Freitag, 27. Juni 2014

5 Wie smarte Katzen Generationen verbinden

Woran merkt man, dass seine Eltern alt sind? Daran, dass sie sich mit 70 plötzlich noch ein Smartphone kaufen wollen. Und dies, nachdem sie sich erst vor etwa 7 Jahren ein Nokia der ersten Generation zugelegt haben (und dieses seit da auch nie ausgewechselt wurde). Zum ersten Mal ein Smartphone in den Händen am Lebensabend, während heute die Kinder schon iphones zur Einschulung geschenkt kriegen - jupp, Eltern stammen tatsächlich aus einer ganz anderen Generation, aus einer, die näher bei den alten Römern zu liegen scheint als im 20. Jahrhundert. 

Also, MEINE Eltern jedenfalls. Meine MUTTER, muss ich präzisieren, mein Vater scheint sogar noch in der Steinzeit geboren zu sein, denn er hält jegliche Handys, smart oder nicht, für überflüssig. Meine Mutter aber hat sich jetzt nach langem Ringen und Bangen dazu entschlossen, auf ein Smartphone umzusteigen. Ich muss dabei zugeben: ich bin nicht ganz unschuldig an dieser Idee. Ich habe sie sozusagen sanft darauf gestossen, so mit Bemerkungen wie: "Hättest du ein Smartphone, hätte ich dir das Filmli auch schicken können!" und: "Ich kann dir nicht immer SMS aus dem Ausland schreiben, das ist sauteuer. Hättest du Whatsapp, könnten wir über wlan gratis chatten!"
Ok, Whatsapp, wlan, chatten - das sind Begriffe, mit der meine Mutter ohne Erklärung nicht viel anfangen kann. Nicht, weil sie dumm wäre. Sie hat einfach null Bezug zur modernen Informationstechnik. All ihre Freunde rufen sie noch ganz altmodisch an und schicken keine E-Mails. Niemand aus ihrem Umfeld (ausser ihre Kinder) sind auf Facebook. Sie hat in ihrem Beruf nie einen Computer gebraucht, und damals in der Schule hat sie ihre Vorträge noch mit Skizzen auf der Wandtafel gehalten und nicht via ipad.
Trotzdem bekommt sie natürlich mit, wie die halbe Bevölkerung um sie herum ständig auf ihren kleinen Bildschirmen rumhämmert, sich über Bilder und Videos freut und mal schnell im Bus noch das Protokoll des letzten Meetings verschickt. Und da war sie schon immer ein bisschen neidisch. Aber jahrelang meinte sie nur seufzend, sie hätte ja schon auch gerne dieses Whats-dings da, aber Internet auf einem Handy, das brauche sie jetzt doch wirklich nicht. Nach sehr viel Überzeugungsarbeit meinerseits konnte sie dann aber endlich doch noch akzeptieren, dass Internet ja eben genau der WITZ an einem Smartphone ist, und so gehen wir also in den Swisscom-Shop.

Zuerst ein neues Gerät aussuchen. Sie wolle kein teures, sie komme ja eh nicht draus, meint meine Mutter stirnrunzelnd vor der Auslage. Sie steht jeweils mit 2 Metern Abstand vor den ausgestellten Smartphones, so als hätte sie ein bisschen Angst vor ihnen.
"Du musst sie anfassen und ausprobieren, sonst findest du doch nie raus, welches dir liegt", dränge ich sie.
"Ui nein, ich mache sicher was kaputt!" Wie gesagt, ihre Generation traut moderner Technik nicht. Sie stellt sich auch vehement gegen ein Iphone. Wahrscheinlich, weil ICH eins habe. Wenn die Tochter, die halb so alt ist wie sie, mit einem Iphone hantiert, dann muss das doch eine wahnsinnig komplizierte Maschine sein, scheint meine Mutter wohl zu denken. Gut, am Ende entscheiden wir uns für Android - ja, WIR, denn ich muss sie einmal mehr ein bisschen zu ihrem Glück zwingen.

