spricht.
Also, Herausforderung angenommen!

Taipeh ist eine blitzsaubere, asiatische High-Tech-Millionen-Metropole. Eine topmoderne U-Bahn, beheizte WC-Ringe (love it!), ein verglaster Aussichtsturm als Touristenmagnet im Zentrum (mit dem offenbar schnellsten Lift der Welt, merkt man aber leider nicht viel davon, wenn man drin ist, leider gibt's nämlich kein Fenster, und ich hatte mindestens auf ein bisschen Schwerelosigkeit gehofft oder so, aber alles, was ich hatte, war Ohrendruck), niemand muss irgendwo Türen selber aufmachen, das geht per Batch oder durch irgendwo Draufdrücken (am ersten Tag las ich nur "Push" und stemmte mich mit dem ganzen Körper gegen die Glastür vom Café, und zwar so lange und verzweifelt, bis sich eine Passantin erbarmte und wortlos mit dem Finger einen Knopf an der Tür "pushte", wonach diese problemlos aufglitt), in den Taxis werden einem auf einem Bildschirm Werbespots vorgespielt, fast überall gibt's Wifi, alles leuchtet und glänzt und piepst und bewegt sich - und die Taiwanesen sind das wohl anständigste Volk der Welt.
 

Nein, echt jetzt! Ich habe noch selten Menschen gesehen, die sich so streng an Regeln halten wie die Taiwanesen. Und Regeln gibt's in diesem Land echt viele.
Zum Beispiel in der U-Bahn. Auf Tafeln, per Lautsprecher-Durchsagen und in Filmchen wird einem
dort auf Schritt und Tritt klar gemacht, wie man sich zu verhalten hat: Anstehen zum Einsteigen nur
innerhalb der am Boden aufgezeichneten Linien, auf der Rolltreppe rechts stehen, links gehen, keine Gummischuhe, keine langen Röcke tragen, weil es die zwischen den Stufen einklemmen könnte, kein
Essen, kein Trinken, kein KAUGUMMI KAUEN! (konnt ich mich bis zuletzt nicht dran gewöhnen, immer wieder ertappte ich mich dabei, wie ich auf dem Perron Blasen platzen liess - hat mich aber nie jemand erwischt. Vielleicht war's aber auch der Ausländer-Bonus...), Zeitungen falten, und falls man Husten hat, bitte Mundschutz tragen (bleibt für mich ein gewöhnungsbedürftiger Anblick, ich erschrecke immer noch, wenn jemand so vermummt daherkommt, ich hab dann immer so eine Sekunde lang das Gefühl, die Vogelgrippe sei ausgebrochen oder es habe einen Angriff mit Biowaffen gegeben - da nützt es auch nichts, dass vor allem junge Mädchen Mundschutze in Pink
oder mit "Hello, Kitty" drauf tragen, der erste Reflex ist einfach: "Run, Forest, RUN!!"...) - und ich
hätte also  keinen einzigen Regelverstoss bemerkt! In Zürich versperrt dir doch immer mal wieder ein Depp auf der Rolltreppe den Weg, wenn du's grad voll eilig hast und links raufrennen willst, und im Zug isst jeder zweite einen stinkigen Kebab - aber nicht so in Taipeh! Niemand stört seine Mitmenschen, alle sind so angepasst. Find ich wirklich erstaunlich... und fast ein bisschen langweilig.


Oh, apropos U-Bahn: dort klingt es wie in einem niemals endenden Videospiel: hält man sein Ticket an den Sensor beim Eingangs-Drehkreuz, macht es PING!, wenn man eine einzelne Fahrt gekauft hat 
und PRRRINGPINGPING!, wenn man ein Abo hat. Wenn der Zug einfährt, erklingt eine Melodie. Und dann wieder das Gepinge, wenn man die Station durch das Drehkreuz verlässt. Die Geräusche haben mich jeweils den ganzen Tag verfolgt, ich sang sie noch abends unter der Dusche ...

Und nochmal was zum Thema Höflichkeit und Anstand der Taiwanesen: einmal zahlte ich nach dem Mittagessen die Rechnung und liess 50 Taiwan-Dollar als Trinkgeld zurück. Wir verliessen das Restaurant, und da rannte uns der Kellner hinterher und hatte die Münze in der Hand. Er bedeutete uns, dass wir die vergessen hätten (in Taiwan sprechen viele kein Englisch, wenn man also kein Chinesisch kann, sollte man sich nicht scheuen, Zeichensprache zu benützen). Ich hingegen bedeutete ihm, dass die für ihn sei - da schüttelte er ganz entschieden seinen Kopf und drückte mir die 50 Taiwan-Dollar (umgerechnet rund 1 Franken 50) in die Finger. Offenbar haben es Taiwanesen nicht so gern, wenn man sein Wohlwollen mit Geld ausdrückt. Dafür lieber richtig laut schmatzen und schlürfen beim Essen, DAS ist ein Kompliment!

Wo wir grad beim Essen sind: das kann man wirklich super in Taipeh! Nudelsuppen in allen Varianten gibt es an jeder Ecke, sie sind frisch und lecker und günstig. Mein Favorit ist aber Hot Pot,
eine Art Fondue Chinoise - ja, à la chinoise halt, haha! In der Mitte des Tisches wird ein Topf auf ein Feuer gestellt, darin sieden getrennt verschiedene Flüssigkeiten, zum Beispiel scharf und nicht scharf. In die Brühen knallt man dann alles, was einem schmeckt: Fleisch, Gemüse, Tofu, Meeresgetier, Früchte, Glasnudeln, Vanillepudding - je nach Gusto halt. Man lässt es garen, fischt es mit Stäbchen wieder raus, tunkt es in Sauce und gut ist. Ok, taiwanesische Küche ist für Vegetarier wie mich etwas schwierig, wahrscheinlich hab ich sogar Fleisch gegessen, ohne es zu merken, aber naja, wie gesagt, ich kann kein Chinesisch...

Taipeh gilt übrigens auch als Ausgangs-Mekka. Nun, ich kann da nicht ganz mitreden, denn ich hab, meinem Freund sei Dank, nur Schwulenbars und -discos kennengelernt. Was aber sehr, sehr lustig war! Wer auch mal zu schlechter chinesischer Popmusik in Choreographien tanzen will: Schwulenclub in Taipeh, ich kann's empfehlen... aber vorher viel trinken!

Zur Entspannung musste ich dann in die Fussmassage - bad idea! Läck, tat das weh! Der Masseur konnte kein Englisch, deshalb versuchte er die ganze Zeit, meine Mimik zu lesen. Wenn ich jeweils das Gesicht vor Schmerz verzog, also dauernd, packte er aber nicht etwa etwas sanfter zu. Nein, im Gegenteil, er lachte mich aus, der fand mich wohl voll die Memme, olle Westlerin, die nicht mal ein bisschen Fingernägel  in der Fusssohle aushält! Ok, so war's wohl nicht, hat sich aber so angefühlt!  Entspannung geht anders. Doch ich bin sicher, meine Füsse und sämtliche damit verbundenen Organe sind jetzt so gesund wie noch nie.
Ich bin fit für Japan.

Xie xie, Taiwan!

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