Nun aber das erste Problem: sie hat noch wichtige Fotos auf ihrem Uralt-Knebel, die sollen natürlich nicht verloren gehen. Darunter Porträts unseres geliebten Familien-Büsis, das schon irgendwie 10 Jahre tot ist, aber in der Erinnerung immer noch mehr als lebendig. Gut, ich schicke mir die Fotos also auf mein Iphone, um sie meiner Mutter später wieder auf ihr neues Smartphone zu schicken (Kompliziert? Kompliziert!). Der Swisscom-Mann wartet geduldig. Dann rettet er noch alle ihre gespeicherten Kontakte auf das neue Handy hinüber (nach den Fotos die zweitgrösste Verlustangst meiner Mutter) und schneidet ihre SIM-Card für das neue Gerät zurecht. Auch ihr Handyvertrag von anno dazumals wird an die Neuzeit angepasst. Es gibt kein Zurück mehr. Meine Mutter zahlt, noch ein bisschen zögerlich.
Super, wir verlassen mit dem Päckchen den Shop und steuern auf das nächste Café zu.
Schliesslich muss ich meiner Mutter das Smartphone ja jetzt noch einrichten.
"Also, ich mach dir als erstes ein Google+-Account."
"??"
"Egal, das musst du nie benutzen, merk dir einfach das Passwort, denn das brauchst du, wenn du Apps herunterladen willst und so."
"Aber ich will doch nur dieses Whats-dings da!"
"Sicher. Kuck, da ist es!"
Ich schiesse mit dem neuen Smartphone ein Bild meiner Mutter und füge es in ihr Whatsapp-Profil ein. Sie ist schockiert.
"Nimm das sofort wieder raus!!! Das ist ja grauenhaft!! Sehen das die anderen jetzt auch??"
"Klar."
"UM GOTTES WILLEN!!! Setz doch stattdessen lieber ein Foto der Katze ein oder so!"
Ich versuche es, aber als Iphone-Jüngerin habe ich keine Ahnung von Android, und auch nach 23 Versuchen kann ich das Profilbild nicht ändern. Meine Mutter muss leider vorerst damit leben. Sie bekommt fast einen Herzinfarkt, in der Überzeugung, dank dem grossen, bösen Internet sieht jetzt die gesamte Welt ihr vermeintlich unvorteilhaftes Porträt.

Nach einiger Zeit haben wir beide das Android ein bisschen im Griff. Jetzt geht es ums Üben. So, wie sie mir damals das Velofahren beigebracht hat, bringe ich meiner Mutter nun das Smartphone bei. Und so, wie sie damals, habe ich heute wohl den selben Gedanken: scheisse, das ist ja schwieriger, als einem Krokodil das Singen zu unterrichten!!
"Ok, Übung Nummer 1: du schickst mir per Whatsapp ein Foto und schreibst etwas dazu."
Sie verzweifelt fast, denn ihre Finger und vor allem die manikürierten, langen Fingernägel sind noch nicht an eine digitale Tastatur gewöhnt. Sie vertippt sich dauernd, löscht das Geschriebene wieder oder schliesst dank eines falschen Handgriffs das gesamte Programm. Nach einer gefühlten Ewigkeit treffen aber Foto und Text auf meinem Iphone ein.
"Ok, nächste Übung: du schreibst mir eine Mail."
Meine Mutter staunt, wieviel Werbung sich in ihrem Posteingang angesammelt hat, da sie den am Computer ja nie checkt. Jetzt mit dem neuen Handy wird das hoffentlich anders und ich kriege auch mal eine Antwort auf meine Post an sie.
Zuerst schmeisst sie das Ding aber fast wieder an eine Wand, so sehr nervt sie die ewige Vertipperei. Wir machen also ein paar Fingerlockerungs-Übungen, damit sie nicht immer so auf die Tasten einhaut, als müsse sie imaginäre Ameisen töten. Und ich zeige meiner Mutter, dass man ein Smartphone auch easy mit EINER Hand bedienen kann, man muss den Daumen nur richtig einsetzen - und vor allem SANFT, es gibt hier keine Knöpfe mehr, die man bis zum Anschlag runterdrücken muss.
Irgendwann erhalte ich dann auch die Mail. Noch mit einigen Schreibfehlern, aber egal.

Meine Mutter ist glücklich. Sie freut sich nun wie ein Kind, wenn ihr jemand lustige Videos und Bildli whatsappt (JA, ich kenne dieses Gefühl!). Und ihr Profilbild zeigt jetzt auch tatsächlich unsere Katze selig. Wir schicken uns nun dauernd irgendwelche stupiden Dinge hin und her. Und wenn sie es geschafft hat, eines davon zu speichern, dann schreibt sie mir das gleich voller Stolz - immer mit einiger Verzögerung, weil eben, das digitale Tippen dauert halt noch ein bisschen... Aber es macht ihr Spass. Ok, immer mal wieder holen sie ihre alten Ängste ein: "Gell, ich hab jetzt aber nichts kaputt gemacht?? Und gell, wenn ich da draufdrücke, dann ist das aber gratis, oder??" Aber bis jetzt konnte ich sie immer wieder ziemlich schnell beruhigen.
Wir fühlen uns glaube ich jetzt noch ein bisschen näher als sonst schon als Mutter und Tochter. Ich meine, sie ist doppelt so alt wie ich, aber wir haben nun je ein Handy derselben Generation. Das verbindet.

Übrigens: die Büsi-Fotos, die ich mir von ihrem alten Handy geschickt habe, sind leider nie angekommen. Das Steinzeit-Nokia meiner Mutter war mit meinem hippen Iphone 5 wohl einfach ein bisschen überfordert. Aber das Nokia existiert ja zum Glück noch: Steinzeit-Papi hat es übernommen.



 



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